Jagd bedeutet auch Hege und Pflege

Interview Markus Laiblin aus Sulzbach an der Murr ist Jäger mit Leib und Seele. Der Kreisjägermeister betreibt das Handwerk bereits in der vierten Generation und weiß zugleich um die Notwendigkeit von Öffnung und Modernisierung in der Jägerschaft.

Jagd bedeutet auch Hege und Pflege

Kreisjägermeister Markus Laiblin (42) und seine treue Hündin Malou sind im Sulzbacher Wald unterwegs. Foto: Alexander Becher

Wie sind Sie zur Jagd gekommen?

Ich bin damit aufgewachsen und war schon als dreijähriges Kind mit dem Papa, der auch Jäger ist, auf dem Hochsitz. Das fand ich spannend. Man könnte sagen, ich bin mit Leib und Seele geködert worden.

Hauptberuflich sind Sie Regionalleiter der Baywa Energie für die Sparte Holzpellets. Wie bekommen Sie die Nächte auf dem Hochsitz mit dem Job und der Familie in Einklang?

Zu welcher Tageszeit man jagt, ist abhängig von den Wildarten. Wildschweine zum Beispiel schieße ich tatsächlich meist zwischen 2 und 4 Uhr, aber nicht jede Nacht. Wenn der Mais gefährdet ist, schaut man zwar schon, dass fast jeden Abend jemand auf dem Hochsitz ist, aber dafür habe ich dann auch meine Jungjäger. Trotzdem muss ich sagen, dass die Jagd so, wie ich sie ausübe, ohne das Verständnis von meiner Frau und meinem Sohn gar nicht möglich wäre.

Was begeistert Sie an der Jagd?

Das Naturerlebnis. Wenn man im Mai die Rehkitze sieht und dann fünf, sechs Jahre später den stolzen Rehbock, diese Entwicklung ist beeindruckend. Es ist ein Kreislauf, der jedes Jahr aufs Neue entsteht.

Man schießt also nicht zwangsläufig, wenn man ein Tier sieht?

Nein. Ich habe mehrere Wildkameras und markiere auch die Kitze. Es ist wirklich interessant, wenn man einem Reh zwei, drei Jahre nicht begegnet und es dann plötzlich 300 Meter entfernt von der Fläche, auf der man es markiert hat, wieder vor einem steht. Da sieht man auch, wie standorttreu diese Tiere sind. Ich würde behaupten, ich kenne den Großteil meines Wildes. Trotzdem kann es sich lange verstecken und auf einmal wieder auftauchen. Man erlebt wirklich einmalige Momente, hat aber natürlich auch Vorgaben, die man erfüllen muss.

Wie sehen diese Vorgaben aus?

Wir leben in Zeiten des Klimawandels, der sogenannte Waldumbau ist ein Thema. Man will weg vom Nadelholz und hin zum Laubbaum. Weil das Wild aber gerne die Knospen frisst und mit einem einzigen Biss einen jungen Baum entwerten kann, haben wir Jäger da eine Aufgabe. Ohne uns wird der Waldumbau nicht funktionieren.

Sie schießen also das Wild, bevor es die Bäume beschädigen kann?

Wir bauen in einigen Gebieten einen Jagddruck auf, halten dafür auf anderen Flächen aber Ruhe. Wenn wir die Rehe nämlich durch den gesamten Wald scheuchen, beginnen sie nachtaktiv zu werden. Das wäre kontraproduktiv, denn dann haben sie weniger Zeit für die Nahrungsaufnahme und verbeißen die Umgebung noch schneller. Es ist also immer eine Frage des Maßes.

Es gibt keine konkreten Abschusszahlen, die Sie vorweisen müssen?

