In der letzten Lebensphase nicht Patient, sondern Gast

Stationäres Hospiz, ambulanter Hospizdienst und Kinderhospiz Pusteblume stellen den Menschen in den Mittelpunkt

Wenn man mit der Betreuung eines sterbenden Angehörigen überfordert ist oder ihn nicht mehr zu Hause versorgen kann, wenn ein Kind eine schwere fortschreitende Erkrankung hat, wenn der Tod eines Kinds oder Elternteils eine Familie an den Rand ihrer Belastbarkeit bringt, dann können die Mitarbeiter der Hospizstiftung Rems-Murr-Kreis auf vielfältige Weise Unterstützung bieten.

In der letzten Lebensphase nicht Patient, sondern Gast

Wer im Hospiz zu Gast ist, braucht keine Sorge zu haben, allein gelassen zu werden. Foto: E. Layher

Von Annette Hohnerlein

BACKNANG. Was sind das für Leute, die sich in ihrem Berufsleben oder in ihrer Freizeit mit dem Tod befassen und sterbende Menschen in ihrer letzten Lebensphase begleiten? Susanne Stolp-Schmidt, Hospizreferentin und fachliche Leitung, kann das nicht pauschal beantworten. „Es ist eine bunte Mischung“, sagt sie, „jeder hat seinen eigenen Hintergrund, oft aus seinem persönlichen Erleben heraus.“ Ihre Kollegin Mieke Müller-Nielsen, die für den ambulanten Kinderhospizdienst Pusteblume verantwortlich ist, ergänzt: „Es sind Leute aus verschiedenen Berufsgruppen, die Zeit haben und diese sinnvoll nutzen wollen.“ In belastenden Situationen, etwa wenn ein Gast stirbt, habe jeder Mitarbeiter seine eigene Strategie, damit umzugehen; zudem stärke man sich im Team gegenseitig, bekräftigt Stolp-Schmidt. „Es gibt immer wieder Situationen, in denen Tränen fließen. Es wird aber auch viel gelacht.“

Die beiden Frauen schildern, was einen Gast erwartet, wenn er ins stationäre Hospiz kommt. Man verwendet bewusst die Bezeichnung Gast, nicht Patient, um klarzumachen: Hier liegt der Fokus nicht auf der Krankheit, sondern auf dem Menschen als Ganzes. Viele Gäste haben anstrengende Therapien hinter sich und empfinden die Ruhe im Hospiz als so wohltuend, dass manche vor ihrem Tod noch einmal aufblühen.

Pflegekräfte sind im Wechsel rund um die Uhr für die Gäste da

18 Pflegekräfte mit einer Palliative-Care-Ausbildung zur Versorgung schwer kranker Menschen in ihrer letzten Lebensphase sind im Wechsel rund um die Uhr für die Gäste da. Es gibt im Gegensatz zum Krankenhaus keine festen Zeiten, der Gast bestimmt, wann und ob er essen, duschen oder schlafen will. Das System passt sich an. „Die Philosophie dahinter ist: Der Sterbende führt“, erläutert Susanne Stolp-Schmidt, „wir sagen nicht: So wird’s gemacht, sondern wir fragen: Was braucht derjenige?“

Eine wichtige Aufgabe fällt dabei den ehrenamtlichen Mitarbeitern zu, die in zwei Schichten am Vormittag und am Nachmittag für die Gäste da sind und ein Stück Normalität ins Hospiz bringen. Sie haben ein offenes Ohr für die Themen und Wünsche der Gäste. Während der eine am Ende seines Lebens philosophische Fragen erörtern möchte, interessiert sich der andere dafür, wie der VfB gespielt hat. Letzte Wünsche hängen oft mit dem Essen zusammen. Noch mal ein bestimmtes Gericht essen. Noch mal einen Ausflug zu einem geliebten Ort machen. Noch mal fliegen, auch das konnten die Hospizmitarbeiter einem Gast ermöglichen. Ein anderer gab im Hospiz ein kleines Konzert mit der Gitarre, eine Frau machte eine Ausstellung mit ihren Bildern. Daneben erledigen die ehrenamtlichen Mitarbeiter auch hauswirtschaftliche Tätigkeiten und arbeiten Hand in Hand mit den Pflegekräften.

