Intelligente Schilder statt Fahrverbote

Stadt Backnang stellt ihren „Masterplan Green City“ vor – Flexible Wegweiser und Ampeln sollen den Verkehr reduzieren

In der Liste der Städte mit der höchsten Stickoxid-Belastung lag Backnang 2017 bundesweit auf Platz 11. Ab 2020 drohen deshalb auch hier Fahrverbote. Um das noch zu verhindern, hat die Stadt einen „Masterplan Green City“ erarbeitet. Mit einer intelligenten Verkehrssteuerung will sie den Verkehr in der Innenstadt spürbar reduzieren.

Intelligente Schilder statt Fahrverbote

Von Kornelius Fritz

An der stark befahrenen Eugen-Adolff-Straße lag die Stickoxidbelastung 2017 im Jahresdurchschnitt bei 53 Mikrogramm pro Kubikmeter, im Jahr davor waren es sogar 56 Mikrogramm – erlaubt sind aber nur 40. Damit ist die Luftqualität in der Murr-Metropole schlechter als in den echten Metropolen Berlin und Frankfurt. Das Regierungspräsidium muss deshalb für Backnang einen Luftreinhalteplan mit geeigneten Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung erarbeiten. Doch auch die Stadt ist nicht untätig geblieben: Zusammen mit mehreren Ingenieurbüros hat sie einen eigenen Masterplan erarbeitet. „Ob es uns damit gelingen wird, Fahrverbote in Backnang zu verhindern, können wir nicht versprechen, aber wir werden alles dafür tun“, sagte der Leiter des Stadtplanungsamtes, Tobias Großmann bei der Vorstellung des Maßnahmenkatalogs im Technischen Ausschuss des Gemeinderats.

Für den Masterplan, der Voraussetzung ist, um Fördermittel des Bundes zu bekommen, haben Verkehrsexperten untersucht, wie sich die Schadstoffbelastung in der Stadt am besten senken lässt. Zwei Maßnahmen erscheinen ihnen besonders Erfolg versprechend, nämlich die Einführung einer intelligenten Verkehrssteuerung und eines neuen Parkleitsystems. Als dritter Aspekt kommt noch die Stärkung des Radverkehrs hinzu. Dieses Thema wird in einem Radinfrastrukturkonzept behandelt, das nächste Woche öffentlich vorgestellt wird.

Leitsystem zeigt nur den
nächsten Parkplatz an

Bei Verkehrszählungen hat Claudia Zimmermann vom Aalener Ingenieurbüro Brenner Bernard festgestellt, dass unter den rund 21000 Fahrzeugen, die täglich die Eugen-Adolff-Straße rauf- oder runterfahren, auch viele sind, die dort eigentlich gar nicht fahren müssten. Zum Beispiel Autofahrer, die die B14 schon an der „Spritnase“ verlassen, obwohl sie eigentlich in den nördlichen Teil der Stadt wollen. Festgestellt hat die Verkehrsexpertin auch, dass noch relativ wenige Autofahrer den 2015 eröffneten B-14-Anschluss Backnang-Mitte nutzen.

Nach Zimmermanns Untersuchungen fahren jeden Tag etwa 3000 Fahrzeuge unnötigerweise durch Backnang. „Diesen Durchgangsverkehr müssen wir aus der Stadt herausbekommen“. Erreichen will die Verkehrsexpertin das mit einem digitalen Verkehrslenkungssystem. Dazu gehören elektronische Wegweiser, die mit einem Computer verbunden sind und dem Autofahrer, abhängig von der aktuellen Verkehrssituation, den jeweils schnellsten Weg zu seinem Ziel zeigen. So könnte ein Hinweisschild an der B14 Autofahrer, die ins Zentrum wollen, abends und am Wochenende schon an der Spritnase ausleiten, in den Stoßzeiten, wenn die Stuttgarter Straße verstopft ist, aber weiter bis zur Anschlussstelle Backnang-Mitte lotsen.

Klar ist allerdings auch: Autofahrer werden nur dann länger auf der B14 bleiben, wenn sie dort nicht im Stau stehen. Weil sich die Ampelkreuzung auf der Maubacher Höhe dabei als Nadelöhr erwiesen hat, denkt man bei der Stadt darüber nach, das Linksabbiegen dort künftig zu untersagen. Das würde für manche Autofahrer zwar Umwege bedeuten, man könnte dafür aber die Grünphasen auf der B14 verlängern und so einen Rückstau vermeiden.

