„Ich bin immer gern zur Arbeit gegangen“

34 Jahre lang stand Roland Stampfl an der Spitze des Backnanger Baubetriebshofs, jetzt genießt der 64-Jährige seinen Ruhestand. Der zweifache Vater und fünffache Opa läuft und wandert, trainiert Fußballer und fährt Hunderte von Kilometern mit dem Fahrrad.

„Ich bin immer gern zur Arbeit gegangen“

Roland Stampfl und sein Rad. Über 30 Jahre lang radelte er jeden Tag, bei Wind und Wetter, von Allmersbach zur Arbeit nach Backnang. Foto: A. Becher

Von Florian Muhl

BACKNANG. Erst gestern wieder verzauberte eine weiße Pracht Feld, Wald und Wiesen in eine traumhafte Winterlandschaft. Schneemassen in der Stadt wie seit Jahren nicht mehr. Mit welchen Gefühlen schaut da Roland Stampfl, der 34 Jahre lang als Leiter des städtischen Baubetriebshofs auch für den Winterdienst verantwortlich war und jetzt seit 1. Januar Rentner ist, morgens aus dem Fenster? „Wunderbar, ich hab nachts gut geschlafen, ohne Anspannung, ohne Verantwortung – das war richtig cool.“

Stampfl überlegt kurz: „Seit ich beruflich tätig bin, ob bei der Stadt oder auch vorher, hab ich immer mit dem Winter zu tun gehabt. Und das jetzt ist der erste Winter, wo ich mir keine Gedanken gemacht hab über den Schneefall. Ich hab mich richtig gefreut, dass es schneit.“ Diese Freude kannte er jahrzehntelang nicht mehr. „Da hast du dich als Bauhofleiter nie gefreut, wenn es schneit. Da bist du ja immer in der Verantwortung und bekommst Anrufe: Warum ist hier noch nicht geräumt und warum ist’s da eisig?“

Aber das Thema ist jetzt Schnee von gestern. Stampfl atmet auf. Letztlich war der Winterdienst zwar stets ein intensives Thema, aber nur an sehr wenigen Tagen im Jahr, also ein fast verschwindend kleiner Bereich seines umfassenden Aufgabenspektrums. Auf einen Nenner gebracht fasst er dieses so zusammen: „Ich war in der Stadt Backnang verantwortlich für die Unterhaltung aller öffentlichen Flächen wie Straßen, Wege und Plätze. Alles, was so anfällt wie Mähen und Rückschnitte, Reparaturen, Straßenbeleuchtung und Winterdienst.“

Stampfl erinnert sich an seine Bewerbung bei der Stadt Backnang und muss schmunzeln, denn beim Bewerbungsgespräch war auch sein späterer direkter Vorgesetzter, der damalige Tiefbauamtsleiter Rudolf Eisgruber, mit anwesend. Dabei stellte sich heraus, dass beide, Eisgruber und Stampfl, bei der gleichen Firma Fey in Fellbach gelernt hatten. Ob er danach bei der Verwaltung einen Stein im Brett hatte, weiß er nicht. Fakt ist, dass der Gemeinderat Stampfl, der damals zwei Mitbewerber hatte, das Vertrauen aussprach. Der damalige OB Hannes Rieckhoff sei aus der Sitzung herausgekommen und hatte zu ihm gesagt: „Herr Stampfl, ich gratuliere Ihnen, Sie sind unser neuer Bauhofleiter.“

„Das Geschäft hab ich immer so gesehen, als wär’s meine eigene Firma.“

Mit 29 Jahren sei er noch recht jung gewesen. Zum Glück sei sein Vorgänger Erich Klöpfer auch noch einige Monate tätig gewesen, sodass er gut in seinen Aufgabenbereich eingewiesen werden konnte. Das war damals noch am alten Standort des Bauhofs, auf dem Gelände, auf dem heute das Famfutur steht. Zu der Zeit war der Bauhof auch noch in die Bereiche Bauhof mit Verkehrsabteilung und Grünflächenabteilung aufgeteilt. Letztere war noch dem Hochbauamt zugeordnet. Erst mit dem Umzug auf den jetzigen Standort in der Etzwiesenstraße Ende der 80er-Jahre sind die drei Abteilungen zusammengelegt worden.

In seinen 34 Jahren hat Stampfl als direkte Vorgesetzte die drei (Tief-)Bauamtsleiter Rudolf Eisgruber, Hans Bruss und Lars Kaltenleitner erlebt sowie die Baubürgermeister beziehungsweise Baudezernenten Frank Distel, Michael Balzer Stefan Setzer und die Oberbürgermeister Hannes Rieckhoff, Jürgen Schmidt und Frank Nopper. Egal, mit welchem Chef er es zu tun hatte, Stampfl sagt: „Das Geschäft hab ich immer so gesehen, als wär’s meine eigene Firma, seit ich angefangen hab. Ich bin jeden Tag, gern zur Arbeit gegangen. In den 34 Jahren hab ich nicht einen Tag gehabt, wo ich ungern ins Geschäft gegangen bin.“ Warum das so war, auch dafür hat Stampfl eine Erklärung: „Ich konnte immer selbstständig entscheiden, bei allen Chefs, hab Verantwortung getragen, konnte überall meinen Weg gehen und musste nicht überall erst nachfragen.“

Aber der Anfang war nicht einfach. Stampfl erinnert sich an seine ersten Wochen und Monate: „Ich hatte ja als Bauhofleiter überhaupt keine Erfahrung. Ich war Maurermeister, da hatte ich mit Verkehrszeichen und Signalanlagen nichts am Hut gehabt und mit Grünflächen auch nicht. Das war komplettes Neuland.“ Er habe sich alles selbst erarbeiten und aneignen müssen, mit Schulungen und Seminaren. „Und Interesse halt“, ergänzt er. Rund um die Uhr sei er immer erreichbar gewesen, am Anfang sogar übers Telefon zu Hause, später übers Mobiltelefon. Wenn jemand angerufen hat und Not am Mann war, hat er alles stehen und liegen lassen. Sein Motto: „Das Geschäft geht vor.“ Freizeit, Sport, selbst die Familie hat er hinten angestellt.

