Hinterbliebene enttäuscht nach Germanwings-Prozess

dpa Hamm. Mehr als sechs Jahre nach der Germanwings-Katastrophe hat sich ein Gericht abermals mit Schadenersatz-Ansprüchen der Hinterbliebenen befasst. Die Entscheidung fiel für die Kläger ernüchternd aus.

Hinterbliebene enttäuscht nach Germanwings-Prozess

Der Vorsitzende Richter Johannes Wieseler (M) und seine Kollegen Volker Messing (l) und Dirk Pelzer sitzen zu Beginn der Berufungsverhandlung zu den Schadensersatzforderungen der Hinterbliebenen des Germanwings-Absturzes 2015 in der Lobby des Oberlandesgerichtes. Foto: Guido Kirchner/dpa

Auf die Gerichtsentscheidung im Berufungsverfahren um zusätzlichen Schadenersatz nach dem Germanwings-Absturz im Jahr 2015 haben die klagenden Hinterbliebenden mit Enttäuschung reagiert.

Am Dienstagabend hatte das Oberlandesgericht die Berufung von mehreren Klägern gegen die Lufthansa zurückgewiesen. Die Hinterbliebenen der Germanwings-Katastrophe mit 150 Toten hatten auf zusätzliche Entschädigung von jeweils 30.000 Euro geklagt, waren aber auch in zweiter Instanz gescheitert.

Er halte die Argumentation des Oberlandesgerichts für ebenso falsch wie die der Essener Richter, betonte Flugrechtsanwalt Elmar Giemulla am Dienstag in Hamm. Es sei zu prüfen, ob seine Mandanten gegen die Entscheidung vorgehen.

Die anwesenden Hinterbliebene hatten noch vor der Verkündung des Urteils am späten Dienstagabend sichtlich ernüchtert und teilweise aufgebracht das Gerichtsgebäude verlassen. In der mündlichen Verhandlung hatte sich bereits angedeutet, dass die Richter wohl das Urteil aus der Vorinstanz bestätigen würden. Das Landgericht Essen hatte die Klage 2020 unter anderem mit der Begründung zurückgewiesen, die Lufthansa sei nicht der richtige Adressat für die Klage.

Am 24. März 2015 hatte den Ermittlungen zufolge der früher unter Depressionen leidende Co-Pilot das Flugzeug in den französischen Alpen absichtlich gegen einen Berg gesteuert. Dabei kamen alle 150 Insassen ums Leben. Viele Opfer kamen aus Nordrhein-Westfalen, darunter auch 16 Schüler und zwei Lehrer eines Gymnasiums aus Haltern am See am nördlichen Rand des Ruhrgebiets.

Die Kläger werfen der Germanwings-Mutter Lufthansa Versäumnisse bei den medizinischen Untersuchungen auf Flugtauglichkeit vor. Hätten die Flugärzte gründlich gearbeitet, so das Argument, hätte eine schwerwiegende psychische Krankheit des Co-Piloten erkannt werden und ihm die Flugerlaubnis entzogen werden müssen.

Dem Argument folgten die Richter jedoch auch am Dienstag nicht. Vielmehr sprachen sie von einer „recht klaren Urteilsbegründung“ der Vorinstanz. Die Argumentation im ersten Urteil, die medizinische Überwachung sei eine hoheitliche Aufgabe des Staates, sei schlüssig. Insofern sei die Lufthansa nicht der richtige Adressat, wenn man Versäumnisse der Fliegerärzte geltend machen wolle. Vielmehr sei der Bund der richtige Anspruchsgegner. Denn dessen Behörde, das Luftfahrtbundesamt, sei verantwortlich für die Prüfung der Flugtauglichkeit.

Einem Vergleich in der Frage hatte insbesondere die Lufthansa nicht zugestimmt. Sie hatte in dem Verfahren stets argumentiert, die während seiner Ausbildung festgestellte Depression des Co-Piloten sei 2010 ausgeheilt gewesen, für einen Rückfall habe es bei den Untersuchungen keine Anhaltspunkte gegeben.

Nach ihrer Beratung verkündeten die Richter am Abend schließlich, was sich bereits abgezeichnet hatte: Die Berufung werde zurückgewiesen. Die ausführliche Begründung werde schriftlich erfolgen. Auch die Revision ließen die Richter nicht zu - die Kläger haben jedoch die Möglichkeit, dagegen Beschwerde einzulegen.

Zudem steht in einem ähnlichen Verfahren in Frankfurt noch eine Entscheidung aus. Dort anhängig ist nach Auskunft der Kläger-Vertreter eine Klage gegen die Lufthansa um Schmerzensgeldansprüche in Höhe von insgesamt mehr als 3 Millionen Euro.

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