Initiative für Badefreuden in der Murr

Der Backnanger Stadtrat Karl Scheib würde gern die Möglichkeit eröffnen, dass Kinder mit ihren Eltern in der Murr Wasserspaß finden. Neu ist die Idee nicht: Schon früher wurde das Baden im Fluss gern und oft praktiziert. Gibt es also bald einen Naturstrand?

Initiative für Badefreuden in der Murr

Gaigeln in der Murr: Diese private Aufnahme stellte Elisabeth Kronmüller aus Backnang für eine von Peter Wolf eingerichtete Ausstellung im Backnanger Helferhaus 2003 zur Verfügung.

Von Armin Fechter

BACKNANG. Man muss ja nicht Jörg Bauer heißen und sich allsonntäglich frühmorgens bei der Bleichwiese zur Fitnesssteigerung für den nächsten Triathlon in die Fluten der Murr stürzen, um das Baden im Fluss genießen zu können. Das frische Nass hat vielmehr schon immer Badelustige angezogen, die das schiere Wasservergnügen unter freiem Himmel auskosten wollten. Der Backnanger Heimatkundler Heiner Kirschmer etwa erinnert sich gut daran, wie er selbst in jungen Jahren gern bei der Aspacher Straße in den Fluss hüpfte. Und dabei war er nicht allein: Auch andere Jungs aus der Gegend um die Schillerstraße gönnten sich an warmen Sommertagen das kleine kostenlose Abenteuer. Statt Riviera oder Costa del Sol waren damals eben die Gestade der Murr angesagt.

Es gab aber einstens in der Backnanger Bucht sogar einen echten Lido. Der befand sich allerdings nicht unter der Aspacher Brücke und auch nicht an der Bleichwiese, sondern weiter murraufwärts in der Gegend, wo heute das Wonnemar steht. Genau genommen waren es sogar zwei Badestellen. Denn es ging ja nicht an, dass Männlein und Weiblein bunt gemischt in spärlicher Bekleidung zusammen Badefreuden frönten. Und damit dies auch fein säuberlich eingehalten wurde, schaute die Polizei nach dem Rechten, wie Heiner Kirschmer erzählt. Das „Herrenbad“ befand sich oberhalb des jetzigen Stegs, über den es zur ehemaligen Bahnstation der Spinnerei Adolff geht, während das „Frauenbad“ auf der Höhe des heutigen Freibads angelegt war. Näheres über die Badestätten – wann sie geschaffen wurden und wie lange sie Bestand hatten – ist leider nicht bekannt, bedauert der langjährige Stadtchronist. Die Eröffnung das schicken Freibads im Jahr 1930 dürfte dem munteren Treiben jedoch gewissermaßen das Wasser abgegraben haben.

Heiße Sommertage locken zu feuchtfröhlichen Unternehmungen.

Heiße Sommertage lockten aber auch zu ganz anderen Unternehmungen in und an der Murr, kuriose Einfälle eingeschlossen. So suchten Anwohner aus dem Bereich des Murrstegs an der Gerberstraße anfangs der 50er-Jahre auf originelle Art Abkühlung in der Murr. So trafen sich die Nachbarn Eugen Idler, Karl Kronmüller, Paul Pulvermüller und Karl Keller (auf dem Foto von links nach rechts), mit Tisch, Stühlen und Getränken bewehrt, zum Gaigeln im plätschernden Gewässer. Das feuchtfröhliche Unterfangen, dem mit Theresia Fahrbach im modischen Einteiler auch eine junge Frau beiwohnte, amüsierte sichtlich auch die Zaungäste.

Solche Späße hatte Karl Scheib allerdings nicht im Sinn, als er neulich die Idee des Badens in der Murr aufbrachte und seine Anregung im Aufsichtsrat der Städtischen Bäderbetriebe ventilierte. Vielmehr ging es dem Stadtrat des Bürgerforums Backnang vor allem darum, Kindern mit ihren Eltern eine Freude zu bereiten. Denn draußen ist Sommer, die Temperaturen dürften in den kommenden Wochen allerorten den Wunsch nach einer nassen Erfrischung keimen lassen, und die großen Ferien stehen vor der Tür – Ferien, die bei gar nicht so wenigen Familien anders ausfallen werden, als sie vor dem Coronalockdown geplant hatten. Anstelle einer Urlaubsreise dürfte vielfach Daheimbleiben angesagt sein – und das nach langen Monaten im Homeoffice und in Kurzarbeit oder, für Kinder, im Homeschooling. Das Backnanger Mineralfreibad ist jetzt zwar wieder geöffnet, doch dies unterliegt strengen Auflagen: Die Zahl der Besucher, die sich gleichzeitig auf der Anlage aufhalten dürfen, ist begrenzt, ebenso die Dauer des Besuchs. Die unter diesen Umständen angesetzten Eintrittspreise haben bereits für einigen Ärger gesorgt und die Stadt zu einer Korrektur gezwungen (wir berichteten). Hinzu kommt, dass das Backnanger Freibad nicht nur städtisches Publikum anzieht, sondern auch Besucher aus der näheren und weiteren Umgebung. Scheib erinnerte sich deshalb der Murr als möglichem Ausweichbadeplatz. Schließlich hat ja sogar seine Mutter, eine Steinbacherin, in dem Gewässer das Schwimmen gelernt – wobei nur wenige Stellen wirklich tief genug sind, um zum Schwimmen zu taugen. Dabei handelt es sich jeweils um die Strecken oberhalb der Wehre. Sonst aber plätschert die Murr eher flach dahin, gerade im Sommer, wenn der Regen auch mal länger Pause macht.

