Immobilienpreise steigen ungebremst

Die Coronakrise hatte kaum Auswirkungen auf den Immobilienmarkt im Rems-Murr-Kreis: Die Nachfrage übersteigt das Angebot nach wie vor bei Weitem. Durch den Trend zu mehr Homeoffice gewinnen nun auch ländliche Gemeinden in der Peripherie an Attraktivität.

Immobilienpreise steigen ungebremst

Kaufpreise und Mieten sind im vergangenen Jahr im Rems-Murr-Kreis weiter gestiegen. Foto: Kalim - stock.adobe.com

Von Kornelius Fritz

Backnang. Eine Wirtschaftskrise führt am Immobilienmarkt normalerweise zu sinkender Nachfrage und fallenden Preisen, doch davon war in der Region im vergangenen Jahr nichts zu spüren. Laut dem Wohnmarktbericht für den Rems-Murr-Kreis, den die Volksbank Stuttgart jetzt vorgestellt hat, sind die Immobilienpreise in der Zeit zwischen dem 1. April 2020 und dem 31. März 2021 weiter gestiegen. Wer im Landkreis ein frei stehendes Einfamilienhaus kaufen wollte, musste demnach im Schnitt 505000 Euro bezahlen, im Jahr davor waren es noch 483500 Euro.

Am teuersten ist ein Eigenheim in Fellbach: Dort liegt der durchschnittliche Quadratmeterpreis inzwischen bei fast 5000 Euro, am wenigsten muss man im Raum Murrhardt und Sulzbach mit rund 2600 Euro bezahlen. Backnang liegt mit 3800 Euro pro Quadratmeter im Mittelfeld, wobei hier im Vergleich zum Vorjahr ein Preisanstieg von 6,9 Prozent registriert wurde – der höchste im gesamten Rems-Murr-Kreis.

Auch die Mieten steigen weiter: Hier belegt Fellbach mit durchschnittlich 11,50 Euro pro Quadratmeter ebenfalls den Spitzenplatz, gefolgt von Kernen im Remstal (11,05 Euro) und Korb (10,90). Aber auch im Backnanger Raum sind Kaltmieten von über 10 Euro pro Quadratmeter keine Ausnahme mehr. Die Durchschnittsmiete in Backnang liegt mit 9,70 Euro noch knapp darunter. Am günstigsten ist es auch hier in Murrhardt, Sulzbach an der Murr, Großerlach und Spiegelberg mit 7,95 Euro im Schnitt.

Viele Wohnungen werden inzwischen unter der Hand vergeben

Für ihren Wohnmarktbericht arbeitet die auch im Rems-Murr-Kreis aktive Volksbank Stuttgart mit dem iib-Institut Dr. Hettenbach aus Schwetzingen zusammen, das dafür Tausende Immobilienangebote in Zeitungen und Internetportalen auswertet. Die Untersuchung konzentriert sich dabei auf Bestandsimmobilien, wobei die Neubaupreise nicht weniger angezogen haben. Hier machen sich zusätzlich die gestiegenen Baukosten bemerkbar.

Die Coronakrise habe kaum Auswirkungen auf den Markt gehabt, berichtet Katarina Ivankovic vom iib-Institut: „Die Zahl der verkauften Immobilien ist konstant geblieben.“ Allerdings würden deutlich weniger Wohnungen auf den großen Onlineportalen angeboten als früher. Die Immobilienexpertin begründet dies damit, dass viele Makler inzwischen eine so große Kartei an Interessenten haben, dass sie Angebote gar nicht mehr inserieren müssen. Auch privat würden viele Wohnungen unter der Hand im Bekanntenkreis verkauft oder vermietet.

So entstehe ein „gefühlter Wohnungsmangel“, obwohl das Angebot gar nicht so gering sei, sagt Jürgen Schäfer, Geschäftsführer der Volksbank Stuttgart Immobilien GmbH. Die Nachfrage ist allerdings weiterhin ungleich höher. Ein Grund sind die niedrigen Zinsen, die eine Immobilie auch mit wenig Eigenkapital finanzierbar machen. Hinzu komme der „Anlagenotstand“, sagt Schäfer. Nachdem inzwischen auch Privatkunden bei vielen Banken Negativzinsen bezahlen müssen, sind Sachwerte als Alternative gefragt, auch wenn die Rendite hier ebenfalls deutlich gesunken ist. Im Rems-Murr-Kreis liegt sie im Schnitt bei unter vier Prozent. „Vor ein paar Jahren hätte dafür niemand eine Wohnung gekauft“, sagt Schäfer. Doch jetzt machen Kapitalanleger den Kunden, die ein Haus oder eine Wohnung für sich selbst suchen, zunehmend Konkurrenz.

Gerade im Raum Backnang seien die Preise im vergangenen Jahr deutlich gestiegen, bestätigt Herbert Zäpf, Leiter des Immobiliengeschäfts bei der Kreissparkasse Waiblingen. „Für gebrauchte Immobilien werden bis zu 4500 Euro pro Quadratmeter gezahlt. Vor zwei, drei Jahren war das noch der Preis für Neubauten.“ Corona habe die Nachfrage eher noch gesteigert, weil die Bedeutung der eigenen vier Wände in der Zeit, als die Leute mehr Zeit zu Hause verbracht haben, noch einmal gestiegen sei. Auch der Trend zum Homeoffice mache sich bemerkbar, sagt Jürgen Schäfer: Einerseits wünschten sich viele Arbeitnehmer mehr Platz, um etwa zu Hause ein Büro einzurichten. Andererseits verliere die Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstelle an Bedeutung: „Wenn ich statt fünfmal nur noch zweimal in der Woche pendeln muss, kann ich auch weiter weg wohnen“, erklärt Schäfer.

Wer mit der Kaufentscheidung zögert, bezahlt am Ende wahrscheinlich mehr

Dadurch würden ländliche Gemeinden in der Peripherie interessanter – vorausgesetzt, sie verfügen über eine schnelle Internetanbindung, die mobiles Arbeiten möglich macht.

Ein Ende des Immobilienbooms ist nach Einschätzung der Experten nicht in Sicht: „Es gibt keine Blase“, betont Herbert Zäpf von der Kreissparkasse. Solange die Zinsen nicht steigen und die Arbeitslosigkeit niedrig bleibt, rechnet er mit weiter steigenden Preisen, wobei sich der Auftrieb etwas verlangsamen könnte. „Der Markt wird aber eng bleiben“, prophezeit der Immobilienexperte. Allen, die darüber nachdenken, ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen, rät Zäpf deshalb, nicht länger als nötig zu warten. Denn die Erfahrung der vergangenen Jahre habe gezeigt, dass diejenigen, die ihre Kaufentscheidung hinausgezögert hätten, am Ende noch mehr bezahlen mussten.