In den Stoßzeiten wird es eng im Abteil

Mehr Fahrgäste auf der Murrbahn bei konstant gebliebener Sitzplatzzahl – Ministerium antwortet auf Gruber-Anfrage

In den Stoßzeiten wird es eng im Abteil

Zwischen Backnang und Oppenweiler: Die Deutsche Bahn deckt einen Teil des Verkehrs auf der Murrbahn mit neuen Elektrotriebwagen vom Typ Talent 2 ab. Archivfoto: A. Becher

Von Armin Fechter

BACKNANG. Die Sitzplatzkapazitäten in den Zügen der Murrbahn sind ungefähr gleich geblieben, die Fahrgastzahlen aber sind in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Das geht aus der Antwort des Verkehrsministeriums auf eine Kleine Anfrage des Backnanger SPD-Landtagsabgeordneten Gernot Gruber hervor. Danach wird es vor allem in den Stoßzeiten ziemlich eng im Abteil. Einzelne Züge waren demnach 2019 sogar „mindestens einmal die Woche gnadenlos überfüllt“, wie Gruber bilanziert.

Gruber sieht die Situation kritisch: „Gerade in Krisenzeiten wie der unseren sind ausreichende Sitzplatzkapazitäten in den Zügen erforderlich, schon um sich nicht anzustecken“, erklärt er zu den Zahlen des Verkehrsministeriums. Aber auch außerhalb solcher Zeiten sei die Gefahr, sich mit einem Virus anzustecken, in überfüllten Zügen größer, als wenn jeder Fahrgast bequem einen Sitzplatz findet, „an dem er nicht den Atem des Nachbarn oder eines stehenden Fahrgastes im Nacken spürt“.

Weil ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung auf den Schienennahverkehr angewiesen ist, hat der Abgeordnete dem Verkehrsministerium einen Fragenkatalog vorgelegt (wir berichteten). Dabei ging es um die Sitzplatzkapazitäten und die durch Zugausfälle noch gesteigerte Auslastung der Züge auf der Murrbahn.

In seiner Antwort unterstreicht Verkehrsminister Winfried Hermann, dass sich die Zahl der Sitzplätze in den morgens nach Stuttgart fahrenden Zügen seit 2010 – und damit auch nach den neuen Ausschreibungen für den Metropolexpress – kaum geändert habe. Im Gegensatz dazu hat die Zahl der Fahrgäste um fast die Hälfte zugenommen. Konkret: Die Züge zwischen 6 und 9.30 Uhr beziehungsweise zwischen 15.30 und 19 Uhr sind inzwischen zu 60 Prozent ausgelastet. Vor zehn Jahren betrug die Auslastung gemäß den Zahlen des Ministeriums im Durchschnitt nur 43 Prozent. In Einzelfällen ist die Auslastung auf bis zu 93 Prozent angestiegen. Aus Grubers Sicht klingt das „erst einmal zumutbar“. Auch wenn in Stoßzeiten – und wenn Berufstätige und Schüler gleichzeitig fahren – die Sitzplätze, so Gruber, in der Realität oft knapper waren als in den Fahrgasterhebungen des Ministeriums.

In seiner Kleinen Anfrage hatte Gruber dem Minister allerdings für den Zeitraum zwischen 5.30 und 8 Uhr vorgerechnet, dass die vertragliche Sitzplatzkapazität sogar gesunken ist. Das Ministerium gab hingegen Zahlen für den Zeitraum von 6 bis 9.30 Uhr mit einer leicht gestiegenen Kapazität an.

Der Verkehrsminister gesteht aber ein, dass auf der Murrbahn im vergangenen Jahr 216 Züge mit nur einem Wagen statt, wie vertraglich vorgeschrieben, mit zwei Wagen gefahren sind, darunter allein 63-mal der stark frequentierte Zug 17.26 Uhr ab Stuttgart. Gruber: „Bei einer sonst üblichen Auslastung von 60 bis 85 Prozent quetschen sich in dem verkürzten Zug dann 260 bis 360 Fahrgäste auf 215 Sitzplätze.“ Der Zug sei infolgedessen „mindestens einmal die Woche gnadenlos überfüllt“ gewesen. Zugleich schlage, so Gruber, das meist komfortable Sitzplatzangebot in Zeiten außerhalb des Berufsverkehrs positiv zu Buche.

Um die Kapazitäten zu vergrößern, hatte Gruber beim Minister den Einsatz von Doppelstockfahrzeugen angeregt. Denn wegen der teilweise zu kurzen Bahnsteige wie in Fichtenberg kann kein zusätzlicher dritter Wagen vom Typ der neuen Talent- oder der von Go-Ahead angekündigten Flirt-Züge angekoppelt werden. Die Überlegung des Abgeordneten: „Doppelstockwagen könnten den Rückstau auffangen, der nach dem Ausfall eines Zuges entsteht und zur Überfüllung des nachfolgenden Zuges führt.“ Schließlich falle unterm Strich fast täglich ein Zug aus, letztes Jahr insgesamt 363 Züge. Doch Hermann winkt ab: Wegen ungenügender Beschleunigungswerte könne auf dieser Strecke kein Doppelstockwagen an eine Lok gekoppelt werden. Denkbar wären allenfalls kompakte Doppelstocktriebwagen, die aber frühestens 2024 zur Verfügung stünden.

Ausbau der Sitzplatzkapazitäten nicht rigoros abgelehnt

„Erfreulich ist aber“, so fasst Gruber zusammen, „dass der Minister eine Erhöhung der Sitzplatzkapazitäten nicht rigoros ablehnt.“ Aktuell komme es bei der Murrbahn darauf an, dass diejenigen, die nicht zu Hause arbeiten können, „möglichst sicher zur Arbeit gebracht werden“. In den Zügen sei das Platzangebot derzeit ausreichend, da etliche Arbeitnehmer daheim arbeiten können und die Schulen geschlossen sind.

Zusätzlich zu der Kleinen Anfrage, die bereits Anfang Februar eingereicht wurde, hat Gruber den Verkehrsminister noch direkt angeschrieben und nachgefragt, welche Probleme auf der Murr- und der Remsbahn bald und welche erst langfristig gelöst werden könnten. Anlass dazu war ein Interview, in dem Hermann erklärt hatte, in den wöchentlichen Gesprächen im Ministerium mit den Netzbetreibern habe er einen sehr guten Überblick bekommen, welche Probleme sich bald lösen ließen und welche sich noch ziemlich lange hinziehen würden. Eine Antwort steht aber noch aus.