Anders ist die Arbeitsweise beim ambulanten Hospizdienst, hier liegt die Aufgabe der Mitarbeiter oft in der Entlastung der Angehörigen. Diese können beispielsweise den kranken Vater oder die Mutter beruhigt in der Obhut des Hospizmitarbeiters lassen und Einkäufe oder einen Arztbesuch erledigen. Viele Angehörige schätzen die Beratung durch die Fachleute, vor allem, wenn sie noch keine Erfahrung mit sterbenden Menschen gemacht haben. Manche haben regelrechte Berührungsängste. Susanne Stolp-Schmidt erzählt von einer Familie, die so unsicher war, dass sie sich nicht einmal traute, die Hand des sterbenden Vaters zu halten: „Darf man das?“, fragten sie. Oft bräuchten die Angehörigen auch jemanden, der mit ihnen redet und ihnen zuhört, der ihre Tränen und ihre Wut aushält.

Die Arbeit des ambulanten Kinderhospizdiensts Pusteblume ist viel breiter angelegt. Dessen Mitarbeiter besuchen Familien in ihrem häuslichen Umfeld, in denen ein Kind oder ein Elternteil unheilbar erkrankt ist. Die Hilfe kann in der Betreuung des erkrankten Kinds bestehen, damit sich die Eltern auch mal um sich selbst und um die Geschwister kümmern können. Oder in Unternehmungen mit den Geschwisterkindern, die in dieser schweren Zeit oft nicht genug Aufmerksamkeit bekommen. Sie stehen auch Kindern zur Seite, wenn ein Elternteil im Sterben liegt oder wenn sie um einen Angehörigen trauern.

Mitarbeiter übernehmen besonders belastende Aufgaben

Mieke Müller-Nielsen erinnert sich an einen besonders belastenden Fall, in dem der Familienvater nicht in der Lage war, seinen Kindern zu sagen, dass ihre Mutter nicht mehr aus dem Krankenhaus zurückkommen wird; diese Aufgabe fiel ihr zu: „Das nimmt man dann natürlich mit nach Hause.“

Im Unterschied zum Erwachsenenhospiz kann sich die Begleitung beim Kinderhospiz über Jahre erstrecken, denn sie beginnt bereits ab der Diagnose und kann bis über den Tod hinaus gehen. Kinder oder ganze Familien können auch nach dem Tod des Angehörigen in ihrer Trauer begleitet werden. Dies kann auch in einer Gruppe mit anderen Betroffenen geschehen. Die Pusteblume-Mitarbeiter organisieren Familientage mit Kreativangeboten für Kinder und der Gelegenheit zum Austausch für trauernde Eltern, gemeinsame Ausflüge, Trauergottesdienste oder einen Cajón-Kurs für Jugendliche. „Dabei erlebt man auch den Weg zurück ins Leben“, erzählt Mieke Müller-Nielsen, „Dann ist es schön, zu hören: Es war gut, dass ihr da wart.“

Ehrenamtliche Hospizbegleiter werden in 75 Unterrichtseinheiten und in Hospitationen auf ihre Aufgabe vorbereitet. Für die Tätigkeit im Kinderhospiz ist zusätzlich ein Aufbaumodul mit 40 Unterrichtseinheiten vorgeschrieben.

Vier Gruppen von Ehrenamtlichen kümmern sich um Demenzkranke

Neben der Begleitung Sterbender und ihrer Angehörigen gibt es bei der Hospizstiftung Rems-Murr auch ein Angebot für Menschen mit Demenz. Vier Gruppen von Ehrenamtlichen kümmern sich in Waiblingen um die Betreuung Demenzkranker.

Hospizmitarbeiter gehen auch in Kindergärten und Pflegeheime und führen dort Infoveranstaltungen und Fortbildungen rund um die Themen Tod und Trauer durch.

Darüber hinaus bietet die Hospizstiftung eine persönliche Beratung über die Patienten- und Betreuungsverfügung sowie die Gesundheits- und Generalvollmacht an sieben Standorten im Rems-Murr-Kreis an (Backnang, Waiblingen, Murrhardt, Weinstadt, Schorndorf, Winnenden und Welzheim).

Eng verzahnt sind die Angebote der Hospizstiftung mit denen der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung, kurz SAPV. Diese stellt auf ärztliche Verordnung mit speziell ausgebildeten Ärzten und Pflegekräften die palliative Versorgung der Patienten im Pflegeheim oder zu Hause sicher und kann durch eine 24-Stunden-Rufbereitschaft manche Klinikeinweisung verhindern.

In der letzten Lebensphase nicht Patient, sondern Gast

Die erste und letzte Ausstellung ihrer Bilder erlebte Jadranka Haenelt im Backnanger Hospiz. Damit ging ein großer Wunsch der todkranken Frau in den letzten Lebenstagen noch in Erfüllung. Pflegedienstleiterin Ulrike Barth (links) hatte sich sehr dafür eingesetzt. Foto: A. Becher