Genau das will der BfB-Stadtrat nun nutzen, damit Kinder im und am seichten Wasser spielen, planschen und einfach ein wenig herumspritzen können – um des Zeitvertreibs und des Vergnügens willen und als Ausgleich für das monatelange Ausharren daheim. Im Auge hat er dabei einen Platz hinter dem Freibad, dort hat er eine große Wiese ausgemacht, von der aus, wie er findet, ein leichter Zugang zur Murr möglich sei. Vorbilder für solche Naturstrände am Fluss finden sich vielerorts, auch in manchen Urlaubsregionen in den Alpen. Nicht alle derartigen Badegelegenheiten befinden sich freilich unter kommunaler Aufsicht, vielfach handelt es sich auch um freie, unbeaufsichtigte Einstiege. Und von einem Schild „Baden verboten“ lässt sich nicht jeder beeindrucken, der sich auf einer anstrengenden Wanderung die Fußsohlen heiß gelaufen hat.

Auch entlang der Murr gibt es die eine oder andere Stelle, die gelegentlich von Badelustigen aufgesucht wird, wie der Leiter des städtischen Haupt- und Personalamts Timo Mäule weiß. So kennt er aus früheren Zeiten den sogenannten Socken-Beach, an dem es hoch hergegangen sein soll. Er verweist aber darauf, dass die Einrichtung eines Naturbadestrands vonseiten der Kommune noch einmal etwas anderes ist. Daher befinde sich der Vorschlag von Karl Scheib erst noch verwaltungsintern in der Prüfung.

Das unterstreicht auch Backnangs Erster Bürgermeister Siegfried Janocha. Er will sich den Platz bei dem Holzbrückle hinterm Freibad zusammen mit Fachleuten und Vertretern des Ordnungsamts anschauen. „Was rauskommt, weiß ich nicht“, dämpft er die Erwartungen. Janocha, der aus dem Hohenlohischen kommt und selbst am Wehr bei Langenburg das Schwimmen gelernt hat, macht aber gleich deutlich: Ein Ausbaggern, falls die Wassertiefe nicht ausreicht, werde aus ökologischen Gründen eher nicht infrage kommen. Die Wasserqualität selbst sei heute aber bestimmt viel besser als einst. Janocha zeigt sich deshalb durchaus offen für den Vorstoß: „Wenn es geht, warum nicht?“

Initiative für Badefreuden in der Murr

An der Murr gab es einst ein „Herrenbad“, getrennt davon bestand auch ein „Frauenbad“. Dieses im Backnang-Lexikon abgebildete Foto ist wohl die einzige existierende Aufnahme.

Regeln für das Baden im Fluss

Laut Landratsamt gilt grundsätzlich bei öffentlichen Gewässern der Gemeingebrauch: Jeder darf im Fluss baden – allerdings auf eigene Gefahr.

Wenn jetzt aber, so erläutert Pressesprecherin Leonie Ries weiter, zum Beispiel eine Kommune eine Art Strandbad am Fluss einrichten und dafür Anlagen errichten oder das Ufer umgestalten möchte, müsste sie sich ans Amt für Umweltschutz wenden. Das würde eine Fachstellungnahme zur Badewasserhygiene beim Gesundheitsamt anfordern. Bei baulichen Anlagen sei eventuell auch eine Baugenehmigung nötig.

Im Rems-Murr-Kreis gibt es, wie Leonie Ries festhält, kein solches Strandbad am Fluss. Es gibt aber sechs überwachte Badestellen, nämlich den Eisenbachsee in Alfdorf, den Ebnisee in Kaisersbach, den Waldsee Fornsbach, den Plüderhausener See, den Ziegeleisee in Schorndorf und den Aichstrutsee in Welzheim. Diese Gewässer zeichne aus, dass sie auf ihre Wasserqualität hin mikrobiologisch überwacht werden, und zwar durch das Gesundheitsamt in Zusammenarbeit mit dem Landesgesundheitsamt. Dieses nimmt während der Badesaison, also von Mai bis September, regelmäßig Gewässerproben.