„Ich bin mit Herzblut Polizist“

Das Interview: Reiner Möller über die Herausforderungen für ihn als Polizeipräsidenten, über Schwerpunkte und Spaß an der Arbeit

Reiner Möller ist kein Unbekannter: Ob im Mordfall Katharina K. aus Backnang, im Vorfall der Brandstiftung im Waiblinger Bürgerzentrum oder im Fall der getöteten Restaurant-Geschäftsführerin der Backnanger Asien-Perle – der frühere Kripo-Chef stand bei den Ermittlungen des Öfteren in der Öffentlichkeit. Nun ist sein Aufgabengebiet noch breiter geworden. Seit gut einem Monat ist er der neue Polizeipräsident und fühlt sich für die Herausforderungen, die ihn erwarten, gewappnet.

„Ich bin mit Herzblut Polizist“

Polizeipräsident Reiner Möller ist nun seit einem Monat im Amt. Sein Aufgabengebiet ist noch breiter geworden. Foto: G. Habermann

Von Yvonne Weirauch

Herr Möller, als Kripo-Chef haben sie keine Uniform getragen. Jetzt ist es wieder so weit...

Ja und ich fühle mich sehr wohl damit. Es ist ja nichts Neues für mich. Als ich 1979 in den Polizeidienst eingetreten bin, habe ich bis 1988 Uniform getragen – bis zu meinem Wechsel zur Kripo. Dann 2004 ging es zum SEK. Fünf Jahre gab es da die SEK-Uniform bis ich ins Ministerium wechselte. Auch da war es mir nicht fremd. Als Kripo-Chef fiel das weg, obwohl ich – und das wissen viele gar nicht – fast zwei Jahre kommissarischer Abwesenheitsvertreter war und immer, wenn ich Termine hatte und ich das Präsidium in Vertretung des Präsidenten repräsentiert habe, ebenfalls Uniform anhatte. Für mich persönlich gehört es als Polizeipräsident dazu, weil ich das Präsidium Aalen repräsentiere. Und ich freue mich – ich spare morgens viel Zeit. Ich stehe nicht vor der Wahl, welches Hemd und welchen Anzug ich anziehe. Die Entscheidung ist in weniger als zwei Sekunden gefallen. Für bestimmte Repräsentationszwecke hat man noch das weiße Diensthemd.

Sie sind nun gut einen Monat im Amt und als Leiter des Polizeipräsidiums Aalen für die drei Landkreise Ostalb, Schwäbisch Hall und den Rems-Murr-Kreis verantwortlich. Wie haben Sie sich mittlerweile eingelebt und welche Aufgaben haben Sie zuerst bewältigen dürfen?

So schnell geht die Zeit vorüber. Im Gegensatz zu vielen anderen Wechseln auf solche Positionen hat man vielfach den Umstand, dass jemand von außen kommt. Das ist bei mir nicht so. Ich kenne dieses Präsidium in- und auswendig. In den vergangenen fünf Jahren war ich bereits im Führungsgremium an der Ausrichtung des Polizeipräsidiums Aalen beteiligt. Deshalb kommen da viele Fragen gar nicht auf. Innerhalb der Kriminalpolizei weiß man wie ich es gerne hätte, ich bin jemand, der viel in der digitalen Welt lebt. Ich brauche keine Kalender, meine Terminplanung läuft nur digital. So waren wir beispielsweise die ersten drei Wochen damit beschäftigt, vieles digital umzustellen. Veränderungen gibt es nur in kleinen Teilen wie den organisatorischen Abläufen, beispielsweise bei Besprechungen.

Haben Sie ein besonderes Leitmotto für ihren Führungsstil als Polizeipräsident?

