Produktion und Aufträge: Engpässe bremsen deutsche Industrie

dpa Wiesbaden. Der Produktionseinbruch schien überwunden, jetzt gehen die guten Zahlen in der deutschen Industrie wieder leicht nach unten. Nur ein kleiner Dämpfer - oder ein erstes Zeichen für größere Probleme?

Produktion und Aufträge: Engpässe bremsen deutsche Industrie

Nockenwellen liegen in der Produktion eines Automobilzulieferers auf einem Gestell. Foto: Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa

Lieferengpässe und knappe Rohstoffe dämpfen die eigentlich gute Entwicklung der deutschen Industrie. So lag die Gesamtherstellung im April im Vergleich zum März 1,0 Prozent tiefer, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mittelte.

Der Rücksetzer folgt allerdings auf einen deutlichen Produktionsanstieg im März. Bereits am Montag hatte das Bundesamt zudem einen Rückgang der Aufträge gemeldet: Im Vergleich zum Vormonat gingen die Bestellungen im April um 0,2 Prozent zurück.

Das Bundeswirtschaftsministerium in Berlin erklärte den Dämpfer für die Produktion mit einer Knappheit bei Vorprodukten, vor allem bei Halbleitern und Bauholz. Schon seit längerem gibt es im internationalen Handel zahlreiche Engpässe in der Lieferung von Rohstoffen und wichtigen Vorprodukten. Diese schlagen offensichtlich zunehmend auf die Produktion durch.

Die Daten bestätigen die Sichtweise des Ministeriums: Besonders deutlich gab im April die Aktivität am Bau nach, die um 4,3 Prozent zurückging. In der Industrie ging die Warenherstellung um 0,7 Prozent zurück. In beiden Bereichen spielt die Verfügbarkeit von Vorprodukten und Rohstoffen eine entscheidende Rolle. Der Energiesektor weitete seine Produktion dagegen deutlich um 6,0 Prozent aus.

Nachdem die deutsche Wirtschaft im ersten Quartal coronabedingt deutlich geschrumpft war, wird für das zweite Vierteljahr eigentlich mit einem Wachstumsschub gerechnet. Dieser dürfte jedoch durch die Industrie gebremst werden, sagte Commerzbank-Experte Ralph Solveen. Das Bundeswirtschaftsministerium gab sich zuversichtlicher: Die positive Entwicklung der Unternehmensstimmung und die stabilen Auftragseingänge sorgten für einen positiven Ausblick.

Eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts ergab unterdessen, dass die Unternehmen ihre Produktion weiter ausweiten wollen - allerdings nicht mehr so stark wie zuletzt. Der am Dienstag veröffentlichte Indikator der Produktionserwartungen für Mai liegt im Vergleich zum April um 5 Punkte tiefer bei 27. Dies ist aber immer noch einer der drei höchsten Werte seit 2016. Nur im April und März 2021 hatte der Index höher gelegen.

Der Rückgang geht dabei nur auf einen Teil der Branchen zurück. „Die Autoindustrie und ihre Zulieferer fahren ihre Erwartungen deutlich zurück, rechnen aber weiter mit Produktionssteigerungen“, sagt Ifo-Experte Klaus Wohlrabe.

Einen besonders starken Anstieg der Produktion erwarten die Bereiche Getränkeherstellung, Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten und der Maschinenbau mit Werten. Den deutlichsten Aufschwung gibt es bei der Herstellung von Bekleidung. Eher gering fallen die Wachstumserwartungen bei der Herstellung von Leder, Lederwaren und Schuhen, Holz-, Flecht-, Korb- und Korkwaren sowie bei der Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln aus.

„Die Industrieproduktion hat noch viel Luft nach oben“, sagte Nils Jannsen, Konjunkturexperte am Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW), laut einer Mitteilung. „Die Unternehmen können bereits seit einigen Monaten die hohen Auftragseingänge nicht vollständig abarbeiten.“ Hauptgrund dafür seien die Lieferengpässe. Deshalb sei es auch schwer vorauszusagen, wie lang die Produktionsstörungen anhalten. „Voraussichtlich werden sie jedoch erst allmählich nachlassen und die Erholung in der Industrie somit vorerst weiter bremsen.“

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