Inferno in Kalifornien: Erbitterter Streit um die Ursachen

Von Von Barbara Munker, dpa

dpa San Francisco. Kaliforniens Waldbrände machen seit Wochen Schlagzeilen. Die Feuer stellen traurige Rekorde auf und lösen im Wahlkampf eine Debatte über die Ursachen aus: Trump schließt den Klimawandel als Grund für die Feuer aus. Biden sieht das ganz anders. Doch was sagen Experten?

Inferno in Kalifornien: Erbitterter Streit um die Ursachen

Der Westen der USA kämpft weiter gegen extreme Brände, die Ängste vor den Folgen des Klimawandels schüren. US-Präsident Trump bewertet die Lage anders - und stellt Erkenntnisse der Wissenschaft in Frage. Foto: Will Lester/Orange County Register via ZUMA/dpa

Es sind Rekorde, die Angst machen: Ein seit Mitte August wütender Waldbrand in Nordkalifornien hat sich auf eine Fläche von fast 3400 Quadratkilometer Land vorgefressen, es ist das flächenmäßig größte Feuer in der jüngeren Geschichte des „Goldenen Staates“.

Dutzende Großbrände haben in diesem Sommer mehr Land als je zuvor in einem Jahr zerstört. Fünf Mega-Feuer sind auf die Liste der 20 verheerendsten kalifornischen Brände aller Zeiten vorgerückt.

Schlimmer noch als die Zahlen sind die Bilder der Zerstörung, auch aus dem Nachbarstaat Oregon: Ortschaften liegen in Schutt und Asche, in panischer Hast konnten viele Anwohner nur wenige Habseligkeiten retten, Dutzende starben in dem Inferno. Dichter Rauch verdunkelt den Sonnenstaat, Rußpartikel der Brände ziehen bis nach Europa.

Längst sind hitzige Debatten entbrannt. Was sind die Gründe für die Katastrophe, wie ist Abhilfe zu schaffen? Politiker, Klimaschützer und Feuerexperten liefern Erklärungen und werfen Fragen auf.

WALDBRÄNDE UND WAHLKAMPF

Bereits zum zweiten Mal während seiner Amtszeit ist US-Präsident Donald Trump ins brennende Kalifornien gereist. Wie schon 2018 in den ausgebrannten Ruinen des Ortes Paradise spielte der Republikaner auch diese Woche die Bedeutung des Klimawandels herunter. Stattdessen machte er das aus seiner Sicht schlechte Forstmanagement für die Intensität der Brände verantwortlich.

Sein demokratischer Herausforderer Joe Biden hielt sofort dagegen. Trump betätige sich als „Klima-Brandstifter“, indem er den Klimawandel weiter leugne, sagte Biden. Der Demokrat reiste nicht persönlich nach Kalifornien, dafür aber seine Vizepräsidentschaftskandidatin Kamala Harris. Die politische Führung müsse den Klimawandel ernst nehmen und alles tun, um derartige Schäden abzuschwächen, betonte die Senatorin aus Kalifornien.

EXPERTEN ERKENNEN MEHR ALS EINE URSACHE

Wissenschaftler sehen es als erwiesen an, dass die Klimakrise Wetterextreme wie Trockenheit und Hitze verschärft, die zu heftigeren Waldbränden beitragen können. „Was hier passiert ist schockierend, aber keine Überraschung“, sagt Timothy Ingalsbee. Der langjährige Feuerwehrmann und Ökologe ist Leiter des Verbands „Firefighters United for Safety, Ethics & Ecology“ in Eugene (Oregon). „Der Klimawandel hat ideale Bedingungen für große, schnell um sich greifende Waldbrände geschaffen“, erklärt Ingalsbee. „Höhere Temperaturen, geringere Feuchtigkeit, stärkere Winde, mehr Gewitterstürme mit Blitzen, dies sind alles 'Red Flag'-Bedingungen für schlimme Feuer.“

„Natürlich ist der Klimawandel real, von Menschen verursacht und an diesen Feuern deutlich abzulesen“, sagt auch Craig Clements, Klimawissenschaftler an der San José State University. Er und sein Team jagen Feuern nach, ähnlich wie die sogenannten Storm Chaser, die Hurrikans verfolgen. Doch neben dem Klimawandel verweist Clements auf die Anhäufung von leicht brennbarer Biomasse. „In den Wälder ist zu viel trockenes Unterholz und Buschwerk, das sich schnell entzündet“.  

Für Flammen anfälliger sind auch die durch Dürren und starken Borkenkäferbefall geschwächten Bäume in den kalifornischen Wäldern. Der Bestand an abgestorbenen Bäumen in der Sierra Nevada wurde 2019 von der Forstbehörde auf rund 150 Millionen geschätzt.

FORSTMANAGEMENT UND „GUTE FEUER“

Seit Jahrzehnten wird in Kalifornien Feuerunterdrückung praktiziert. Die Feuerwehr geht sofort gegen Waldbrände vor, vor allem, wenn die Flammen Siedlungen bedrohen. In dem Staat mit 40 Millionen Einwohnern leben immer mehr Menschen in feuergefährdeten Regionen. „Kalifornien ist natürlicherweise eine große Brandzone und Leute gehen das Risiko ein, in der Natur zu leben.“ Seit 100 Jahren würden Feuerwehrleute zur Bekämpfung der Flammen eingesetzt, doch das werde nun immer gefährlicher, sagt der US-Ökologe Stephen Pyne. Der „Feuerhistoriker“, emeritierter Professor an der Arizona State University, hat viele Bücher über Wald- und Buschbrände verfasst.

Durch die langjährige Feuerunterdrückung in den Wäldern komme es zu einer Anhäufung von brennbarem Material und schließlich zu explosiven Großfeuern, erklärt Pyne. Er und viele andere Experten wünschen sich mehr „gute Feuer“ durch häufigeres, kontrolliertes Abbrennen von dichter Vegetation, so wie es in der Natur regelmäßig vorkommen würde. „So haben es über hunderte Jahre die indigenen Völker gemacht“, sagt Ingalsbee. „Auf diese Weise kann man den Wald ausdünnen und regenerieren. Das ist gutes Waldmanagement, im Gegensatz zum Abholzen großer Bäume“.

ALLJÄHRLICH WIEDERKEHRENDES PROBLEM 

Die Feuersaison 2020 hat in Kalifornien jetzt schon eine Fläche von mehr als 14 000 Quadratkilometern Land zerstört - ein Rekord laut der Behörde Cal Fire, die seit 1987 diese Jahresstatistik führt. Und dem Staat steht das Schlimmste möglicherweise noch bevor, denn gewöhnlich erreicht die Feuersaison im späten Herbst nach einem langen trockenen Sommer ihren Höhepunkt. „Dies ist schon das vierte Jahr in Folge mit Großbränden, es gibt keine Pausen mehr, es bricht Jahr für Jahr über uns herein und der Herbst steht noch bevor“, so der Feuer-Ökologe Pyne.

„Waldbrände sind ebenso wenig zu leugnen wie Klimawandel“, sagt der Ökologe Ingalsbee. Nur auf wissenschaftlicher Basis über Parteipolitik hinweg sei etwas zu bewirken. „Das letzte was wir jetzt brauchen, ist heiße Luft von Trump“. Ein Regierungswechsel bei den Wahlen im November gebe ihm ein wenig Hoffnung, dass der Klimawandel ernst genommen werde, meint Ingalsbee.

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