Vor mir muss man keine Hemmungen haben. Die Kollegen wissen das. Als Chef gebe ich die Richtlinien und die Eckdaten vor. Die Mitarbeiter wissen, wie ich vorgehe, wie die Themen einzuschätzen und aufzubereiten sind. Ansonsten sitzen wir am Tisch und reden miteinander. Jeder kann zu mir kommen, wenn er ein Gespräch möchte. Transparenz steht ganz oben. Zuhören, verstehen und dann machen – nicht andersrum. Das heißt, Führen im Dialog. Ich versuche, die Meinungen einzufangen, mache mir mein eigenes Bild und gebe dann meine Einschätzung beziehungsweise Entscheidung bekannt. Wenn kein neuer Aspekt hinzukommt, bin ich auch nicht bereit, einen Sachverhalt mehrmals zu diskutieren. Das funktioniert, wenn man als Chef verlässlich bleibt. Ob der Mitarbeiter die Linie gut oder nicht gutheißt, steht auf einem anderen Papier. Wenn sie als Chef aufstehen und meinen, sie müssen Everybody’s Darling sein oder Entscheidungen treffen, die zu Jubelstürmen führen, dann bleiben Sie im Bett, denn das wird ihnen nie gelingen. Egal, bei welchen Personalentscheidungen – es gibt mindestens einen, der negativ betroffen ist.

Wie unterscheidet sich die Arbeit eines Chefs der Kriminalpolizei zu der des Polizeipräsidenten?

Die Aufgaben werden noch breiter, noch facettenreicher. Die Aufgaben eines Kripo-Chefs sind schon vielfältig genug, bezogen auf die Kriminalitätslage. Der Kripo-Chef hat die sogenannte Fachaufsicht über die Kriminalitätsbekämpfung, die auch bei den Revieren erfolgt. Jetzt unterstehen mir alle Organisationen, der Führungs- und Einsatzstab, die Direktionen, Polizeireviere, die Kripo die Verwaltung, und, und, und. Personalangelegenheiten und Grundsatzthemen gehen über meinen Tisch. Man hat deutlich mehr Repräsentationsaufgaben bei Veranstaltungen, bei Gemeinden und Städten, aber auch viele Besprechungen und Abstimmungen zu organisieren. In der kommenden Zeit stehen mir die Besuche bei den Revieren bevor.

Die positive 2018er-Polizeistatistik, weniger Straftaten und eine höhere Aufklärungsquote, sehen Sie nicht als Grund, sich darauf auszuruhen. Wo liegen die Schwerpunkte in der kommenden Zeit?

Gute Werte können nie ein Grund zum Ausruhen sein. Die Schwerpunkte sind: die Sicherheit im öffentlichen Raum stärken, Einbruchkriminalität weiter mit Hochdruck bekämpfen, politisch motivierte Kriminalität und Sexualdelikte besonders im Blick behalten. Die Aggressionsdelikte im öffentlichen Raum haben zugenommen. Aktuell erleben wir wieder eine Welle mit den Anrufen falscher Polizeibeamter oder den Enkeltrick-Maschen. Das ist enorm. Die Vermögenswerte, die da abgezockt werden, gehen deutlich nach oben. Noch ein Punkt sind die Internetstraftaten, die immer mehr zunehmen werden. Das Internet bietet Möglichkeiten, die man früher nicht hatte. Da die Elektromobilität zunimmt, werden auch in diesem Bereich viele Fragen aufkommen, beispielsweise bei einer Unfallaufnahme.

Intern gibt es aber auch Herausforderungen, wenn ich nur an den Umzug des Lage- und Führungszentrums von Waiblingen nach Aalen denke...

Darin sehe ich gar kein Problem. Das wird reibungslos ablaufen und der Bürger wird davon gar nichts mitbekommen. Die erste Hürde ist geschafft. Der Rohbau des Führungs- und Lagezentrums des Polizeipräsidiums Aalen ist fertig. Jetzt geht es an den Innenausbau. Wir sind im Zeitplan und der Umzug soll im Oktober 2020 erfolgen. Über die Verlagerung mache ich mir keine Gedanken, das wird stabsmäßig vorbereitet. Wenn die Technik in Aalen steht, wird sie getestet und wenn dann alles funktioniert, wird bildlich gesprochen am Tag X der Schalthebel umgelegt.

