Sie wollten in den Ferien die Berge genießen. Dann kam der Schnee: Ein heftiger Sturm hat auf der chinesisch-tibetischen Seite des Mount Everest Hunderte Wanderer eingeschlossen.
Auf diesem Foto, das am 4. Oktober 2025 aufgenommen wurde, steigen Dorfbewohner mit ihren Ochsen und Pferden den Berg hinauf, während sie versuchen, Hunderte von Wanderern zu erreichen, die durch den starken Schneefall in den Touristenlagern am Hang des Mount Everest in Tibet eingeschlossen sind.
Von Markus Brauer/dpa
Was als abenteuerlicher Wanderurlaub gedacht war und idyllisch begann, ist am höchsten Berg der Welt im totalen Chaos geendet.
Nach einem Schneesturm auf der chinesisch-tibetischen Seite des Mount Everest sind mindestens 350 Touristen von Rettungskräften in Sicherheit gebracht worden. Die Wanderer wurden in die Ortschaft Qudang gebracht, wie das chinesische Staatsfernsehen berichtet. Sie liegt östlich des Berges.
❄️ Hundreds of trekkers trapped by a blizzard near Mount Everest’s eastern face in Tibet have been rescued. Around 350 reached Qudang township, and contact has been made with over 200 others after heavy snow and rain hit the Himalayas.pic.twitter.com/9qiLNWKc56 — Volcaholic (@volcaholic1) October 6, 2025
Genaue Zahl der Eingeschlossenen ist unklar
Zu mehr als 200 weiteren Personen bestehe inzwischen Kontakt. Sie sollten nach und nach ebenfalls den Sammelpunkt erreichen. Das betroffene Gebiet ist als Karma-Tal bekannt. Wie viele Menschen sich dort weiterhin aufhalten, ist noch unklar. Das Tourismusgebiet wurde vorübergehend geschlossen. Über die Region waren Unwetter hinweggezogen.
In einer weiteren Bergregion im Westen Chinas starb ein Wanderer, 137 weitere Menschen wurden dort im Norden der Provinz Qinghai in Sicherheit gebracht, wie der Sender CCTV berichtet.
In der Goldenen Woche zum Mount Everest
China befindet sich mitten in der sogenannten Goldenen Woche mit vielen Feiertagen. Es ist Hochsaison für den lokalen Tourismus. Im Oktober ist das Wetter in der Region oft ideal für Wanderungen in der Region des Mount Everest.
Die Route durch das Karma-Tal gilt als eine weniger bekannte, aber landschaftlich reizvolle Route zum Fuße des Everest – von der aus man auch einen Blick auf den höchsten Gipfel der Welt hat.
Klassiker und Extreme
Wer auf den Gipfel des Mount Everest will, hat die Qual der Wahl. 20 bisher begangene Wege führen auf das Dach der Welt. Die beiden klassischen, meist bestiegenen Routen führen über den Südostgrat sowie über den Nord- und Nordostgrat auf 8848 Meter.
Daneben gibt es Routen, die über den Westgrat (1963), die Südwestwand (1975), die Nordwand (1980), die Ostwand (1983), den Südpfeiler (1980), den Nordnordost-Couloir (1996) oder die Ostwand (Kangshung-Wand, 1988) führen.
Einer der bekanntesten Aufstiegsrouten ist die Nordwand-Messner-Variante. Als Reinhold Messner im August 1980 alleine und ohne zusätzlichen Sauerstoff den Mount Everest bestieg, wählte er diesen Weg auf den Summit, den er am 20. August erreichte.
Zerstörte Zelte, blockierte Straßen
Das chinesische Nachrichtenportal Jimu Xinwen hatte berichtet, dass fast 1000 Wanderer auf rund 4900 Metern Höhe in der Everest-Region eingeschlossen gewesen seien. In ersten Berichten war von Opfern die Rede. Ob tatsächlich Menschen ums Leben kamen, ist noch unklar. Der Sturm hatte demnach Zelte zerstört und Zufahrtsstraßen durch Schneemassen blockiert.