Mit „intelligenten“ Schildern soll auch der Parksuchverkehr eingedämmt werden. Geplant ist ein neues Parkleitsystem, das mit Kameras zuverlässig die freien Kapazitäten aller öffentlichen Parkhäuser und -plätze erfasst. Auf den Schildern wird dann aber immer nur auf den jeweils nächstgelegenen Parkplatz verwiesen (siehe Bild). „Erst wenn der fast voll ist, wird auch der nächste angezeigt“, erklärt Claudia Zimmermann. So sollen Suchfahrten durch die halbe Stadt verhindert werden. Voraussetzung sei dafür allerdings auch, dass Parken überall gleich teuer ist, denn sonst werde mancher lieber ein weiter entferntes, aber günstigeres Parkhaus ansteuern.

Aufrüsten will man auch die Ampeln: Bislang arbeiten die 29 Signalanlagen in der Stadt autark, künftig sollen sie miteinander vernetzt werden. Sensoren liefern dazu in Echtzeit Daten zur aktuellen Verkehrssituation. Dann kann der Computer, abhängig vom Verkehrsaufkommen, unterschiedliche Programme schalten und so den Verkehr auf bestimmten Straßen beschleunigen – oder auch verlangsamen. Außerdem können die Ampeln so programmiert werden, dass sie auf Grün schalten, sobald sich ein Linienbus nähert – ein Beitrag, um auch den ÖPNV schneller und damit attraktiver zu machen. Was diese Maßnahmen, ergänzt um ein Lkw-Durchfahrtsverbot in der Eugen-Adolff-Straße, bewirken sollen, haben die Verkehrsexperten berechnet. Demnach könnte die Zahl der Fahrzeuge in der Eugen-Adolff-Straße um rund 4000 auf 17000 pro Tag zurückgehen. Im Bereich der Annonaystraße wird sogar ein Rückgang um 7600 Fahrzeuge prognostiziert. Dafür würde der Verkehr an anderen Stellen in der Stadt zunehmen, etwa im Bereich Friedrichstraße und Etzwiesenstraße.

Backnangs Baudezernent Stefan Setzer weiß allerdings, dass solche Vorhersagen mit Vorsicht zu genießen sind: „Wenn am Ende alle Autofahrer das Verkehrslenkungssystem ignorieren, bringt es natürlich nichts“. In diesem Fall müsse man eben „in die restriktive Kiste greifen“ und zum Beispiel darüber nachdenken, manche Strecken zu bestimmten Tageszeiten zu sperren.

Was die digitale Verkehrssteuerung samt Parkleitsystem kosten wird, steht noch nicht fest. Nach „ganz groben Schätzungen“ rechne man mit Investitionen von etwa vier Millionen Euro, sagte Erster Bürgermeister Siegfried Janocha. Wobei die Stadt mit einem Bundeszuschuss von mindestens 50 Prozent rechnet. Mit der Investition alleine ist es allerdings nicht getan, denn die Stadt bräuchte auch einen Mitarbeiter, der das Verkehrslenkungssystem bedienen, überwachen und bei Bedarf eingreifen kann. „So jemanden gibt es bei uns bis jetzt nicht“, erklärte Setzer. Die Stadt müsste also wohl einen neuen Mitarbeiter einstellen, für Personalkosten gibt es allerdings keine Zuschüsse.

Bei den Stadträten stieß der „Masterplan Green City“ auf positive Resonanz. „Wir brauchen Innovation und Information“, sagte CDU-Stadtrat Gerhard Ketterer. Er regte an, auch noch Zeitangaben auf den Hinweisschildern anzuzeigen. Wenn dort stehe, dass man auf der B14 zehn Minuten schneller sei als durch die Stadt, sei die Wirkung sicher noch größer. „Die Zeitangaben müssen dann aber natürlich auch stimmen“, so Ketterer.

Karl Scheib (Bürgerforum Backnang) und Lutz-Dietrich Schweizer (Christliche Initiative Backnang) äußerten Zweifel am Parkleitsystem. Allenfalls Auswärtige würden sich von den Schildern leiten lassen, vermutet Scheib. Schweizer sieht keinen Nutzen, wenn ohnehin fast alle Parkplätze freie Kapazitäten haben. Heinz Franke (SPD) befürchtet, dass die Verkehrslenkung nicht nur Gewinner produziert: „Es wird Ausweichverkehr über die kleinen Straßen geben“, prophezeite der Fraktionsvorsitzende.

Beschlossen wurde diese Woche noch nichts. „Wir müssen erst einmal abwarten, ob der Bund die Zuschüsse gewährt“, sagte Baudezernent Setzer. Bis Jahresende rechnet er mit Antwort aus Berlin.

Intelligente Schilder statt Fahrverbote