Insektenschutzgesetz in der Kritik

Heute soll das Bundeskabinett in Berlin den Entwurf des Insektenschutzgesetzes beschließen. Der Bauernverband läuft Sturm: „Die Zwangsökologisierung zwingt Bauern zur Aufgabe.“ Naturschützer begrüßen das Verbot von Pestiziden in Schutzgebieten.

Insektenschutzgesetz in der Kritik

Heute werden Bundespolitiker über den Schutz von Insekten in Schutzgebieten bestimmen. Foto: F. Muhl

Von Florian Muhl

BACKNANG. „Wir sind es leid, dass die Umweltministerin Schulze unbeeindruckt von allen Einsprüchen einen Gesetzentwurf durchpeitschen will, der dem Insektenschutz nicht dient, sondern sogar schadet, und die Bauern samt unserer Landwirtschaft in den Untergang treibt.“ Der Vorsitzende des Bauernverbandes Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems, Jürgen Maurer, macht aus seinem Ärger und Frust keinen Hehl. Und der Geschäftsführer des Bauernverbands, Helmut Bleher, schimpft: „Die jetzige Zwangsökologisierung ist unserer Meinung nach der falsche Weg und vernichtet Familienexistenzen. Sie erinnert in der Konsequenz an die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft in der ehemaligen DDR, wo den Bauern nichts anderes übrig geblieben ist, als die Segel zu streichen.“

Um was geht’s? Am heutigen Mittwoch soll das Bundeskabinett sowohl über den Entwurf des Insektenschutzgesetzes wie auch den Entwurf der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung entscheiden. Die beiden Vorschläge sollen den Rechtsrahmen für den Insektenschutz und die Minderung des Glyphosateinsatzes setzen (siehe auch Infokasten). Gestritten wird allerdings noch über die Frage, welche Insektizide als „biodiversitätsschädigend“ eingeordnet werden.

„Die negative Bestandsentwicklung der Insekten ist dramatisch.“

Dass man sich auf Bundesebene auf eine umfassende Definition von biodiversitätsschädigenden Pestiziden einigt, fordert Johannes Enssle aus Spiegelberg. Für den Nabu-Landesvorsitzenden besteht kein Zweifel: „Die negative Bestandsentwicklung der Insekten, vor allem in den Agrarlandschaften, ist unverändert dramatisch.“ Die Bienenschutzverordnung, wonach selbst Neonicotinoide nicht bienengefährlich seien, werde einem angemessenen Insektenschutz keinesfalls gerecht. Baden-Württemberg müsse konsequent den Weg gehen, in Schutzgebieten, wie den FFH-Gebieten, den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide zu reduzieren. „Tausende ökologisch wirtschaftende Betriebe zeigen, wie das geht“, so Enssle. Auch im Zuckerrübenanbau sei dies möglich.

„Die Landwirte sind unter Druck wie fast keine andere Berufsgruppe“, sagt Jürgen Ehrmann vom Naturschutzbund (Nabu) Backnang. Der Schutzgebietsbetreuer nennt auch Gründe dafür: „Es zeigt sich inzwischen immer deutlicher, dass der Weg, immer mehr immer billiger auf immer größeren Flächen zu produzieren nicht nur unsere Umwelt und Natur massiv schädigt, sondern letztendlich auch den bäuerlichen Betrieben schadet.“ Ausgeräumte und tote Landschaften würden die Zukunft der bäuerlichen (Klein-)Betriebe verspielen.

„Wir vom Nabu unterstützen eine Agrarwende gemeinsam mit der Bauernschaft“, erklärt Ehrmann. Damit seien aber nicht die agrarindustriellen Großbetriebe gemeint, sondern die einer qualitativ hochwertigen Lebensmittelerzeugung verpflichteten Betriebe. Das aber gehe nicht ohne finanzielle Unterstützung. Eine Studie von Nabu, BUND und 13 weiteren Verbänden habe gezeigt, dass rund 370 Millionen Euro nötig wären, um das Artensterben auf den Äckern und Wiesen im Land zu stoppen. Der Nabu Backnang berät ehrenamtlich Landwirte und ist mit ihnen im Gespräch. Thema dabei ist auch das Insektenschutzgesetz Baden-Württemberg 2019/2020. „Gerade dieses Landesgesetz hat gezeigt: Ein vernünftiges Austarieren der Interessen für Nachhaltigkeit ist möglich“, ist sich Ehrmann sicher. Das erwarte der Nabu jetzt auch auf Bundesebene.

