Hochwasser an Weihnachten

Vor 100 Jahren trat die Murr zu den Feiertagen über die Ufer – „Das ganze Tal ein riesiger See“

Hochwasser an Weihnachten

Hochwasser in der Schillerstraße 1912: Backnang wurde Anfang des 20. Jahrhunderts immer wieder überflutet. Archivfoto

Von Armin Fechter

BACKNANG. Mehr als nur verregnet war Weihnachten für die Backnanger vor 100 Jahren: Die Murr trat über die Ufer und sorgte dafür, dass weite Teile der Innenstadt unter Wasser standen.

Wie der Murrtalbote in seiner Ausgabe vom 24. Dezember 1919 berichtete, verursachte der Regen der beiden vorangegangenen Tage eine rasche Schneeschmelze in den Höhenlagen.

Die Wassermassen, die sich talabwärts ergossen und in der Murr sammelten, von wo sie Richtung Neckar weiterströmten, veranlassten die Bewohner im Überschwemmungsgebiet, „mit den Aufräumungs- und Abdichtungsarbeiten zu beginnen“, wie es in der Zeitung hieß. Unter Wasser standen demnach die Sulzbacher Straße, der Graben (heutige Grabenstraße) und die Schillerstraße. Betroffen war auch der Bereich im Kalten Wasser. Und: „Das ganze Tal der Murr bildete einen riesigen See.“

In der Ausgabe vom 27. Dezember ist dann festgehalten, dass das Murrhochwasser in Backnang großen Schaden angerichtet habe. Gleichzeitig wird berichtet, was andernorts im Land passiert ist. So ist in Schorndorf ein Zug entgleist, der dicht besetzt in Richtung Welzheim abgefahren war. Ursache des Unglücks: An der Remsbrücke gleich nach der Bahnstation war der Gleiskörper stark unterspült. Die Lok und der erste Wagen stürzten über die Böschung hinab, Lokführer und Heizer konnten aber noch rechtzeitig abspringen. Der übrige Zug wurde in den Bahnhof zurückgeschleppt.

Mit dem Hochwasser an Weihnachten war die Gefahr jedoch noch nicht ausgestanden. Am darauffolgenden Wochenende sorgten starke Niederschläge erneut für einen steigenden Pegel. Die Folge: In der Oberen Walke und unterhalb des damaligen Stadtgebiets standen die Talwiesen größtenteils erneut unter Wasser.

Die häufig wiederkehrenden Überflutungen – bereits am 9. September 1912 und am 6. März 1914 hatte es folgenschwere Überschwemmungen gegeben – ließen auch den Gemeinderat nicht ruhen. Die Mitglieder besprachen Maßnahmen zur Verbesserung des Murrlaufs und zur Verminderung der Überflutungsgefahr. Konkret sollte es dabei, wie der Murrtalbote am 29. Dezember berichtete, um den Bereich zwischen der Aspacher Brücke und dem Wehr an der sogenannten unteren Fabrik gehen, also Richtung Etzwiesen. Auch gegenüber der Landesregierung hielt die Stadt die Angelegenheit im Fluss, wie es hieß. So war nur wenige Tage zuvor von der Ministerialabteilung für Straßen- und Wasserbau ein Schreiben eingegangen, wonach der Entwurf für die Murrverbesserung in Arbeit sei und im Januar fertiggestellt werde.