Irland: Micheál Martin ist neuer Premierminister

dpa Dublin. Erstmals schließen sich die beiden rivalisierenden konservativen Parteien in Irland zu einer Koalitionsregierung zusammen. Die Rolle der größten Opposition fällt nun der linksgerichteten Sinn Fein zu.

Irland: Micheál Martin ist neuer Premierminister

Micheál Martin ist neuer Premierminister in Irland. Foto: Niall Carson/PA Wire/dpa

Das irische Parlament hat am Samstag einen neuen Regierungschef gewählt. Micheál Martin von der bürgerlichen Partei Fianna Fail führt künftig eine Koalition mit der ebenfalls bürgerlichen Fine Gael und den irischen Grünen an.

Die Abstimmung fand wegen der Abstandsregeln in der Coronavirus-Pandemie nicht im Parlamentsgebäude in Dublin, sondern in einem Konferenzzentrum statt.

In seiner Antrittsrede versprach Martin, den Kampf gegen das Virus und die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie in den Mittelpunkt seiner Arbeit zu stellen. „Von heute an wird das im Zentrum von allem stehen, das die neue Regierung tun wird“, sagte Martin. In Irland starben bisher knapp 2300 Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus. Aber auch die Wohnungsnot und Reformen im Gesundheitssystem seien Themen, denen er sich annehmen werde, sagte Martin.

Die Bildung der bürgerlich-grünen Koalitionsregierung in Irland gilt als historisch. Bislang hatten sich Fine Gael und Fianna Fail stets in der Regierung abgewechselt. Der bisherige Premier Leo Varadkar von Fine Gael sprach vom Ende eines Bürgerkriegs im Parlament zwischen den beiden konservativen Parteien. Ende 2022 soll das Amt des Regierungschefs zurückgehen an Varadkar, der solange den Posten des Vize-Regierungschefs einnimmt. Vorausgegangen war der Koalitionsregierung bereits die Duldung einer Fine-Gael-Regierung von Martins Fianna Fail.

Größte Oppositionspartei wird damit die linksgerichtete Sinn Fein unter der Führung von Mary Lou McDonald. Die Partei hatte bei der Wahl im Februar einen Überraschungserfolg erzielt und damit die politische Landschaft verändert. McDonald warf ihren konservativen Rivalen eine Wagenburgmentalität vor. Die Koalition der beiden großen konservativen Parteien sei eine „Zweckheirat“, die dazu diene, Sinn Fein von der Regierung auszuschließen.

Sinn Fein spielte lange Zeit in der Republik Irland keine ernstzunehmende Rolle, sondern galt als politischer Arm der Untergrundorganisation IRA. Die IRA kämpfte in dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland mit Waffengewalt für eine Vereinigung der beiden Teile Irlands. Der blutige Konflikt mit Tausenden Toten endete erst 1998 mit dem als Karfreitagsabkommen bezeichneten Friedensschluss.

Sinn Fein hat der Gewalt abgeschworen und mit dem Abtritt des langjährigen Parteichefs Gerry Adams im Jahr 2018 zudem einen Generationenwechsel vollzogen. Trotzdem wird sie in Teilen der irischen und britischen Gesellschaft noch immer mit Skepsis betrachtet. Die Partei fordert noch immer den Zusammenschluss der beiden Teile Irlands.

Gepunktet bei der Wahl im Februar hatte die Partei aber eher mit ihren sozialpolitischen Forderungen. Die Partei hätte sogar stärkste Kraft werden können, hatte aber selbst nicht mit ihrem Erfolg gerechnet und zu wenige Kandidaten aufgestellt.

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