Im Gänsemarkt-Marsch durch die Gassen

Backnanger Traditionsfest kann nicht über Besuchermangel klagen – Wettereintrübung zur Halbzeit nicht negativ für Händler

Der Backnanger Gänsemarkt ist fast so etwas wie ein Selbstläufer. Viele nutzen den verkaufsoffenen Sonntag, um ein bisschen zu bummeln und es sich bei ein paar Leckereien gut gehen zu lassen. Stadt, Stadtmarketingverein, Händler, Vereine und viele Helfer haben gestern wieder eine Menge aufgefahren, um ihren Gästen einen spannenden Tag zu bereiten.

Im Gänsemarkt-Marsch durch die Gassen

Die Toulouser Gänse machen einen klasse Job – zur Eröffnung kommt die Truppe mit zwölf Tieren bei strahlendem Sonnenschein auf dem Marktplatz an. Fotos: A. Becher

Von Christine Schick

BACKNANG. Schon gegen Mittag beginnt sich die Stadt zu füllen. Die Besucher nehmen das goldene Oktoberwetter mit knapp 20 Grad zum Anlass, sich beim Backnanger Gänsemarkt umzuschauen. Und der hat eine Menge zu bieten. Zu Beginn sieht das Wetter noch richtig gut aus. Josh Kochhann, der auf der Bühne beim Marktplatz launig durch den Tag und die Aufführungen führt, sagt: „Petrus muss ein Backnanger sein!“ Wenn der auch später etwas schwächelt und es zuzieht, die Besucher lassen sich nicht groß irritieren.

Tierische Eröffnung: Die zwölf Toulouser Gänse scheinen sich im Gatter auf dem Adenauerplatz für ihren ersten Auftritt vorzubereiten. Die meisten putzen ihr Gefieder, eine hat sich sogar in einem Wassertrog platziert. Als Oberbürgermeister Frank Nopper eintrifft, machen sie sich aber sofort mit den zwei Spielleuten und ihm auf den Weg in Richtung Innenstadt. Das gut genährte Federvieh macht seinen Job gut. „Ach Gottchen!“ und „Guck mal, die laufen Formation“ ist aus den Reihen zu hören. Kinder begleiten die Tiere fasziniert, und es werden unzählige Fotos geschossen.

Lob der Frauen: Oberbürgermeister Frank Nopper schlägt die Brücke von der einstigen Tradition zum heutigen Gänsemarkt. Der ist für ihn so etwas wie ein Backnanger Frauentag, gedenkt der furchtlosen und resoluten Backnangerinnen, die sich beim Gänsekrieg große Verdienste erworben haben im Kampf gegen den herzoglich-württembergischen Vogt und die unduldsamen Männer des städtischen Magistrats – damit das Gänseverbot wieder aufgehoben wurde. Auch die Gänsemarkt-Einzelhändler hätten ohne das weibliche Geschlecht weniger zu lachen, sind doch „die Frauen viel aktivere und engagiertere Einkäufer“. Er gibt in diesem Sinn den Stab an Sigrid Göttlich, Vorsitzende des Stadtmarketingvereins, weiter, die Lust auf „Entdecken, Genießen und Erleben“ macht.

Kulturelle Leckerbissen I: Der Gänsemarkt bietet immer auch Gelegenheit, die Kultur in der Stadt zu genießen. Das Helferhaus hat geöffnet, das Graphik-Kabinett lädt zu einem Besuch ein. Aber es haben auch zwei besondere Gäste Station gemacht. Im als mobiles Miniatelier umgebauten Wohnwagen der Künstler Steffen Osvath und Liane Preuß ist eine Auswahl an selten ausgestellten Bildern der Kunstsammlung Backnang zu sehen. „Wir liefern die Vernissage sozusagen frei Haus, und ergänzen auf Festen einfach um kulturelle Angebote“, sagt Liane Preuß.

Kulturelle Leckerbissen II: Nebenan gibt es „Geschichten unter der Haube“. Diesmal ist es ein Bauwagen, in und vor dem Besucher unter der Friseurhaube Platz nehmen können. Bei dem Projekt der Kulturregion Stuttgart gibt’s spannende Storys auf die Ohren. Die jungen Stuttgarter Künstler Jonas Bolle, Simon Kubat und Christian Müller vom „Citizen.Kane.Kollektiv“ haben sich in der Region mit ganz unterschiedlichen Menschen – Bäcker, Friseure, Erfinder, Unternehmer oder Schulleiter – unterhalten, ihre Geschichten zusammengetragen, in Form gebracht und als Audio produziert. Agnes Psykala verrät, dass es auch eine Backnanger Story gibt. Sie befasst sich mit dem Thema Paradies und einem beruflichen Werdegang, der in die Theaterwelt führt. Die Geschichten sind zwei bis drei Minuten lang, wer alle hören will, muss rund anderthalb Stunden mitbringen. Theo (9) und Anton (6) aus Maubach sind mit ihrer Mutter da und schnuppern mal rein. Es wird auch weitergesammelt: Am Wagen hängt ein Briefkasten für Besucher, die spontan eine Geschichte aufschreiben wollen. Nachhören und -lesen kann man auf www.kulturregion-stuttgart.de.

