Hilfe, wenn nichts mehr geht

Familienpfleger unterstützen Familien in Notsituationen – Mitarbeiter kennen sich aus in Hauswirtschaft, Pflege und Pädagogik

Harald Kugler-Streng ist einer von 15 Mitarbeitern der Katholischen Familienpflege Rems-Murr, die in Familien im ganzen Kreis im Einsatz sind. Und er ist der einzige Mann im Team. Er und seine Kolleginnen unterstützen Familien in Krisensituationen, zum Beispiel wenn die Mutter oder der Vater aufgrund gesundheitlicher Probleme Haushalt und Kinder nicht mehr versorgen können.

Hilfe, wenn nichts mehr geht

Familienpfleger wie Harald Kugler-Streng sind in Notsituationen eine wertvolle Hilfe bei der Haushaltsführung und Kinderversorgung. Sie müssen sich auf die Bedürfnisse der Eltern und Kinder einstellen. Kugler-Streng genießt seine Arbeit und das in ihn gesetzte Vertrauen. Foto: A. Hohnerlein

Von Annette Hohnerlein

BACKNANG. Emil möchte Räuber und Polizist spielen und baut ein Gefängnis aus Besenstielen. Dann will er lieber Bauer sein und eine Kuh melken, zur Not auch eine zweibeinige. Kurz darauf ist seine Hose nass, er muss sie ausziehen, das geht aber nicht, weil er Gummistiefel anhat. Lautstark fordert er Hilfe ein. Einen Dreijährigen bei Laune zu halten, kann ganz schön anstrengend sein.

Emils Mutter Franziska Günther (Name geändert) sitzt entspannt im Gartenstuhl. Sie ist hochschwanger, ihr drittes Kind kann jeden Tag auf die Welt kommen. Um Emil und seinen sechsjährigen Bruder Paul kümmert sich ein Familienpfleger. Harald Kugler-Streng kommt seit Mitte April an vier Nachmittagen in der Woche von 13 bis 17 Uhr ins Haus der Familie. Er lässt sich als Räuber ins Gefängnis sperren, als Kuh melken, liest den Kindern vor, geht mit ihnen auf den Spielplatz und hat auch noch ein Auge auf die beiden Nachbarskinder, die zum Spielen vorbeikommen. Als im Haus lautes Geschrei ertönt, springt er auf und sieht nach dem Rechten. Am Beginn seines Dienstes holt er die beiden lebhaften Jungs vom Kindergarten ab, während die Mutter das Essen kocht. Danach ist Mittagsruhe, Emil schläft ein Stündchen, Paul beschäftigt sich selbst, während Harald Kugler-Streng die Küche in Ordnung bringt. Und auch Franziska Günther kann Pause machen. „Ich darf mich hinlegen. Das ist ein Traum“, sagt sie dankbar.

Im Frühjahr hatte die 39-Jährige gesundheitliche Probleme bekommen. Eine Bronchitis wurde wochenlang nicht besser, dazu kamen vorzeitige Wehen. Sie war völlig überlastet, zumal weder Eltern noch Schwiegereltern zu Hilfe kommen konnten. Als es gar nicht mehr ging, nahm ihr Mann notgedrungen Urlaub. In dieser Situation schlug die Hebamme vor, einen Familienpfleger zu beantragen. Der Gynäkologe verschrieb die Maßnahme, und Franziska Günther machte sich auf die Suche. Sie wandte sich an verschiedene soziale Einrichtungen und bekam schließlich einen Rückruf von der Katholischen Familienpflege der Caritas in Waiblingen. „Ich hätte halt noch einen Mann“, lautete die zaghafte Auskunft der Mitarbeiterin.

Franziska Günther war einverstanden, und hat es nicht bereut: „Das ist so eine Erleichterung. Seit er da ist, geht’s mir wieder besser.“ Der ausgebildete Familienpfleger kocht, räumt die Küche auf, geht einkaufen, macht sauber und kümmert sich um die beiden Jungs. „Die Kinder haben ihn vom ersten Tag an akzeptiert“, berichtet Franziska Günther. Sie findet es gut, dass ihre Söhne neben dem von Frauen geprägten Kindergartenalltag auch mal einen männlichen Betreuer haben. Neben seiner Ausbildung zum Familienpfleger bringt der 45-Jährige noch eine ganz persönliche Qualifikation mit: Er hat selbst drei Kinder.

Hauswirtschaftliche Tätigkeiten haben ihn schon als Kind interessiert, erzählt Kugler-Streng. Die Kässpätzle und der Hefezopf seiner Mutter sind ihm noch in bester Erinnerung. Nach der Schule machte er aber zunächst eine Ausbildung zum Industriemechaniker und arbeitete einige Jahre in diesem Beruf. Mit 27 Jahren beschloss er, sich an der Evangelischen Berufsfachschule für Haus- und Familienpflege in Korntal-Münchingen zum Familienpfleger ausbilden zu lassen. Neben hauswirtschaftlichen Fähigkeiten wurden dort auch Kenntnisse in Pflege und Pädagogik vermittelt. Nach einer mehrjährigen Tätigkeit in verschiedenen sozialen Einrichtungen kam er als Familienpfleger zur Caritas und ist seit einem Jahr in Familien im ganzen Rems-Murr-Kreis im Einsatz. Heute ist Harald Kugler-Streng glücklich, seine Bestimmung gefunden zu haben: „Ich genieße die Arbeit. Sie geht mir leicht von der Hand. Und es ist so schön, Vertrauen geschenkt zu bekommen.“

Familien befinden sich oft

in einer sensiblen Situation

In der Regel kommt er in Familien, die sich in einer sensiblen Situation befinden. Eine Erkrankung oder ein Reha-Aufenthalt von Mutter oder Vater, eine Trennung oder der Tod eines Familienmitglieds: All das können Gründe sein, warum eine Familie ihren Alltag nicht mehr aus eigener Kraft bewältigen kann. Vom Familienpfleger erfordert das viel Einfühlungsvermögen. Er muss sich auf die Bedürfnisse der Eltern und Kinder und die Gepflogenheiten in der Familie einstellen. Harald Kugler-Streng weiß: Das funktioniert nur, wenn die Chemie zwischen allen Beteiligten stimmt.