In 15 Minuten zum Ausbildungsplatz

Beim Azubi-Speeddating im Backnanger Bürgerhaus können sich Unternehmen und Schüler zwanglos begegnen

50 Unternehmen aus der Region hatten gestern im Backnanger Bürgerhaus je 15 Minuten Zeit, um Schüler beim Speeddating kennenzulernen und sich als Unternehmen zu präsentieren. Für Schüler und Firmen eine Chance, um in ungezwungener Atmosphäre über eine Ausbildung zu sprechen.

In 15 Minuten zum Ausbildungsplatz

Valentina Franchina (links) im Gespräch mit Manuela Maas von der Bäckerei Mildenberger. Bereits in der kommenden Woche kann sich die 17-Jährige bei einem Praktikum als Verkäuferin ausprobieren.Foto: A. Becher

Von Kristin Doberer

BACKNANG. Zum Azubi-Speeddating sind die meisten Schüler gut vorbereitet erschienen: Lebenslauf und Zeugnisse liegen fein säuberlich in einer Bewerbungsmappe, einige haben ein Hemd oder eine Bluse an, und viele wissen schon vorher genau, zu welchem Stand sie unbedingt möchten. „Die Schüler haben eine ausführliche Liste aller anwesenden Unternehmen erhalten und können dann ganz gezielt auf bestimmte Ansprechpartner zugehen“, erklärt Armin Gebhard von der Agentur für Arbeit.

Beim Azubi-Speeddating haben Unternehmen und Schulabgänger dann etwa 15 Minuten Zeit, um sich kennenzulernen. Anders als beim gewöhnlichen Speeddating ertönt allerdings keine Glocke, die einen Platzwechsel erzwingt. Stattdessen können Schüler sich frei aussuchen, zu welchem Unternehmen sie sich setzen möchten. „Für die Firmen ist das eine gute Möglichkeit, sich zu präsentieren“, betont Frank Klingenberg in seiner Begrüßungsrede. Klingenberg ist Geschäftsführer Operativ der Waiblinger Arbeitsagentur, die zusammen mit der Fachkräfteallianz im Rems-Murr-Kreis (F.A.I.R.) zum Speeddating in das Backnanger Bürgerhaus geladen hat. Hier hätten die Unternehmen die Möglichkeit, das Potenzial der möglichen Bewerber einzuschätzen und auszuwerten. „Es ist eine sehr gute Möglichkeit, sich einfach und ungezwungen kennenzulernen.“

Viele Unternehmen konnten so offene Ausbildungsplätze besetzen

Das empfinden auch die Schüler vor Ort so: „Das ist ganz anders, als ich mir vorgestellt habe“, sagt Halide Sahan. Sie hat gerade erst angefangen, sich nach einem Ausbildungsplatz umzuschauen, Bewerbungsgespräche hatte sie bisher noch nie. „Alle hier sind viel entspannter als gedacht. Man unterhält sich einfach, und sie schauen nicht nur auf Zeugnisse und Lebenslauf.“ Stattdessen habe sie bereits zwei Praktikumsstellen bekommen, um sich in der Praxis zu beweisen.

Noten und Zeugnisse schaut sich Manuela Maas, Ausbildungsleiterin der Bäckerei Mildenberger, beim Speeddating auch nicht an. Sie nimmt jedes Jahr am Azubi-Speeddating teil. Für das Bäckerhandwerk – besonders bei Verkäufern in den Filialen – werde es immer schwieriger, Auszubildende zu finden: „Vor fünf Jahren hatten wir noch zwölf Azubis im Verkauf“, erklärt Maas. „Momentan sind es nur fünf, dabei könnten wir leicht mehr Ausbildungsstellen besetzen.“ Deshalb besuchen sie viele verschiedene Veranstaltungen und Berufsmessen.

Valentina Franchina (17) ist ganz bewusst auf den Stand von Mildenberger zugegangen, sowohl ihre Mutter als auch ihre Schwester arbeiten als Bäckereiverkäuferinnen. Sie konnte direkt für die nächste Woche ein Praktikum bei der Bäckerei vereinbaren. „Ich interessiere mich zwar auch für den Schreinerberuf, aber ich wollte mich trotzdem über den Beruf als Bäckereiverkäuferin informieren.“ Das sei sehr wichtig, weiß Maas. „Viele Schüler wissen gar nicht genau, was alles zum Beruf dazugehört, oder stellen sich etwas ganz anderes vor.“

Wer Interesse an dem Beruf zeigt, wird von Maas direkt zu einem Praktikum eingeladen. „Da können sie sich dann beweisen. Und für wen der Beruf nichts ist, der merkt das in der Regel in den ersten zwei Tagen schon.“ Durch die Kontakte beim Speeddating bekam die Bäckerei in den vergangenen Jahren mehr Bewerbungen, und auch ein Ausbildungsplatz wurde vergangenes Jahr so vergeben.

Das Großaspacher Unternehmen Natursaft Streker ist dagegen zum ersten Mal beim Speeddating. Da die Firma jedes Jahr nur einen Azubi nimmt, hatte sie bisher keine großen Probleme damit, die Stelle zu besetzen. „Wir merken aber, dass es schwieriger wird. Deshalb wollen wir jetzt offensiv auf die Suche nach Auszubildenden gehen“, sagt Nadine Erb von der Marketingabteilung des Unternehmens. Für sie sei es aber zusätzlich auch eine Möglichkeit, um allgemein für das Unternehmen und auch den Beruf zu werben. „Viele wissen ja gar nicht, was eine Fachkraft für Fruchtsafttechnik eigentlich macht.“ Auch deshalb hat das Unternehmen verschiedene Säfte mitgebracht, um den Schülern zu zeigen, was Streker eigentlich produziert.

Claudia Hofmeister vom Fellbacher Unternehmen Rauschenberger Catering erlebt regelmäßig, dass Schüler sie gezielt aufsuchen: „Wir sind oft auf Messen und Azubi-Speeddatings“, sagt sie. „Immer wieder wissen interessierte Schüler, wo wir sind, und kommen ganz bewusst zu uns.“ Ihr Unternehmen habe etwa 80 Ausbildungsplätze. Besonders bei den Gastroberufen falle es aber schwer, Azubis zu finden, das Speeddating sei dabei bereits sehr erfolgreich gewesen. Drei Schüler, die sie so kennengelernt hatten, seien momentan bei Rauschenberger in der Ausbildung. „Uns geht es nicht nur um die Präsentation des Unternehmens“, betont Hofmeister. Der Firma sei es wichtig, schon hier die Interessen der Schüler zu erfragen und herauszufinden, ob sie zum Unternehmen passen. „Wir machen eine Mischung aus Vorstellungsgespräch und Berufsberatung.“

Ähnlich sieht es das Team vom Haus Elim, das eine Reihe von Seniorenwohnheimen betreibt. „Wir erwarten nicht, dass wir hier Ausbildungsverträge abschließen“, meint Tim Böhringer, Hausleiter mehrerer Standorte im Rems-Murr-Kreis. „Wir wollen über den Beruf des Altenpflegers aufklären und präsent sein.“ Er betont, dass vor allem Pflegeberufe attraktiver gemacht werden müssten, dafür müsse auch das Haus Elim bei der Suche nach Azubis aktiver werden, zum Beispiel beim Speeddating.