„Ich hatte großes Glück, da herauszukommen“, sagt die 29-jährige Wanderin Geshuang Chen dem britischen Sender BBC. Ihre Gruppe war demnach im Everest-Gebiet unterwegs, als sie von einem heftigen Schneesturm überrascht wurde.
❗️ - A sudden blizzard stranded nearly 1,000 trekkers in the Karma valley near Mount Everest's eastern face in Tibet. By Sunday, October 5, 2025, rescuers guided 350 trekkers to safety in Qudang township, with contact established with the remaining 200-plus. Heavy… pic.twitter.com/9Cfd5SlrJv — The Informant (@theinformant_x) October 6, 2025
Zunächst habe der Wetterbericht nur leichten Schneefall angekündigt. Doch über Nacht sei der Wind stärker geworden und der Schnee meterhoch gefallen. Am nächsten Morgen habe die Gruppe den Rückzug angetreten und sich stundenlang durch tiefen Schnee gekämpft.
Viele Tote in Nepal und Indien
Die Hauptsaison für Wanderungen in der Region dauert von Mai bis Oktober, mit einem deutlichen Besucheranstieg während der chinesischen Ferienwoche Anfang Oktober. Expeditionen zum Gipfel des Mount Everest starten dagegen meist von der Nordseite in Tibet oder von der Südseite in Nepal. Auch Teile dieses Gebietes haben mit Unwettern zu kämpfen gehabt.
Im benachbarten Nepal und im indischen Bundesstaat Westbengalen richteten die Unwetter schwere Zerstörungen an. Es gab zahlreiche Todesopfer. Während die Behörden in Nepal von mehr als 40 Toten sprachen, war in Westbengalen von mindestens 23 Opfern die Rede. Die betroffenen Gebiete waren von heftigen Monsunregenfällen heimgesucht worden.
Allein im Bezirk Ilam im Osten Nepals seien seit Samstag mindestens 37 Menschen durch Erdrutsche ums Leben gekommen, teilt die Polizei mit. In anderen Landesteilen habe es Tote durch Blitzeinschläge und Sturzfluten gegeben.
Immer wieder Tote am Everest
Der Mount Everest ist 8848 Meter hoch und damit der höchste Berg der Welt. Seit der Erstbesteigung im Jahr 1953 hat der Bergsteiger-Tourismus stark zugenommen. Jedes Jahr zieht es Hunderte Kletterer aus aller Welt auf den Gipfel. Einige von ihnen zahlen das gefährliche Abenteuer mit ihrem Leben.
In der diesjährigen Saison kamen auf nepalesischer Seite nach Angaben des Tourismusministeriums in Kathmandu fünf Kletterer ums Leben. Für das Frühjahr hatten die Behörden 468 Genehmigungen für ausländische Bergsteiger erteilt, für die Herbstsaison waren es bislang nur vier.
Auf dem Everest kann es bis zu minus 50 Grad kalt werden, und Windgeschwindigkeiten von bis zu 288 Kilometern pro Stunde sind keine Seltenheit. Besonders gefährlich ist für Bergsteiger jedoch die extrem dünne Luft in großer Höhe.
Berg ist extreme Herausforderung
Der Everest selbst gilt unter erfahrenen Bergsteigern in klettertechnischer Hinsicht nicht unbedingt als der schwierigste Achttausender. So schätzt der nepalesische Sherpa-Bergführer Sanu Sherpa, der alle Achttausender bestiegen hat, etwa den Annapurna oder den K2 als weitaus schwieriger ein. Doch allein schon wegen der Länge des Auf- und Abstiegs ist der Everest eine extreme Herausforderung für die Bergsteiger.
Auf nepalesischer Seite ist besonders der Khumbu-Eisbruch berüchtigt. Der Khumbu-Icefall ist eine der gefährlichsten Passagen auf der Südroute des Mount Everest. Es handelt sich um einen hunderte Meter langen Wall aus riesigen Eisblöcke, die sich langsam, aber stetig in Richtung Tal bewegen, und die Bergsteiger bei ihrem Marsch auf den Gipfel des höchsten Bergs der Welt überwinden müssen.
