Teheran will den Bau eines Transportkorridors im Kaukasus verhindern, den Aserbaidschan und Armenien mit den USA vereinbart haben.
Irans Religionsführer Ali Chamenei tobt, hat aber politisch wenig Optionen.
Von Thomas Seibert
Der Iran empfindet den geplanten Transportkorridor im Kaukasus unter US-Führung als Bedrohung und als neuen strategischen Rückschlag nach dem jüngsten Machtverlust im Nahen Osten. Teheran werde den Korridor in Aserbaidschan und Armenien blockieren, droht Ali Akbar Velajati, ein Hardliner und Berater von Regimechef Ajatollah Ali Chamenei. „Wir werden es nicht hinnehmen, dass sich die Nato der iranischen Nordgrenze nähert.“ Der Iran hofft auf Hilfe aus Russland.
Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew und Armeniens Ministerpräsident Nikol Paschinjan hatten vorige Woche im Beisein von US-Präsident Donald Trump in Washington eine Vereinbarung über den Bau der „Trump-Route für internationalen Frieden und Wohlstand“ (Tripp) unterzeichnet. Nach dem Vertrag erhält Aserbaidschan einen etwa 40 Kilometer langen Transportkorridor durch armenisches Gebiet nördlich der Grenze zum Iran. Der Korridor soll Aserbaidschan mit der aserbaidschanischen Exklave Nachitschewan verbinden. Aserbaidschan bekommt so einen direkten Zugang zu seinem wichtigsten Verbündeten, der Türkei, die im Westen an Nachitschewan grenzt.
Tripp verhinderte Irans eigenen Korridor
Der Korridor würde die direkte Verbindung zwischen Iran und dem nördlichen Nachbarn Armenien kappen, einem Verbündeten Teherans und Abnehmer von iranischem Erdgas. Tripp sei eine sicherheitspolitische Bedrohung, kommentierte die Nachrichtenagentur Mehr. Auch die Iraner planen einen Transportkorridor im Kaukasus: Er soll vom Persischen Golf über Iran, Armenien und Georgien ans Schwarze Meer reichen. Tripp würde dieses Vorhaben verhindern.
Der Iran betrachte den Kaukasus als seine Einflusssphäre, sagt Arman Mahmoudian, Iran-Experte an der Universität Süd-Florida. Doch dieser Einfluss schwinde: „Heute ist Armenien die letzte iranische Hochburg in der Region“, sagte Mahmoudian.
Irans Feinde wollen sich an der Nordgrenze festsetzen, befürchtet Teheran. Schon zuvor war der Iran besorgt wegen der engen Beziehungen zwischen Aserbaidschan und Israel. Iranische Medien beschuldigten die Regierung in Baku, Israel im Krieg gegen den Iran im Juni mit Geheimdienstinformationen geholfen zu haben. Israel liefert Waffen an Aserbaidschan, das wiederum Öl nach Israel exportiert.
Nun haben sich die USA mit dem Tripp-Vertrag für 99 Jahre die Kontrolle über den geplanten Korridor und damit einen Brückenkopf im Kaukasus gesichert. Der Korridor bleibt zwar Teil des armenischen Staates, doch Amerika wird ihn verwalten. Trump will das Territorium an Unternehmen weiterverpachten, die eine Eisenbahnstrecke und Pipelines für Öl und Gas bauen sollen, um Transitgebühren zu kassieren.
Der Machtgewinn für Washington geht zu Lasten von Moskau und Teheran. Das iranische Außenministerium warnte, „jede Art von ausländischer Einmischung besonders in Grenznähe“ werde Konsequenzen haben. Die Hardliner-Zeitung „Kayhan“ forderte, der Iran solle die Straße von Hormuz im Persischen Golf, eine weltwirtschaftlich wichtige Tankerroute, für amerikanische und israelische Schiffe sperren. Chamenei-Berater Velajati drohte, der Korridor werde zum „Grab von Trumps Söldnern“.
Harrsche Worte – wenig Optionen
Markige Worte. Doch, so meint der Experte Mahmoudian: „Die Optionen für den Iran sind begrenzt, wenn eine direkte Konfrontation mit den USA vermieden werden soll.“ Teheran könnte Druck auf Armenien machen, um die Tripp nachträglich zu Fall zu bringen. Oder Verbündete suchen, um den Einfluss der USA zurückzudrängen.
Allerdings ist Teheran seit der Niederlage der Hisbollah-Miliz im Krieg gegen Israel voriges Jahr, dem Sturz des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad im Dezember und den israelisch-amerikanischen Luftangriffen im Juni politisch und militärisch geschwächt. Präsident Massud Peseschkian schlägt deshalb gemäßigtere Töne an. Die Aufregung über den Korridor sei übertrieben, sagte er.
Derzeit kann Teheran nur hoffen, dass Streit über ungeklärte Fragen oder russischer Widerstand den Korridor noch verhindern. Details wie die Regeln für eine Beteiligung von US-Firmen müssen noch ausgehandelt werden. Offen ist, was aus den russischen Soldaten wird, die für Armenien die Grenze zum Iran bewachen. Die russische Regierung erhebt Einspruch gegen Trumps Projekt im Kaukasus. Moskau erklärte bereits, die Probleme im Süd-Kaukasus sollten von den Ländern in der Region mit Unterstützung ihrer direkten Nachbarn gelöst werden: Russland, Türkei und Iran.