„Nachhaltige Landwirtschaft hat eben auch ihren Preis.“

„Unsere Gespräche hier vor Ort mit vielen Bauern und Biobauern haben sehr deutlich gemacht: In Backnang und Umgebung gibt es viele Landwirtschaftsbetriebe, die die Zukunft in nachhaltiger Landwirtschaft und qualitativ hochwertiger Lebensmittelproduktion mit immer weniger Pestiziden sehen, die dann eben auch ihren Preis haben.“

Obstbauer Martin Körner aus Backnang-Strümpfelbach ist selbst vom Insektenschutzgesetz, so es kommt, nicht beziehungsweise kaum betroffen, weil er keine Schutzgebiete bewirtschaftet. Aber er weiß um den Zwist zwischen Landwirten und Naturschützern. Stein des Anstoßes sei gewesen, dass man den Bauern bei der Einführung der Schutzgebiete, der FFH-Gebiete, mehr oder weniger erklärt habe, dass sich in der Bewirtschaftung nichts ändere, und so hätten die Bauern den neuen, besonderen Status eben hingenommen. Es könnte der Gedanke aufkommen, dass man sich so den Status erschlichen habe und nun würden die Schrauben angezogen werden. Körner sieht das Dilemma: „In manchen Gegenden gibt’s Betriebe, die bedeutende Flächen oder den ganzen Betrieb in solchen Schutzgebieten drinhaben, und die fühlen sich jetzt de facto enteignet.“

Landwirt Werner Pretzel aus Unterweissach, der auch in Sachsen einen großen Hof bewirtschaftet, hat gerade so viele Punkte, wo’s politisch brennt, wie er sagt, dass das Thema Insektenschutzgesetz für ihn momentan eine untergeordnete Rolle spielt. Die Düngeverordnung macht ihm derzeit viel mehr zu schaffen. Aber er kennt betroffene Kollegen. „Wenn Sie Ihr Leben lang gespart haben und dann Flächen kaufen, um den Betrieb zu vergrößern, und dann wird so ein Gesetz verabschiedet, ist das halt schon wie eine Enteignung“, gibt Pretzel zu bedenken. Zudem habe er von Kollegen gehört, dass selbst für Biobetriebe in solchen Habitatsgebieten auch die Anwendung von jeglichen biologischen Wirkstoffen verboten sei. „Und das ist schon traurig, was da in Deutschland läuft“, kommentiert der Unterweissacher.

Biozide sollen verboten werden

Was im Insektenschutzpaket drinsteht – die wesentliche Punkte sind:

Biozide sollen in Naturschutzgebieten, Nationalparken, nationalen Naturmonumenten, Naturdenkmälern und Gebieten von gemeinschaftlicher Bedeutung sowie in gesetzlich geschützten Biotopen verboten werden.

Außerdem soll in diesen Gebieten sowie in Flora-Fauna-Habitat-Gebieten (FFH-Gebieten) der Einsatz von Herbiziden sowie biodiversitätsschädigenden Insektiziden verboten werden.

Kein Pflanzenschutz innerhalb von zehn Metern zur Böschungsoberkante von Gewässern. Der Abstand verringert sich auf fünf Meter, wenn der Randstreifen dauerhaft begrünt wird.

Die Flora-Fauna-Habitat-Gebiete im Land:

Die 212 FFH-Gebiete in Baden-Württemberg machen laut Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg 12,1 Prozent der Landesfläche aus.

Von den rund 431000 Hektar werden 99700 Hektar landwirtschaftlich genutzt, das sind rund 5,9 Prozent der Landwirtschaftsfläche.