Intelligenter Ring gegen den Kollaps

Kreisräte sprechen sich trotz Skepsis für Beteiligung an regionaler Mobilitätsplattform aus – Verkehrssteuerung rund um Stuttgart

Stau auf der B14, Stau auf der B29, kein Durchkommen am Kappelbergtunnel: Wer kann, weicht aus – und steht dann in Waiblingen im Stau. Denn auch innerorts geht nichts mehr. Diesem Problem will der Landkreis gemeinsam mit dem Verband Region Stuttgart nun mithilfe einer millionenschweren regionalen Mobilitätsplattform beikommen.

Intelligenter Ring gegen den Kollaps

Nadelöhr Kappelbergtunnel: Sowohl aus Richtung Stuttgart (Foto) als auch in der Gegenrichtung sind Staus Alltag. Archivfoto: G. Habermann

Von Armin Fechter

WAIBLINGEN. Das ehrgeizige Vorhaben hat zum Ziel, den Verkehrskollaps rund um Stuttgart zu verhindern. Der Verkehr soll situationsbedingt gesteuert werden, um besser zu fließen. Gleichzeitig soll vermieden werden, dass innerörtliche Siedlungsgebiete von Schleichverkehr erdrückt werden. Die Gesamtkosten für das System sind auf 9,5 Millionen Euro geschätzt, abzüglich einer Förderung von der EU und vom Land müssen die Beteiligten noch 3,5 Millionen Euro tragen. Auf den Rems-Murr-Kreis entfallen dabei Investitionskosten von 132000 Euro plus laufende Kosten für den Betrieb ab 2021 in Höhe von 16000 Euro im Jahr.

Martin Schmid, Referent beim Verband Region Stuttgart, stellte die Überlegungen jetzt den Kreisräten im Umwelt- und Verkehrsausschuss vor. Zwei Problemsituationen sollen vorrangig angegangen werden: Staus, die sich regelmäßig in den Stoßzeiten bilden, und unkoordinierte Verkehrsverlagerungen, die nach schweren Unfällen auftreten. Um den Verkehr gezielt steuern zu können, soll in einem Ring um Stuttgart herum eine gemeinsame Verkehrsmanagementzentrale eingerichtet werden. In ihr fließen Daten aus Kameras, Ampeln und anderen Quellen zusammen, die es dann – so die Idee – ermöglichen, auf Störungen im Straßennetz zu reagieren. Entsprechende Informationen gehen dann über Apps, Webportale, Navis und Informationstafeln an die Nutzer. Vorgesehen sind dabei auch „dynamische Lichtsignalsteuerungen“, also ein Netz von Ampelanlagen, das den Verkehrszufluss nach Waiblingen, Kernen im Remstal und Fellbach reguliert. Autofahrern soll zudem empfohlen werden, P+R-Plätze anzusteuern und S-Bahn-Anschlüsse zu nutzen. Wenn sich das System bewährt, soll es, so Schmid, über die Pilotgebiete hinaus in der Region ausgeweitet und dann auch der Raum Backnang mit einbezogen werden.

„Wir begrüßen die Initiative des Verbands Region Stuttgart“, erklärte Rems-Murr-Verkehrsdezernent Peter Zaar im Ausschuss. Die Kreisräte zeigten sich jedoch skeptisch gegenüber dem Konzept. Ulrike Sturm (Grüne) sieht darin „Kosmetik“ und hat Zweifel, „ob der Effekt überhaupt so großartig ist“. Viel wichtiger sei doch, den Verkehr möglichst gar nicht entstehen zu lassen. Auch Klaus Riedel (SPD) fand, hinter einer intelligenten Verkehrssteuerung verberge sich „viel Geheimnisvolles“. Sein Einwand: Staus wirkten sich auch auf den öffentlichen Personennahverkehr aus, weil es ja kaum Busspuren gibt. Für Jürgen Hofer (FDP/FW) stellt das Leitsystem allenfalls eine flankierende Maßnahme dar. Und: Wenn man den Schleichverkehr verhindert, wird der Stau nur noch länger. „Dann stehen die Leute stundenlang“, befürchtet Josef Heide (AfD/Unabhängige), das sei „Verkehrsbehinderung“.

„Wir müssen den Verkehr reduzieren“, resümierte Karl Ostfalk (Freie Wähler) – und die vorhandenen Straßen müssten durch intelligente Systeme optimal genutzt werden. Nur: „Wie übermitteln wir es dem Fahrer?“ Am Steuer das Handy zu benutzen ist schließlich verboten. Vorbehalte meldete auch Christoph Jäger (CDU) an: Die gegenwärtigen Zahlen im Individualverkehr werde man noch auf Jahre hinaus haben, gab er zu bedenken und fügte an, das System könne den Verkehr nicht in Luft auflösen. Es werde eine Verschärfung des Rückstaus auf den Bundesstraßen in Kauf genommen. „Eine Pförtnerampel löst keine Probleme“, warnte auch Astrid Fleischer (Grüne).

Unterm Strich waren die Kreisräte aber dennoch bei einer Gegenstimme und drei Enthaltungen der Ansicht, dass sich der Landkreis an der regionalen Mobilitätsplattform beteiligen sollte. Dies nicht zuletzt auch unter dem Aspekt, dass die Städte Fellbach und Waiblingen bereits ihr Ja erklärt haben.