Hilfe zur Selbsthilfe im Flüchtlingslager

Der Backnanger THW-Ortsbeauftragte Alexander Krumbach hat elf Tage lang im Irak örtliche Mitarbeiter geschult

Das deutsche THW versucht seit 2013, die schlimmste Not im Irak zu lindern. Schließlich sind der anhaltende Syrienkonflikt und der Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat extreme Belastungen für das Land. Dieser Tage war Alexander Krumbach im Flüchtlingslager Erbil. Der 28-jährige Ortsbeauftragte von Backnang kümmerte sich dort um die Schulung von Lagerbewohnern, damit diese künftig einen Werkzeugverleih betreuen und Maschinen an andere Flüchtlinge verleihen können.

Hilfe zur Selbsthilfe im Flüchtlingslager

Die Ausführungen von Alexander Krumbach auf Englisch wurden von Dolmetschern ins Arabische und Kurdische übersetzt. Foto: privat

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Das THW hat in den vergangenen Jahren in vier Flüchtlingscamps Werkzeugverleihe aufgebaut. In den Containern erhalten die Bewohner die notwendige Ausstattung, um ihre Unterkünfte eigenständig reparieren zu können. Die Werkzeugverleihe werden künftig von Geflüchteten betreut, die derzeit von Mitarbeiter des THW darin ausgebildet werden, die Verleihe zu leiten und technische Trainings durchzuführen. Angesprochen sind insbesondere Frauen.

Einer dieser Trainer ist Alexander Krumbach, der seit zehn Jahren dem THW Backnang angehört und inzwischen Chef der örtlichen Helfer ist. Der Entwicklungsingenieur, der bei Mahle in Stuttgart arbeitet, hat in Erbil zwölf Ehrenamtliche von Grund auf ausgebildet. Bei dem Werkzeug handelte es sich um Bohrmaschinen, Sägen, Pumpen, Notstromaggregate oder Schweißgeräte, aber auch um ganz einfache Instrumente wie Hammer, Zange oder Wasserwaage.

Für die Flüchtlinge sind diese Geräte und Maschinen äußerst wichtig. Viele wohnen seit acht Jahren in dem Camp, in dem sie ihre Zelte längst durch einfache Baracken, Hütten und sogar Häuser ersetzt haben. Die Bauten gleichen eher einer Siedlung. Krumbach vermutet, dass das abgeschirmte Camp irgendwann einfach ein Viertel von Erbil werden wird.

Das Ausleihen des Werkzeugs ist für die Flüchtlinge kostenlos

Wenn es bei den primitiven Unterkünften an den Installationen mal wieder tropft oder funkt, dann benötigen die Bewohner das Werkzeug des THW. Sie können dies im Tool-Shop täglich von 8 bis 17 Uhr ausleihen. Die Ausleihe ist kostenfrei, als Pfand wird der Ausweis einbehalten.

Bislang wurde die Ausleihe im Lager Erbil von drei angestellten Flüchtlingen betreut, doch mit der auslaufenden Unterstützung durch die bayerische Staatskanzlei endet auch das Engagement dieser. Damit es mit der Werkzeugausgabe weitergehen kann, wurden nun zwölf Ehrenamtliche im Umgang mit den Maschinen geschult. Es gab einen Theorieteil, in dem es um Schutzausstattung wie Helm, Schutzbrille, Handschuhe, Schutzschuhe und Gehörschutz ging. Und einen Praxisteil, der die Handhabung der Geräte beinhaltete. Laut Krumbach waren seine Schüler ungemein wissbegierig und engagiert. So waren sie etwa jeden Tag 20 Minuten vor dem Beginn der Schulung vor Ort, „sie saßen dann schon da und hatten ihre Warnwesten und Sicherheitsklamotten an und einen Schreibblock vor sich“, berichtet Krumbach. Für ihn war deutlich zu erkennen, dass die ausgewählten Mitarbeiter spürten, wie sehr diese Weiterbildung eine Chance für sie darstellt, etwas zu lernen. Eine Chance, die es sonst im ganzen Land nicht gibt. Und da viele qualifizierte Flüchtlinge den Weg nach Europa gewählt haben, sind die THW-Geschulten plötzlich die Experten im Lager.

Ursprünglich wollte Krumbach zwei Wochen lang bleiben, doch im Vorfeld gab es Schwierigkeiten mit dem Visa, während des Ramadan wurde auch in der Berliner Botschaft verkürzt gearbeitet. Während er in Deutschland viel im Einsatz ist, war dies der erste Auslandseinsatz für den Ingenieur. Er hat sich über die deutschlandweite THW-Datenbank beworben und darauf hingearbeitet, indem er an vielen Fortbildungen teilnahm und sämtliche Untersuchungen und alle 14 Impfungen über sich ergehen ließ. Vor Ort waren viele Umstände nicht angenehm und mit Europa nicht vergleichbar. Die Stromversorgung brach stündlich zusammen. Zudem war die Hitze sehr belastend. Auch gab es eine hohe Waffenpräsenz, weil der Konflikt zwischen den USA und dem benachbarten Iran auf einen Höhepunkt zusteuerte. Da ein US-Militärstützpunkt in der Nähe lag, herrschte viel Verkehr, „ich habe mich nicht wohlgefühlt.“ Trotzdem steht im Raum, dass er im Herbst wieder in den Irak fliegt: „Ich würde es gerne wieder machen, weil ich dort helfen kann, wo es direkt nötig ist. Das ist etwas anderes, als an der Belüftung des Max-Eyth-Sees mitzuschaffen, auch wenn das auch wichtig ist. Aber hier geht es um die Basics, um Lebenserhaltung von Menschen.“ Krumbach freute sich, am Ende des Einsatzes auch seine Erfolge zu sehen. „Ich bekomme etwas zurück. Auf keinen Fall etwas Materielles, aber ich sehe die großen Fortschritte, die die Menschen machen. Am ersten Tag haben sich die Frauen, die in ihrem Umfeld ständig von Männern unterdrückt werden, gar nicht an Bohrmaschinen getraut. Und am letzten Tag haben sie sicher mit dem Schweißbrenner hantiert.“

Info
8,7 Millionen Menschen sind auf Hilfe angewiesen

Im Irak gibt es zirka zwei Millionen Binnenvertriebene und ungefähr 250000 syrische Flüchtlinge. Die Versorgung belastet die staatlichen Ressourcen zunehmend. Insgesamt sind derzeit 8,7 Millionen Menschen auf humanitäre Unterstützung angewiesen.

Die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) ist eine Behörde der Bundesregierung, die technische Hilfe im Katastrophenfall leistet. Seit November 2013 ist das THW im Bereich der Not- und Übergangshilfe in der Region Kurdistan-Irak tätig.

Mit finanzieller Unterstützung der Bayerischen Staatskanzlei setzt das THW ein Projekt zur Stärkung regionaler Katastrophenschutzstrukturen und dem Ausbau humanitärer Infrastruktur um. In Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren wurden dafür verschiedene Einsatzbereiche identifiziert, unter anderem der Werkzeugverleih.

Zur Stärkung des Katastrophenschutzes und der humanitären Infrastruktur stellte die Bayerische Staatsregierung für den Zeitraum Juni 2017 bis Mai 2019 über 2,5 Millionen Euro zur Verfügung.