In der Innenstadt ist das Lastenrad schneller

Noch vor etwa sechs Jahren fristete die Alternative zum Auto ein Nischendasein. Doch in den vergangenen Jahren boomen die kleinen elektrischen Helfer aufgrund ihrer zahlreichen Vorteile auch in Backnang und Umgebung.

In der Innenstadt ist das Lastenrad schneller

Marina Hübner präsentiert das Apothekenrad, mit dem Thomas Förster Medikamente in Backnang ausfahren lässt. Foto: Alexander Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

Backnang/Kirchberg/Weissach im Tal. Thomas Förster ist begeistert. Als passionierter Radfahrer ist der Backnanger Apotheker selbst schon seit Jahren innerhalb der Stadt nur mit dem Rad unterwegs, das Auto nutzt er wenig. Eigentlich nur konsequent, dass er sich für das Ausliefern von Medikamenten ebenfalls mit einer Alternative zum Auto beschäftigt hat. Seit 2018 steigt der Verkauf von Lastenrädern stark an, in den vergangenen Jahren ist dieses Transportmittel immer wieder Gesprächsthema. 2020 überschritten die Verkaufszahlen erstmals die 100.000er-Marke.

Auch Thomas Förster entschied sich für ein Modell. Es verfügt über zwei Räder und einen kleinen elektrischen Helfer. Die Transportbox hat er extra in Auftrag gegeben. „Im Sommer sind wir extrem viel unterwegs“, sagt er. Zum Vergleich: im März dieses Jahres zeigte der Tachometer einen Kilometerstand von 4.580 an, nun sind es exakt 2.000 mehr. Allerdings, so betont Förster, sei das Gefährt kein Schönwetterfahrzeug. „Die Fahrer fahren bei jedem Wetter.“ Zwei hat er angestellt, um die Medikamente an ihre Bestimmungsorte zu bringen.

Üblicherweise steht das Medikamentenmobil bei der Apotheke im Gesundheitszentrum. Hier wird die medizinische Fracht zugeladen, dann geht es zur Johannes-Apotheke, um weitere Ladung aufzunehmen. Und dann geht es zu den Kunden. Um die 20 Stationen werden täglich angefahren.

Die Adressen befinden sich hauptsächlich innerhalb Backnangs, aber manchmal geht es auch bis Heiningen oder Waldrems. „Die Wege sind zum Teil kürzer als mit dem Auto“, weiß der Apotheker aus eigener Erfahrung. „In der Innenstadt ist man mit dem Lastenrad deutlich schneller.“ Und noch ein Vorteil – die Parkplatzsuche entfällt. „Ich möchte gern noch mehr aufs Fahrrad setzen“, ist sein Wunsch.

Seit sechs Jahren ist Vera Hein mit dem weißen Lastenrad ein bekannter Anblick auf Kirchbergs Straßen.

Schon fast eine Pionierin in Bezug auf Lastenräder ist Vera Hein. Die Kirchbergerin hatte sich vor sieben Jahren ein E-Bike gekauft und war damit viel unterwegs. Dann wurde sie mit Zwillingen schwanger. Klar war, dass sie mit dem Radeln nicht aufhören wollte, und so recherchierten sie und ihr Mann im Internet nach einer Möglichkeit, die Kinder auch per Rad zu transportieren. Einen Fahrradanhänger, auch sehr beliebt zum Kindertransport, wollten sie nicht. „Zu unsicher“, findet Ingo Hein. Nach einer Probefahrt bei einer Stuttgarter Verkäuferin, die speziell für den Kindertransport geeignete Lastenräder angeboten hat, entschieden sich die beiden für ein Modell, warteten allerdings ab, bis es mit einem leistungsstärkeren Akku erhältlich war.

Seit sechs Jahren ist Vera Hein mit dem weißen Lastenrad ein bekannter Anblick auf Kirchbergs Straßen. Sie ist sehr zufrieden. „Es passen drei Kinder hinein, bei Bedarf kann man sogar ein Regendach montieren“, sagt sie. Was sie allerdings nicht macht, da dieses das Fahrverhalten bei Wind beeinträchtigt. „Die Kinder habe ich in den Schlaf gefahren und gleichzeitig selbst ein bisschen Sport gemacht“, erinnert sich die fünffache Mutter schmunzelnd. Die ältere Schwester der beiden Kleinen wurde so nach Affalterbach zum Schwimmen gebracht und selbst der große Sohn konnte auf diese Weise zum Bahnhof transportiert werden, als der Ortsbus wegen der Straßensanierung nicht fahren konnte.