Khumbu-Eisfeld und Icefall Doctors
Das riesige Eisfeld in der nepalesischen Khumbu-Region ist mit einer Höhe von 8000 Meter der höchste Gletscher der Welt. Er wird von den Hängen des Mount Everest, Lhotse und Nuptse gespeist und beginnt im Tal des Schweigens, dem mit bis zu 6000 Meter Höhe höchstgelegenen Kar der Erde.
Die meisten Bergsteiger schaffen es nur deshalb bis auf den Gipfel, weil zuvor einheimische Spezialisten – die sogenannten Icefall Doctors – eine möglichst sichere Route gefunden und diese mit vielen Leitern und Seilen passierbar gemacht haben. Ein Netzwerk, das sie während der derzeitigen Everest-Hauptsaison über Monate immer wieder anpassen müssen.
Auf den höchsten Gipfel der Welt
Die Südroute Routenverlauf: Basislager – Khumbu-Eisfall – Western Cwm – Lhotse-Flanke – Südsattel – Südostgrat – Hillary Step – Gipfel.
Basislager – Khumbu-Eisfall Diese Route gingen Edmund Hillary und Tenzing Norgay im Mai 1953 bei ihrer Erstbesteigung des Mount Everest. Das Basislager auf nepalesischer Seite befindet sich 540 Meter unterhalb des Khumbu-Gletschers. Diese 600 Meter hohe Eisbruch beginnt auf 5400 Meter und zieht sich bis zum Western Cwm – auch Tal des Schweigens genannt – auf 6000 Meter. Die umstürzenden und brechenden Eisblöcken von teils gigantischer Größe sind extrem gefährlich und verändern sich jeden Tag je nach Wetter und Sonnenstrahlung. Jedes Jahr vor Beginn der Klettersaison im April/Mai sichern Sherpas die Passage mit Fixseilen und Leitern. Der Eisbruch gilt als einer der gefährlichsten Wege auf der Erde.
Tal des Schweigens Weiter geht es in das Tal des Schweigens. Dieser Talkessel beginnt auf 6000 Meter und endet nach fast fünf Kilometern auf 6780 Metern Höhe. Hier wird auch das vorgeschobene Basislager errichtet.
Lhotse-Wand – Südsattel Der Weg führt von dort zur Lhotse-Wand auf der Westflanke des Lhotse. Der 8516 Meter hohe Lhotse ist der Nachbarberg des Everest und mit ihm über den 7986 Meter hohen Südsattel verbunden. Die Lhotse-Flanke ist 60 Grad steil und umfasst 1000 Höhenmeter. Auf 7900 Meter erreicht man den Südsattel (South Col). Hier wird das letzte Lager vor dem Aufbruch zum Gipfel aufgeschlagen. Weiter geht es den Südostgrat (Southeast Rigde) hinauf bis zum Südgipfel auf 8751 Meter.
Hillary Step Der Gipfel ist schon zum Greifen nah, da tut sich plötzlich das letzte große Hindernis auf – der Hillary Step. Eine zwölf Meter hohe, 70 Grad steile Felsstufe, die nach ihrem Erstbezwinger Edmund Hillary benannt wurde. Die schwierige Kletterpassage ist mit Fixseilen gesichert, die Sherpas vor jeder Klettersaison überprüfen und erneuern.
Stau auf dem Weg zum Gipfel Nach rund zwölf Stunden Kraxelei ist der Gipfel auf 8848 Metern erreicht. An den wenigen freundlichen Tagen im Mai stauen sich auf dem höchsten Punkt der Erde die Bergsteiger. Es kann zu mehrstündigen Wartezeiten kommen, bis man an der Reihe ist. Da niemand später als 14 Uhr den Gipfel wieder verlassen sollte, weil sonst die Gefahr des Auskühlens zu groß ist, müssen viele Bergsteiger 100 Meter unterhalb des Gipfels erschöpft wieder umkehren.
Gipfelplateu Endpunkt aller Routen über den Südost-, West-, Nordost- und Nordgrat sowie über den Hornbein-Couloir ist das gerademal zwei Quadratmeter großes Gipfelplateau, auf dem an guten Klettertagen ein Kommen und Gehen wie auf einem Jahrmarkt herrscht.