Navigation bei Tieren

Hunde haben Autobahnen, Katzen haben Schleichwege

Wie navigieren Tiere  in der Natur? Welche Wege bevorzugen sie? Gibt es Unterschiede zwischen Hunden und Katzen? Und wie sieht es bei wildlebenden Exemplaren aus? Forscher haben die Antwort.

Hunde haben Autobahnen, Katzen haben Schleichwege

Wildlebende Hunde- und Katzenartige bewegen sich auf grundlegend unterschiedliche Weise durch ihre Heimatgebiete.

Von Markus Brauer

Bei einer Untersuchung der Bewegungsdaten von Tieren aus der Familie der Katzen (18 Arten) und Hunde (16 Arten) entdeckte ein internationales Team überraschende Unterschiede bezüglich des Navigationsstils in freier Wildbahn.

Routenwege bei Wildtieren

Wölfe und Füchse nutzen häufiger sogenannte Routenwege als Rotluchse, Löwen und Leoparden. Noch deutlicher wurde der Unterschied, als Arten der beiden Familien verglichen wurden, die wie Kojoten und Pumas zusammenleben.

Das Projekt wurde von Experten der Universität Maryland (USA) und des Center for Advanced Systems Understanding (CASUS) am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) geleitet. Die Ergebnisse der bisher größten vergleichenden Studie zur Bewegungsökologie von Raubtieren wurden im Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht.

Wie ist es bei Hunden und Katzen?

Der Hund sucht immer wieder die gleichen Orte im Garten auf? Die Katze erkundet bei jedem Ausflug ein anderes Gebiet? Es zirkulieren unzählige Anekdoten zum unterschiedlichen Verhalten der beiden Haustierarten, deren Essenz die Wissenschaft nun auf die Schliche gekommen ist.

„Wir haben herausgefunden, dass sich wildlebende Hunde- und Katzenartige auf grundlegend unterschiedliche Weise durch ihre Heimatgebiete bewegen, auch wenn sie häufig ähnlich groß sind, ähnliche Habitate bewohnen und ähnliche Beutetiere bevorzugen“, sagt Justin M. Calabrese, Leiter der Forschungsgruppe für Erdsystemwissenschaften am CASUS und Hauptautor der Veröffentlichung.

Regelmäßig vs ungleichmäßig

„Hundeartige verlassen sich viel stärker auf regelmäßig genutzte Strecken, sogenannte Routenwege. Im Gegensatz dazu neigen Katzenartige dazu, sich ungleichmäßiger durch die Umgebung zu bewegen, was dazu führt, dass deutlich weniger solche Routenwege identifiziert werden.“

„Wir vermuten, dass diese Beobachtung auf grundlegende evolutionäre Unterschiede zurückgeht, wie sich diese Arten orientieren und in ihrer Umgebung zurechtfinden“, erklärt William F. Fagan, Professor für Biologie an der Universität Maryland in den USA und leitender Autor der Publikation.

„Hundeartige verfügen im Vergleich zu Katzenartigen über bessere olfaktorische Fähigkeiten, die ihnen möglicherweise dabei helfen, bevorzugte Strecken zu etablieren und wiederzufinden.“

Einfluss unterschiedlicher Landschaftstypen

„Eine so große Datensammlung ist naturgemäß in vielerlei Hinsicht uneinheitlich. Umso erstaunlicher ist es, dass die gefundenen Unterschiede so deutlich und so konsistent sind”, konstatiert Calabrese. „Wir konnten zudem ausschließen, dass die familienspezifischen Unterschiede auf einige typische Störfaktoren zurückgehen.”

Die Differenzen zwischen Hunde- und Katzenartigen wurden noch deutlicher, als die Forscher ihre Analysen auf einzelne Landschaftstypen beschränkten, in denen Arten beider Familien gemeinsam untersucht werden konnten.

Somit kann zum Beispiel ein Einfluss der Umgebung auf die Bewegungsmuster der Tiere ausgeschlossen werden. Konkret ergaben die Daten von in den östlichen Rocky Mountains lebenden Kojoten und Pumas mehr und häufiger genutzte Routenwege für Kojoten.

Bedeutung für Wildtierschutz und Evolutionsbiologie

Die Studienergebnisse widersprechen dem bisherigen Wissensstand über die Bewegungsökologie von Raubsäugetieren. Bis jetzt ging die Forschung davon aus, dass sich Raubtiere – unabhängig von ihrer Zugehörigkeit – beliebig in ihrem Gebiet bewegen. Diese Annahme ist weit verbreitet und wurde bereits in mathematische Standardmodelle aufgenommen.

Die neuen Erkenntnisse zeigen jedoch, dass Fleischfresser aus der Familie der Hunde dazu neigen, ein System von „Autobahnen“ zu schaffen, um sich durch Teile ihres Verbreitungsgebiets zu bewegen.

Folgerungen für Theorie und Praxis

Den Wissenschaftler zufolge sind diese Erkenntnisse sowohl für die Theorie der Tierbewegungen als auch für die Wildtierschutz-Praxis bedeutsam. Im ersten Fall gilt es, Modelle von Begegnungsprozessen zwischen sich bewegenden Tieren zu verbessern – ein Schwerpunkt der ökologischen Forschung am CASUS. Die neuen Modelle von zum Beispiel Räuber-Beute-Beziehungen und Krankheitsübertragungen könnten womöglich besser zu den Beobachtungsdaten passen.

Bezüglich des Wildtierschutzes helfen ein besseres Verständnis und eine genauere Vorhersage der Bewegungsmuster der Tiere, Begegnungen zwischen Mensch und Wildtier zu reduzieren und Schutzgebiete gefährdeter Arten besser zu planen.