Hunderte protestieren gegen Coronaregeln

Der sogenannte „Spaziergang“ war bei der Stadt Backnang nicht angemeldet, damit handelte es sich um eine illegale Versammlung. Zahlreiche Polizisten waren gestern vor Ort. Die Stadt will daraus Konsequenzen ziehen und solche Versammlungen in Zukunft im Voraus verbieten.

Hunderte protestieren gegen Coronaregeln

Bei dem Spaziergang gegen Coronamaßnahmen versammelten sich die Teilnehmer zunächst am Obstmarkt und zogen dann unerlaubt durch die Backnanger Innenstadt. Fotos: A. Becher

Von Kristin Doberer

Backnang. Minutenlang dauerte es, bis alle Teilnehmer eines sogenannten Corona-Spaziergangs gestern einmal komplett durch die Grabenstraße gezogen waren. Die einen hatten kleine Teelichter in Gläsern dabei, die anderen richtige Laternen, Grablichter oder eine Musikbox – Masken dagegen hatten die wenigsten auf. Rund 300Personen hatten sich für den Spaziergang getroffen, diese Schätzung teilt ein Sprecher der Polizei gestern Abend mit. Um kurz vor 18.30 Uhr versammelte sich ein Großteil der Spaziergänger am Obstmarkt. Nach einem lauten Pfiff aus einer Trillerpfeife marschierten sie los, zunächst durch die Uhlandstraße, dann weiter durch die Grabenstraße und die Talstraße. Weitere Teilnehmer gesellten sich im Lauf des Spaziergangs hinzu.

Bei solchen „Spaziergängen“, die meist in Kommunikationskanälen wie Telegram oder über die sozialen Medien angekündigt werden, protestieren die Teilnehmer seit einigen Wochen regelmäßig in vielen Orten in Deutschland gegen die staatlichen Coronamaßnahmen. Auch beim gestrigen „Spaziergang“ hörte man immer wieder Sätze wie „wir wollen endlich wieder normal leben“ oder „wir lassen uns vom System doch nicht unterdrücken“.

Auch hielten die Teilnehmer weder zueinander Abstand noch zu Passanten, die zufällig gerade aus einem Geschäft kamen. „Das ist aus Infektionsschutzgründen auch problematisch für Unbeteiligte“, sagt Rechts- und Ordnungsamtsleiterin Gisela Blumer. Es komme einem nach dem Einkaufen ein Pulk Menschen ohne Masken und Abstand entgegen, dem man als Passant kaum ausweichen könne. Einige der Passanten schauten dem Zug gestern kopfschüttelnd und mit wenig Verständnis zu, andere dagegen feuerten die Spaziergänger an und applaudierten sogar.

Der Spaziergang war bei der Stadt nicht angemeldet und deshalb verboten

Angemeldet wurde die Versammlung beim örtlichen Rechts- und Ordnungsamt weder im Vorfeld noch gestern bei dem Treffen selbst, das teilt die Amtsleiterin mit. Bis zu Beginn der Versammlung hätte sich noch ein Versammlungsleiter finden müssen, der den Spaziergang offiziell beim Rechts- und Ordnungsamt anmeldet und auch für die Einhaltung der Auflagen zur Sicherstellung des Infektionsschutzes sorgt. Da das nicht passiert ist, hat das Rechts- und Ordnungsamt die Versammlung vor Ort verboten.

Beamte der Polizei verkündeten dies durch einen Lautsprecher und wiesen die anwesenden Personen auch darauf hin, dass es sich bei dem Spaziergang um eine unerlaubte Versammlung handelt. Ebenso verwiesen sie auf die aktuell geltenden Infektionsschutzregeln, stießen aber größtenteils auf taube Ohren.

Tatsächlich aufgelöst haben die Beamten den Zug durch die Stadt trotzdem nicht. Dafür habe man sich aus Konfliktlösungsgründen entschieden, erklärt Blumer. Stattdessen wurde der Zug von den Polizisten durch die Stadt begleitet. Einige Beamte des sogenannten Antikonfliktteams verteilten sich unter den Spaziergängern, ein Polizeiwagen sowie mehrere Beamte zu Fuß blieben am Ende des Zuges, um für Verkehrssicherheit zu sorgen. In der Talstraße wurde der Verkehr durch den Zug für kurze Zeit behindert, ansonsten habe es aber keine besonderen Ereignisse gegeben, so ein Sprecher der Polizei. Aufgelöst habe sich der Spaziergang gegen 19.30 Uhr.

Aus der Vergangenheit gelernt: Deutlich mehr Polizisten im Einsatz

Beim ersten „Montags-Spaziergang“ in Backnang vor zwei Wochen habe die Zahl der Beteiligten noch bei etwa 20 gelegen, das teilt ein Sprecher der Polizei Aalen auf Nachfrage mit. Am Montag vor einer Woche habe sich die Zahl dann unerwarteterweise verzehnfacht. Weil auch für gestern in den sozialen Medien wieder ein „Spaziergang“ angekündigt worden war, war die Polizei mit deutlich mehr Einsatzkräften vor Ort.

Da nun schon zum zweiten Mal in Folge eine unangemeldete Versammlung mit so vielen Teilnehmern stattgefunden hat, will die Stadt Backnang reagieren, um solche Ansammlungen in Zukunft verbieten zu können. In den kommenden Tagen will die Verwaltung eine entsprechende Verfügung erlassen. Mehrere Städte, zum Beispiel Karlsruhe, haben die Teilnahme an diesen „Spaziergängen“ bereits untersagt, wenn diese nicht vorab angemeldet und nicht behördlich bestätigt wurden.