Spielen ist Trumpf: Auf der Stuttgarter Straße kommen Spielfreudige auf ihre Kosten. Auf der kleinen Meile der Backnanger Spieleentwickler Bernd und Monika Kazenwadel finden sich Billardspielvariation aus Holz und verschiedene Wettkampfvarianten. Für Baumeister liegen Holzplättchen bereit, mit denen windschiefe, kunstvolle und eigenwillige Türme gebaut werden. Auch Erwachsene legen sich hier mit Herzblut ins Zeug und vermitteln einen entspannten kontemplativen Eindruck. Ebenfalls spielerisch und gut gelaunt daher kommt der Auftritt der inklusiven Musikgruppe „Elefantis“, die sich auf der Marktplatzbühne präsentieren.

Helfer im Schulterschluss: Ebenfalls an der Stuttgarter Straße präsentieren sich die G4 – die großen vier Backnanger Hilfsdienste, sprich DLRG, DRK, Freiwillige Feuerwehr Backnang und THW. Beim DRK kann man sich an einer Puppe in puncto Reanimation versuchen. Das Feuerwehrteam ist gut beschäftigt, die zahlreichen neugierigen Kinder nach oben in den großen Einsatzwagen zu begleiten. Das THW kann mit seiner großen Hüpfburg sowie Vertretern der Hundeteams punkten. Auch ihre Gerätschaft, die bei Suchaktionen von Verschütteten zum Einsatz kommt, erklären sie interessierten Besuchern. Bei den Kollegen von der DLRG tauchen die Fragen auf, wo das Team sein Schwimmtraining (Wonnemar) absolviert und ob auch Anfängerschwimmkurse angeboten werden, was Julia Nickerl bestätigt.

Druckfrische „Backnang Stories“: Marc Hamacher vom Leseratten-Verlag kann beim Gänsemarkt die Gewinner des aktuellen Schreibwettbewerbs küren. Bei den Jugendlichen unter 18 Jahren hat sich Hanna Höhle mit ihrer Geschichte „Der Gänsezauber“ den ersten Platz geholt, bei der der Gänsekrieg als Zeitreise verarbeitet ist. Gefolgt von Lara Wingenfeld mit „Filmriss“ und Annika Vetter mit „Aus dem Leben einer 15-Jährigen“. Bei den Erwachsenen steht Marina Heidrich mit ihrer Geschichte „Rauhnacht“ an der Spitze. Platz zwei geholt hat sich Sabine Baumert mit dem „Maubacher Gartenzwerg-Marsch“, bei dem sich die Helden einen Versammlungsraum erkämpfen wollen. Sara Stiegler kommt mit „Die Stiege“ auf den dritten Platz.

Ein solider Gänsemarkt: Stadtmarketing-Manager Simon Köder zieht nach dem Rundgang mit Oberbürgermeister Nopper ein positives Fazit. „Es war sehr früh viel los. Vielleicht hat die Zeitumstellung da auch noch eine Rolle gespielt“, sagt er. Davon, dass es sich nach anfänglichem Sonnenschein am Nachmittag zugezogen hat, hätten die Händler letztlich profitiert, da das die Leute eher nach drinnen in die Geschäfte strömen lässt. „So haben beide, die Aussteller und später die Geschäfte, ihren Vorteil gehabt“, sagt Köder. Nach den Vorjahren mit Regen und Sturm sei es aus seiner Sicht ein guter, solider Gänsemarkt gewesen. Ob der wegfallende Shuttleservice in die nördlichen und südlichen Stadtbezirke sich dort auf die Frequenz ausgewirkt hat, muss er die nächsten Tage erst noch klären. Generell ginge es darum, längerfristig Kundenbindungen aufzubauen. Der Gänsemarkt ist dazu ein Baustein, aber nicht als reines Tagesevent zu sehen.

Im Gänsemarkt-Marsch durch die Gassen

Entspanntes Holztürmebauen macht auch den Erwachsenen Spaß.

Im Gänsemarkt-Marsch durch die Gassen

Die inklusive Musikgruppe „Elefantis“ liefert einen mitreißenden Auftritt beim Gänsemarkt.

Im Gänsemarkt-Marsch durch die Gassen

Beim Gänsemarkt ist schon früh in der Stadt viel los. Später, als es zuzieht, profitieren die Händler davon, dass mehr Besucher in die Läden strömen.