Auch zum Einkaufen wird das Gefährt gern genutzt, bis nach Murr oder Backnang war Vera Hein schon unterwegs. Ingo Hein ist ebenfalls begeistert vom Lastenrad: „Es gibt mit dem Auto eigentlich keine Fahrten mehr innerhalb des Orts.“ Ein weiterer Vorteil: Alles rund um den Kindertransport ist weniger aufwendig als mit dem vierrädrigen Gefährt, insbesondere das Parken, aber auch das Ein- oder Aussteigen geht flotter. „Und viele Passanten lächeln einem zu.“

Nicht nur der Umweltaspekt spricht für das Lastenrad

Was neben dem Umweltaspekt Heins Ansicht nach auch noch für das Rad spricht: „Der Kurzstreckenbetrieb unter zwei Kilometer ist schlecht für das Auto, das führt zu starkem Verschleiß.“ Dass das Lastenfahrrad insbesondere innerorts nicht von mehr Personen genutzt wird, bedauert er, allerdings sieht er neben den Anschaffungskosten noch ein Problem, und zwar mangelnde Unterbringungsmöglichkeiten: „Es scheitert oft, weil es in unserer Infrastruktur keinen Raum dafür gibt.“

Silke Müller-Zimmermann vom Verbundprojekt „Klima wandeln – prima handeln“ aus Weissach im Tal ist ebenfalls eine leidenschaftliche Radfahrerin, sie hat bereits ihren Kindern von klein auf vermittelt, dass „man alles mit dem Fahrrad machen kann“. Als im vergangenen Jahr für das Projekt ein Lastenfahrrad erworben wurde, war sie entsprechend begeistert. Sie selbst ist seit sieben Jahren ohne Auto unterwegs. Gute Dienste leistete das Gefährt etwa beim Ausliefern von „Essen auf Rädern“, eine Aktion während der Coronapandemie, um Menschen zu helfen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. „Man hat die Henkelmänner abgeholt, in Kisten gepackt und dann den Leuten gebracht.“

Ein Nachteil: Das Lastenrad braucht viel Platz

Persönlich findet sie zwar die Kombination Fahrrad und Anhänger geschickter, da ein Lastenfahrrad doch einigen Platzbedarf hat. Doch besonders für den Kindertransport sieht sie die Lastenräder als viel sicherer an, vor allem, wenn es in einen Kreisverkehr geht. „Da sind die Leute viel vorsichtiger.“

Müller-Zimmermann empfiehlt, vor dem Kauf eines Lastenrades unbedingt auszuprobieren, wie sich verschiedene Modelle fahren, sich zu überlegen, was hauptsächlich transportiert werden soll und das Handling sorgfältig zu testen.

Das Lastenfahrrad von Prima Klima kann in Weissach auch ausgeliehen werden.

Bei der letzten Fleckenschau in Weissach war ein Aktionstag zum Thema Mobilität geplant, um Besuchern Lust aufs E-Bike zu machen, doch die Fleckenschau konnte coronabedingt nicht stattfinden. Das Lastenfahrrad von Prima Klima kann übrigens auch ausgeliehen werden. Interessenten können sich an Silke Müller-Zimmermann im Teekesselchen wenden. Denn eine Möglichkeit, Menschen für E-Bikes oder -Lastenräder zu begeistern, sieht sie in Sharing-Modellen und ist neben dem Umwelt- auch vom Gesundheitsaspekt überzeugt: „Radfahren hält einfach fit. Und man ist weniger gestresst.“

Die Zahl der Lastenräder nimmt deutschlandweit stark zu

Verkaufszahlen Vor sechs Jahren wurden in Deutschland gerade einmal 15000 Lastenräder verkauft. Fünf Jahre danach, im Jahr 2021, waren es deutschlandweit ungefähr 167000 Lastenfahrräder, die neue Nutzer fanden, davon etwa 120000 Räder mit Elektrounterstützung – im Vergleich zum Jahr davor waren das 67 Prozent mehr. Laut Fahrradmonitor 2021 nutzen etwa 1,66 Millionen Menschen ein Lastenfahrrad.

Rechtslage Auf der Seite des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr wird darauf hingewiesen, dass die elektrisch unterstützten Räder „bis zu einer Nenndauerleistung von 250 Watt und einer Unterstützung bis 25 Kilometer pro Stunde (...) sogenannte „Pedelecs“ im Sinne des Paragraf 1 Absatz 3 Straßenverkehrsgesetz und Paragraf 63a Absatz 2 der Straßenverkehrszulassungsordnung den Fahrrädern auch aus verhaltensrechtlicher Sicht gleichgestellt [sind]. Lastenfahrräder mit einer höheren Nenndauerleistung als 250 Watt oder einer Unterstützung bei mehr als 25 Stundenkilometern (sogenannte Speed-Pedelecs oder auch S-Pedelecs) sind Kraftfahrzeuge, für die die Anforderungen der europäischen Verordnung Nr. 168/2013 an Zweiräder bis 45 Kilometer pro Stunde gelten.

Dies bedeutet: Ein Versicherungskennzeichen ist erforderlich und es besteht die Pflicht, einen geeigneten Helm zu tragen.“ Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle fördert die Anschaffung von elektrischen Lastenfahrrädern über eine Richtlinie. Der Antrag und ein Informationsmerkblatt finden sich auf der Homepage des Ministeriums. Anhänger dürfen nur an E-Bikes mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 25 Stundenkilometern Stunde montiert werden.