Es hat schon zahlreiche herausfordernde Momente gegeben in den 34 Jahren. Stampfl nennt den Orkan Lothar am Weihnachtsfeiertag 1999 und das Hochwasser Anfang Januar 2011. Bei einem Sturm sei beim Straßenfest das Dach der Marktplatzbühne weggerissen worden. Dann sei mal das Bauhoflager unten beim THW abgebrannt. Stets sei er in solchen Situationen auch für Polizei und Rettungsleitstelle der erste Ansprechpartner der Stadt gewesen.

Nicht nur berufsbedingt hat sich der Bauhofleiter auch dafür eingesetzt, dass die Gemarkung sauber bleibt. So hat er kurz nach seinem Start bei der Stadt die erste Murr- und Flurputzete organisiert und danach auch jede weitere, zusammen mit dem Tiefbauamt, der Feuerwehr und den Vereinen. Fast von Anfang an sei er beim Silvesterlauf mit dabei gewesen, um beispielsweise die Laufstrecken abzusperren. Liebend gern hat Stampfl auch die Markungsläufe des Oberbürgermeisters Frank Nopper begleitet, insgesamt fünf an der Zahl. Der OB habe ihn schon gefragt, ob er die auch in Stuttgart mitmachen wolle.

Als Highlight, nicht nur aus Sicht des Bauhofsleiters, bezeichnet er die Tour-de-France-Durchfahrt durch Backnang im Jahr 1987. Denn Stampfl ist leidenschaftlicher Fahrradfahrer. So ist der Wahl-Allmersbacher über 30 Jahre lang jeden Tag ins Geschäft geradelt, bei jedem Wetter, egal ob’s geregnet oder geschneit hat. Der Hobbysportler hat auch schon Radtouren mit über 300 Kilometern am Tag gemacht. Mit der Betriebssportgruppe der Stadt Backnang war er jedes Jahr vier Tage auf dem Rad unterwegs, und das schon seit 20 Jahren. Da lässt er’s krachen und fährt schon mal die Nacht durch, von Cochem an der Mosel nach Backnang in einem Stück beispielsweise.

Sein größtes Hobby aber ist der Fußball. „Seit jeher, seit klein auf.“ Angefangen hat er in der D-Jugend in Allmersbach. Beim SVA war er auch Trainer und Vorstandsmitglied, jetzt sitzt er im Ausschuss. Trainer war er auch in Backnang bei der Viktoria und der TSG, in Oberbrüden, Murrhardt und jetzt in Kirchberg an der Murr. Jede Art von sportlicher Betätigung macht er gern und extrem, wie Stampfl selbst sagt. Ob Rad fahren oder schwimmen, wandern oder Ski fahren – am liebsten schnell und weit. „So hab ich’s schon immer gemacht und werd’s auch weiterhin machen.“

Zu extrem für seine langjährige Lebensgefährtin Ute Bauer. Aber für den Fußball interessieren sich beide. Denn deren zwei Söhne spielen erfolgreich, einer davon als Profi in England. So hat das Paar Stampfl/Bauer bereits zahlreiche Reisen nach England unternommen. „London kenne ich mittlerweile besser als Stuttgart“, schmunzelt Stampfl.

Nicht nur wegen des Sports lebt er gesund. Kein Kaffee und auch kein Alkohol. „Schon immer“, sagt er, „seitdem ich bei der Bundeswehr fertig war, seitdem ich meinen Trainerjob angefangen hab, trink ich keinen Alkohol mehr.“ Einschränkend gesteht er: „Vielleicht mal bei einem Geburtstag einen Sekt Orange.“ Apropos Bundeswehr: Aus dieser Zeit hat Stampfl dieser Tage einen alten Freund aufgespürt. Der schrieb ihm jetzt per WhatsApp folgende Worte zurück: „Ich hab dich mal gegoogelt. Mensch Roland, du bist ja eine Legende.“

Zur Person

Roland Stampfl wird am 4. Januar 1957 in Waiblingen geboren und wächst zunächst in Fellbach auf.

1965 Umzug nach Allmersbach im Tal, wo seine Eltern ein Haus gebaut haben.

Nach dem Besuch der Talschule (Hauptschule in Waldrems) holt Stampfl am Berufsschulzentrum Backnang im Bereich Metall die Mittlere Reife nach.

Es folgt eine Maurerlehre bei der Firma Wolfgang Frey in Fellbach. Den Facharbeiter macht Stampfl mit Auszeichnung, wird Kammersieger und zweiter Landessieger.

1977 und 1978 leistet Stampfl seinen 15-monatigen Grundwehrdienst bei einer Pioniereinheit der Bundeswehr in Koblenz ab.

Nach weiteren zwei Jahren bei Frey in Fellbach wechselt Stampfl zur Firma Lukert in Backnang-Waldrems. Dort macht er 1980 seinen Meister und arbeitet dann als Polier.

Vom 1. September 1986 bis 31. Dezember 2020 leitet Stampfl den Baubetriebshof der Stadt Backnang.

Roland Stampfl hat aus erster Ehe zwei erwachsene Töchter und fünf Enkel. Er lebt seit vielen Jahren in Allmersbach im Tal zusammen mit seiner Lebensgefährtin Ute Bauer, die zwei erwachsene Söhne hat.