Nur ein Klick zur Strafbarkeit: Verbotene Chat-Inhalte

dpa/lsw Heilbronn. Ein Klick nur - und der rassistische Witz, das kinderpornografische Bild oder ein nationalsozialistisches Symbol sind in der Schüler-Chatgruppe weitergeleitet. Pornos und Gewaltszenen machen dort die Runde.

Nur ein Klick zur Strafbarkeit: Verbotene Chat-Inhalte

Blick auf ein Polizeirevier. Foto: Boris Roessler/dpa/Symbolbild

In Schüler-Chat-Gruppen wird immer häufiger kinder- und jugendpornografisches Material geteilt. „Was da auf uns zurollt, ist eine Welle von Strafverfahren“, sagte Kriminalhauptkommissar Dieter Ackermann vom Heilbronner Haus des Jugendrechts am Mittwoch. „Und es betrifft die ganze Gesellschaft, weil es in allen Schichten Kinder gibt.“ Nach seiner Einschätzung haben bereits 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen Kontakt zu strafrechtlich relevanten Inhalten gehabt - und immer häufiger muss die Polizei eingreifen.

Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik stieg die Zahl der Tatverdächtigen unter 21 Jahren bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im vergangenen Jahr um 46 Prozent auf 2063. „Das liegt insbesondere an der enormen Zunahme von Fällen im Bereich der Verbreitung pornografischer Schriften sowie dem Verbreiten, Erwerb, Besitz und Herstellen von Kinderpornografie“, heißt es in der Statistik.

Besorgniserregend ist laut Ackermann, dass sich vor allem Kinder und Jugendliche etwa in WhatsApp-Gruppen oder auf Social-Media-Plattformen aufhielten, in denen sich in extremen Fällen bis zu 10 000 weitere Teilnehmer eingebucht haben. „Stellt einer dieser Teilnehmer zum Beispiel ein kinderpornografisches Bild ein, verbreitet er dies im Sinne des Strafgesetzbuchs.“

Gruppenmitglieder seien „juristisch im Besitz der Datei und dann gibt's kein Zurück mehr“, sagte auch Stefan Schwab vom Polizeipräsidium Heilbronn. „Und Kinderpornografie, extreme Meinungen und Volksverhetzung sind in großen Gruppen oft nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel.“

Nach den Erfahrungen des Landeskriminalamts sind sich die meisten Jugendlichen ihrer Lage nicht bewusst: Sie haben kaum Unrechtsbewusstsein, wenn es um Bildmaterial geht. „Sie sehen das Opfer hinter dem Bild nicht, sondern nur die „atemberaubende“ Botschaft des Bildes an sich“, sagte ein LKA-Sprecher. Hier müssten Kinder und Jugendliche stärker aufgeklärt werden.

„Das Problem ist nicht das Smartphone selbst, sondern dass Kinder einen verantwortungsbewussten Umgang damit lernen müssen“, erklärte der Kölner Medienrechtler Christian Solmecke. Auch online solle man sich so verhalten wie in der analogen Welt. Nach den Erfahrungen des Leiters des Hauses des Jugendrechts ist die Kontrolle der Eltern immer weniger vorhanden: „Viele Eltern erkennen die Tragweite nicht“, sagte Ackermann.

Strafrechtlich verantwortlich sind Jugendliche erst ab ihrem 14. Geburtstag. Wer jünger ist, gilt laut Strafgesetzbuch als schuldunfähig und kann nicht bestraft werden. Außerdem gilt in Deutschland keine strafrechtliche „Haftung“ für die Taten anderer, Eltern haften also keineswegs für ihre Kinder.

Die Experten betonen zwar, die gesetzliche Grundlage sei vorhanden. Sie sei aber nicht differenziert genug. „Da müsste es Abstufungen geben“, sagte Ackermann. „Denn wenn zum Beispiel ein 15-Jähriger einem zwei Jahre jüngeren Mädchen in Deutschland ein Bild mit pornografischem Inhalt schickt, dann wird das genau genommen als sexueller Missbrauch von Kindern gewertet.“ Es müsse Abstufungen geben bei der Behandlung dieser Fälle.

Anwalt Solmecke empfiehlt, bei kinder- oder jugendpornografischem Material in WhatsApp-Gruppen das Material nach Erhalt unverzüglich zu löschen. „Keinesfalls sollte man selbst die Bilder weiterverbreiten“, warnte er. Geahndet werden könnten alle Inhalte, die gegen Gesetze verstoßen, darunter auch Volksverhetzung, der Aufruf zu Straftaten, die Leugnung des Holocaust und das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole. Die Polizei rät Eltern zudem, Kinder im Umgang mit digitalen Medien anzuleiten und zu begleiten.