„Immer auch an morgen denken“

Fornsbacher Schreinerei Mario Esch geht neue Wege bei der Digitalisierung – Mehr Zeit für Facharbeit und Beratung

Digitalisierung ist seit Jahren ein Schlagwort in der Wirtschaft. Die einen fürchten, dass sie mit Arbeitsplatzverlusten verbunden ist, die anderen wollen sie besser heute als morgen in sämtlichen Bereichen voranbringen. Mario Esch geht seinen eigenen Weg. Der Schreinermeister und Betriebswirt aus Fornsbach nutzt die Technik, um Routinearbeiten zu automatisieren und mehr Zeit fürs originäre Handwerk zu haben.

„Immer auch an morgen denken“

Petra Schweitzer und Mario Esch an der neuen CNC-Maschine. Sie ermöglicht der Schreinerei, die Einzelteile für ein Möbelstück aus einer großen Platte so ökonomisch wie möglich zuzuschneiden, Löcher zu setzen und die Teile genau zu kennzeichnen. Dann heißt es nur noch, sie beim Kunden aufzubauen.

Von Christine Schick

MURRHARDT.„Das haben wir aber noch nie so gemacht“ ist ein Satz, bei dem sich Mario Esch die Nackenhaare aufstellen. Der Schreinermeister probiert gerne neue Dinge aus, überlegt, ob sich etwas noch besser machen lässt und findet, dass es wichtig ist, „immer auch an morgen zu denken“. Vor drei Jahren hat er den Schritt gewagt und mit seiner Partnerin Petra Schweitzer eine eigene Schreinerei gegründet. „Da mussten wir auch ein Stück weit überlegen, wie wir uns positionieren und eine eigene Philosophie entwickeln“, erzählt Mario Esch. „Das betrifft die Ressourcen, Materialien letztlich genauso wie den Umgang mit Mitarbeitern und Lieferanten.“

Dabei stießen sie auf die WIN-Charta, ein Managementsystem des Landes Baden-Württemberg, mit dem Betriebe ihre Nachhaltigkeit dokumentieren und weiterentwickeln können. Als Unterzeichner haben sie mittlerweile zwei Lieferanten, von denen sie ihr Massivholz aus Wäldern der Region beziehen. Keine Selbstverständlichkeit, da rund 60 Prozent nach Asien exportiert und umgekehrt Laubholz, das hier verarbeitet wird, nicht selten aus Osteuropa oder Nordamerika stammt, erläutert Mario Esch.

Genauso hieß es für die beiden, Nachhaltigkeit auch auf anderen Ebenen weiterzudenken. In letzter Konsequenz auch bezogen auf den Erhalt des eigenen Betriebs sowie künftige Mitarbeiter. An dieser Stelle fließen mehrere Themen zusammen und es kommt die Digitalisierung ins Spiel. Denn um als Betrieb langfristig zu bestehen, wollte der Schreinermeister auch die künftigen Möglichkeiten ausloten, die mit der Unterstützung von Technik größer werden.

Lästige Routinearbeiten macht

die Maschine jetzt alleine

Die einzelnen Bestandteile für eine Modernisierung des Arbeitsprozesses gab es auf dem Markt bereits. Die Herausforderung für den kleinen Handwerksbetrieb bestand neben den Investitionen darin, sie so zu verbinden, dass ein Datenaustausch möglich war, der Zeit und Kosten spart. Wenn ein Kunde beispielsweise eine Schrankwand plant, kann Mario Esch die Räume mit einem 3-D-Aufmaßsystem erfassen. Um dann am Computer mit einem CAD-Programm Möbelentwürfe planen zu können, fehlte aber die Übergabemöglichkeit vom einen zum anderen System. „Wir wollten die Daten aber nicht wieder händisch eingeben, da passiert schnell mal ein Tippfehler“, sagt Esch. Das Ziel war also, nicht nur die Daten aufzunehmen, sondern mit ihnen an anderer Stelle weiterarbeiten. „Das heißt dann medienbruchfrei.“

Steht dann der Entwurf, tritt die neue, große CNC-Maschine in Aktion, die das Kernstück des Projekts darstellt. Sie kann aus einer großen Holzplatte selbstständig die Bausteine der Möbel so zuschneiden, dass so wenig Abfall wie möglich entsteht. Zudem bohrt sie Löcher und etikettiert die Einzelteile, sodass auch verschiedene Aufträge nicht durcheinanderkommen können. „Damit übernimmt sie die Arbeiten, die für einen Schreiner langweilig sind, wie 30 Teile auf Maß schneiden, und es ist mehr Zeit für kreative Tätigkeiten, die Spaß machen“, sagt Petra Schweitzer.

„Es hat einiges an Zeit gekostet, das alles zusammenzuweben, vieles muss man auch vorher immer wieder hinterfragen“, sagt der Schreinermeister. Die Umsetzung bedeutete Investitionen im mittleren sechsstelligen Bereich und eine räumliche und personelle Vergrößerung. Zum 1. September ist die Schreinerei von Althütte-Lutzenberg nach Fornsbach umgezogen und hat sich zwei Gesellen und einen Auszubildenden zur Verstärkung geholt. „Die Frage ist für kleinere Betriebe wie uns ja auch immer, wie kann man das Auftragsvolumen mit einer überschaubaren Anzahl an Mitarbeitern vergrößern?“, sagt Esch. Dabei leisten Maschinen, Technik und Software nun einen entscheidenden Beitrag, und schaufeln Zeit für die Arbeitsbereiche frei, in denen der Handwerker gefordert ist.

Die Beispiele Eschs: Wenn es um die Auswahl des Holzes für einen Tisch geht (keine Astlöcher, Ästhetik), individuelle Anpassung und Bearbeitung der Möbel sowie Entwurf und Beratung. Dabei hat der 51-Jährige auch im Hinterkopf, dass seine Mitarbeiter stärker gefordert und gefördert werden können. Als Innungsmitglied, der in der Prüfungskommission sitzt, weiß er, wie schwer es heute ist, Nachwuchs zu finden und zu halten.

Angst, dass die Digitalisierung den Menschen überflüssig macht, hat er mit Blick aufs Handwerk nicht. In seinem Fall konnte er Mitarbeiter einstellen und denkt darüber nach, eine weitere Stelle zu besetzen. Die Produkte müssten aber bezahlbar, der Betrieb wettbewerbsfähig bleiben. Dazu gehört auch, sich zu überlegen, wo Handarbeit einen Vorteil bringt und wichtig ist, sagt er.

Das Voranschreiten im Bereich der Digitalisierung hat auch Verband und Branche beeindruckt: Die Schreinerei ist im Oktober für ihr Konzept und die Modernisierungsschritte mit dem zweiten Platz des Thalhofer-Innovationspreises ausgezeichnet worden. Bereits vor zwei Jahren würdigte die Jury das Engagement von Mario Esch – 2016 war es der erste Preis, den der Betrieb erhielt, als es um das Thema Nachhaltigkeit ging.