Wieder kommt ein Bundesamt, das sich mit der Entsorgung von Atomabfällen beschäftigt, zur Informationsveranstaltung nach Ulm. Ein Zufall?
Der Info-Container zur Endlagersuche – aufgestellt in der Innenstadt von Ulm.
Von Rüdiger Bäßler
Die Suche nach einem deutschen Endlager für radioaktive Abfälle wird sich bald auf nur noch wenige Regionen konzentrieren – und der Standort Ulm könnte auf diese Shortlist geraten. Darauf deutete ein Pressetermin des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) am Freitag hin. Vor Ort, in einem Info-Mobil unter dem Münsterturm, sprach BASE-Präsident Christian Kühn. Er hat nach eigenem Bekunden sonst selten Zeit, dem Infomobil hinterher zu reisen, das im vergangenen Jahr in 22 deutschen Städten und Gemeinden Halt machte. „Nach Ulm zu kommen, war mir sehr wichtig“, sagte er nun.
Um Ulm herum, in Donaunähe, bildet mächtiges Opalinus-Gestein den Untergrund, mehr als 300 Meter in die Tiefe reichend und damit eine wesentliche geologische Anforderung an ein Atomendlager erfüllend. „Wir können sagen, dass Opalinuston grundsätzlich zur Endlagerung geeignet ist“, so Kühn. Bis vor fünf Jahren kam potenziell noch mehr als die Hälfte des gesamten Bundesgebietes für ein Endlager in Frage – neben Ton werden auch Salz- und Granitformationen untersucht. Doch Ende 2027 wird es deutlich konkreter, dann soll sich die Fläche der betrachteten Gebiete deutlich verringern.
Ulm innerhalb Baden-Württembergs womöglich einzige Option
Geht es nach Kühns Bundesamt, werden danach nur noch sechs Regionen übrig sein, innerhalb derer die Möglichkeit zum Bau eines Endlagerstollens erkundet wird. Und Ulm könnte innerhalb Baden-Württembergs die heißeste und womöglich einzige Option bleiben. „Kontinuierliche Information der Bevölkerung“ sei wichtig, so der Amtspräsident vielsagend, damit die Präsentation 2027 keine „Schockinformation“ darstelle.
Kühn, einstiger Grünen-Landesvorsitzender in Baden-Württemberg, ist erst seit 2024 BASE-Präsident. Zuvor war er Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium. In der neuen Funktion, versicherte er am Freitag, sei er überparteilich unterwegs. „Die Endlagersuche eignet sich nicht für das politische Spiel.“ Doch dieses Spiel läuft bereits seit rund zehn Jahren, als erstmals bekannt wurde, dass entlang der Donau und in Bodenseenähe Daten über Tongestein gesammelt werden. 2013 schickten zunächst – mit Verweis auf Erdbebengefahren – 20 Rathauschefs aus dem Landkreis Konstanz eine Resolution an den damaligen Umweltminister Peter Altmaier. 2016 sprach sich der mit Bürgermeistern besetzte Regionalverband Donau-Iller gegen ein mögliches Endlager aus.
Bodenseeraum ist wohl aus dem Suchfenster heraus
Misstrauen an der Donau gerade unter Umweltschützern wuchs zudem, als im Januar 2019 das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (BfE) ausschließlich Kommunalvertreter zur einer „Dialogveranstaltung“ in Sachen Endlager in die Ulmer Messehalle lud. In Ulm, hieß es etwa seitens des BUND, werde Hinterzimmerpolitik betrieben, würden wohl die selben Fehler wie in Gorleben gemacht. Danach verschwand das Thema allmählich wieder aus den Köpfen.
Nun aber dürfte die Endlagerfrage wieder auf die Tagesordnungen mancher Stadt- und Gemeinderäte rücken. Während der Bodenseeraum wohl aus dem Suchfenster heraus ist, kamen die Ulmer zum Beispiel mit dem Erdbebenargument nicht durch. Wegen Erdbebengefahren sind bisher nur Gebiete in einem Streifen zwischen Bad Herrenalb (Kreis Calw) über Pforzheim und Vaihingen an der Enz (Kreis Ludwigsburg) bis in die Kreise Neckar-Odenwald und Main-Tauber von den Wissenschaftlern als ungeeignet für ein Endlager klassifiziert worden. Auch Teile des Kreises Konstanz, das Gebiet zwischen Tuttlingen und Emmendingen sowie ein regionales Band von Münsingen (Kreis Reutlingen) und Blaubeuren (Alb-Donau-Kreis) bis in die Landkreise Heidenheim und Ostalb bleiben verschont.
Bundestag hat bei Standortsuche das letzte Wort
Als es allerdings am frühen Morgen des 16. Oktober im Zollernalbkreis bebte – diesmal bei Hechingen mit der Stärke 3,9 – wackelten auch Ulmer Häuserwände. BASE-Präsident Kühn sagte am Freitag, darauf angesprochen, nur knapp: „Seismische Aktivität ist ein Ausschlusskriterium.“ Streit am Ende des Verfahrens sei unausweichlich. „Es wird am Ende gegen das Endlager geklagt werden, und es wird Bürgerinitiativen geben.“
Der Bundestag hat bei der Standortsuche das letzte Wort. Bisher sollen in einer nächsten zweiten Phase verbleibende Suchgebiete überirdisch, danach in Phase drei unterirdisch auf Eignung untersucht werden. Diese beiden Schlussphasen möchte das BASE gerne zusammengelegt sehen, um Zeit im Verfahren zu sparen. Etwa 2050, so der Plan, soll dann der Endlagerort für rund 1750 Behälter mit hoch radioaktiven Abfällen gefunden sein.