Im Einsatz für Demokratie und Achtsamkeit

Sozialminister Lucha informiert sich in Backnang über die Fachstelle für Demokratieförderung und Rechtsextremismusprävention

Im Einsatz für Demokratie und Achtsamkeit

Besuch im Backnanger Kreishaus der Jugendarbeit (von links): Landtagsabgeordneter Willi Halder, Minister Manfred Lucha, Derex-Leiterin Sonja Großhans und Landrat Richard Sigel. Foto: A. Becher

Von Armin Fechter

BACKNANG. „Hallo, griaß euch!“ Mit einem herzhaft-urigen Gruß auf den Lippen betritt Manfred Lucha das Gebäude in der Marktstraße. Der baden-württembergische Minister für Soziales und Integration, der seinen, wie er sagt, „bayerischen Migrationshintergrund“ nicht verhehlt, hat das Kreishaus der Jugendarbeit als erste Station einer kleinen Tour de Rems-Murr gewählt. Dort arbeitet der Kreisjugendring gemeinsam mit Teilen des Kreisjugendamts – seit über 15 Jahren, wie KJR-Geschäftsführerin Marita Trautner beim Rundgang durch die engen Räume unterstreicht. Mit dabei: Landrat Richard Sigel, Oberbürgermeister Frank Nopper und der Landtagsabgeordnete der Grünen, Willi Halder.

Besonders interessiert den Grünenpolitiker an diesem Tag die Fachstelle für Demokratieförderung und Rechtsextremismusprävention (Derex), die als Fachstelle Rechtsextremismus im Jahr 2000 vom damaligen Landrat Horst Lässing eingerichtet wurde. Rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten in Waiblingen und Schorndorf waren Anlass. 2005 wurde die Stelle dem Jugendamt zugeordnet und 2017 umbenannt – nach intensiven, auch emotional geführten Diskussionen, wie Sigel in Erinnerung ruft. Teile des Kreistags lehnten die Fokussierung im Namen auf Rechtsextremismus ab, es gehe heute auch um ganz andere Formen des Extremismus, argumentierten sie.

Diese Diskussion holt rasch auch den Besuch des Ministers ein. OB Nopper mahnt, man dürfe nicht auf einem Auge blind sein, und verweist auf die Statistik des Verfassungsschutzes, wonach es im Jahr 2016 im Land deutlich mehr links- als rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten gegeben hat. Halder protestiert: Man dürfe Propagandadelikte, darunter fallen beispielsweise Hakenkreuzschmierereien, nicht kleinreden. Manne Lucha wiederum hält dem Stadtoberhaupt entgegen, hier handle es sich doch um geschlagene Schlachten.

Derex-Leiterin Sonja Großhans stellt die Aufgaben und Ziele der Fachstelle vor und präsentiert die aktuellen Zahlen der Polizei über extremistisch motivierte Straftaten an Rems und Murr. Auffällig: die Zunahme rechtsextremistischer Fälle im Jahr 2017, die mit 120 Delikten den bisherigen Höchststand aus dem Jahr 2003 mit 117 noch übertrifft. Demgegenüber fallen linksextremistische Straftaten (17) und oder solche, die aufgrund einer religiösen Ideologie begangen wurden (4), deutlich weniger auf. Dann präzisiert Großhans. So gab es auffällige Schmierereien im Raum Backnang an der B14: „ANMR“ („Autonome Nationalisten Rems-Murr“) und das von den Nationalsozialisten benutzte Symbol der Wolfsangel wurden gesprüht. Hinzu kamen Fälle der Volksverhetzung, die zunehmend im Internet beobachtet werden.

Mit selbst entwickelten Unterrichtsbausteinen geht Großhans in die Schulen. Ziel sei es, demokratische Haltungen junger Menschen zu stärken und zu fördern. Gleichzeitig sollen Jugendliche, die antidemokratische Haltungen wie etwa gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit einnehmen, zum Nachdenken kommen.

Aber wie, so hakt Nopper nach, kommt man an extremismusaffine Personen heran? „Ich erreiche alle Jugendlichen in den Schulen“, entgegnet Großhans. Es gehe um Demokratiebildung als Prävention gegen jeden Extremismus. Minister Lucha bekräftigt: „Ich brauche nicht die künstliche Debatte, ob es nun gegen linken oder rechten Extremismus geht.“ Entscheidend sei ein methodisches Konzept gegen Ausgrenzung und generell Demokratie- und Achtsamkeitsbildung. Im Fachbeirat zur Derex schaue man sich die Fälle sehr genau an, wirft Halder ein: Der Linksextremismus stelle vor Ort keine relevante Größe dar. Landrat Sigel ergänzt: Großhans sei auch nicht als Einzelkämpferin unterwegs, dank der hausinternen Kooperation gebe es ein Frühwarnsystem, um extremistische Entwicklungen zu erkennen. „Es geht darum, die Jugendlichen abzuholen, wo sie sind, und sie zu stärken“, erklärt Marita Trautner.

Minister Lucha kündigt abschließend an, das Land werde im Masterplan Jugend mehr Gelder für die Wertevermittlung bereitstellen, und verabschiedet sich mit einem „Toll, machen Sie weiter so!“ zu den nächsten Programmpunkten in Winnenden bei der Paulinenpflege, den Rems-Murr-Kliniken und dem Bildungszentrum für Gesundheitsberufe.