Was passiert mit den Räumen am Standort Waiblingen, in denen das Lage- und Führungszentrum bisher untergebracht ist?

Wir sind intensiv in den Planungen des Rückbaus. Da entstehen hauptsächlich Büroräume und Räume für Sonderkommissionen. Durch die gerade entstehenden neuen Laborräume bei der Kriminalpolizeidirektion sind auch weitere Büros weggefallen, die dann auch in diesem Komplex untergebracht werden.

Was die Personallage angeht, herrscht gerade auch eine Sondersituation...

Das stimmt. Wir haben die größte Pensionierungswelle und gleichzeitig wenig Personal, das heißt, einen massiven Generationenwechsel. Auch im Führungsbereich sind mehrere zentrale Stellen derzeit noch unbesetzt, so – nach meinem Wechsel – auch die Kripo-Chef-Stelle.

Was bedeutet das für Sie als Polizeipräsidenten?

Im Moment mache ich viele Funktionen gleichzeitig, was den sowieso schon vollen Kalender noch sportlicher macht. Vielfach steht derzeit oft noch ein halber Tag Kripo-Arbeit, den anderen halben Tag Präsidentenarbeit und am nächsten Tag noch andere Aufgaben an. Im Moment ist es ein Mix aus allem.

Die Personalausstattung ist immer mal wieder ein Thema bei der Polizei. Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?

Der Polizeiberuf ist nach wie vor attraktiv. Das zeigt sich auch an der aktuellen Bewerberlage. Ich behaupte, es gibt keinen anderen Beruf, der so vielseitig ist und in dem man sich in vielen Bereichen so ausprobieren kann. Die Zahl der Ausbildungsplätze bleibt auch in diesem Bewerberjahr auf hohem Niveau, vor allem durch unsere Einstellungsoffensive. Insgesamt rund 1800 Ausbildungs- beziehungsweise Studienplätze sind in diesem Jahr zu besetzen gewesen. Außerdem stellen wir auch sogenannte Sonderlaufbahnen ein. Beispiel: Es gibt den Bereich Wirtschaftskriminalität und Cyber-Crime. Da schreiben wir Stellen aus, für Menschen, die beispielsweise ein abgeschlossenes IT-Studium und drei Jahre Berufserfahrung haben. Das brauchen wir bei unserer Ermittlungsarbeit, weil das hoch spezialisierte Bereiche sind. Ich habe derzeit keine Sorgen, was den Polizeinachwuchs betrifft.

Im Rems-Murr-Kreis lebt es sich ziemlich sicher. So haben Sie es meistens in den Pressekonferenzen zur Straftaten-Statistik verkündet...

Der Rems-Murr-Kreis ist im Gesamten gesehen ein sicherer Kreis, er ist bunt, vielfältig und attraktiv. Der Bürger kann sich sicher fühlen. Es kann immer mal kleine Ausreißer in der Statistik geben, was die unterschiedlichen Delikte und kriminellen Fälle angeht. Aber die Gesamtzahlen sind grundlegend in den vergangenen Jahren stetig nach unten gegangen.

Ihre Arbeit ist vielfältig strukturiert, wie Sie in unserem Gespräch bereits sagten – welcher Freizeitbeschäftigung geht denn der Polizeipräsident Reiner Möller zum Ausgleich nach?

Gute Frage – ich bin mit Herzblut Polizist. Das sagt schon viel. Ich gleiche wohl das meiste mit Bewegung aus. Wenn es abends das Wetter noch zulässt, drehe ich meine Runde. Fünf Kilometer sollten es mindestens sein. Am Wochenende jogge ich auch gerne mal zehn Kilometer oder bin mit dem E-Bike unterwegs. Hinzukommt mein tägliches, persönliches Fitnessprogramm. Im Moment steht Waldarbeit bevor: Ich hacke Holz. Das macht Spaß und ich sehe am Ende des Tages, was ich geleistet habe.