Man gibt seine Statistik bekannt. Das soll es aber vor allem der Wildforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg in Aulendorf ermöglichen, die Entwicklung der Wildbestände nachzuvollziehen. Das beste Beispiel ist der Waschbär. Er wurde 1997 ins Jagdrecht aufgenommen. Damals wurden etwa 80 Tiere geschossen. Vor zwei Jahren waren wir schon bei 2500, und diese Statistik würde es ohne die Jäger nicht geben.

Welchem Zweck dient diese Bestandskontrolle?

Das sieht man sehr gut an den aktuellen Staupe- und Räudeseuchen beim Fuchs. Wenn die Tiere überhandnehmen, regelt die Natur das selber. Die Frage ist, ob man es so weit kommen lassen muss. Über uns hängt ja auch das Damoklesschwert der Afrikanischen Schweinepest, die für den Rems-Murr-Kreis fatale Folgen hätte.

Ist das letztlich die Kernaufgabe
des Jägers?

Nicht das Reduzieren der Bestände, aber die Hege und Pflege. Ich habe zum Beispiel rund 200 Nistkästen im Wald hängen. Davon habe ich als Jäger nichts, ich kann ja keine Meisen schießen. Es ist aber meine Aufgabe, die Natur in dieser Hinsicht zu unterstützen, weil es immer weniger Totholz, Bäume und Hecken gibt.

Der Wolf ist derzeit in aller Munde. Glauben Sie, dass er auch hier bei uns zum Thema wird?

Das muss er sogar. In Niedersachsen bilden die Hirsche aufgrund der Gefahr durch den Wolf bereits Großrudel, die natürlich viel größere Schäden im Wald anrichten. Das allein durch eine moderate Erhöhung des Abschussplans auszugleichen, wird nicht funktionieren. Deshalb muss der Wolf ins Jagdgesetz aufgenommen werden. Ich bin da auch etwas enttäuscht von der Politik.

Inwiefern?

In Baden-Württemberg werden für den Nutztierschutz vor Wölfen im Jahr zehn Millionen Euro ausgegeben, also für jeden Wolf über eine Million. Meines Erachtens ist der Wolf eben gut zu vermarkten. Was ist aber mit bedrohten heimischen Arten wie dem Rebhuhn oder dem Fasan? Da gibt es kaum Projekte außerhalb der Jägerschaft.

Kürzlich hat die Tierschutzorganisation Peta den Hegering Backnang wegen der Fuchswoche stark kritisiert. Woher kommt Ihrer Ansicht nach das negative Bild, das über Jäger teils vorherrscht?

Viele Menschen kennen den Jäger als jemanden, der sie aus dem dicken Jeep heraus anmotzt, weil sie in der Brut- und Setzzeit ihren Hund frei laufen lassen oder bei Nacht durch den Wald joggen. Das ist für uns Jäger eine Frage des Auftretens, aber auch eine Verallgemeinerung. Ich betreibe deshalb viel Aufklärungsarbeit und bin jemand, der offen und freundlich das Gespräch sucht. Es heißt ja: Tue Gutes und spreche darüber. Wir müssen viel mehr in die Öffentlichkeit gehen und aufklären, welche Aufgaben die Jäger ehrenamtlich übernehmen und welche Leistungen und welcher Nutzen für die Natur eigentlich dahinterstecken. Da sind uns Peta und andere Naturschützer einen Schritt voraus.

Was unternehmen Sie dafür?

Wir organisieren Veranstaltungen wie die Hegeschau im April, an der wir uns und unsere Arbeit präsentieren, gehen an Schulen und bieten Ferienprogramme an. Außerdem können sich die Leute beteiligen, zum Beispiel bei der Rehkitzrettung ab Mai. Da fliegen wir mit Drohnen, an denen Wärmebildkameras befestigt sind, vor der Mahd die Felder ab. Dafür suchen wir immer Helfer.

Die moderne Technik hält Einzug?

Ja, Tradition und Moderne muss man heutzutage kombinieren. Ich trage zum Beispiel im Wald nach wie vor eine Lodenjacke, weil es aus meiner Sicht nichts Besseres gibt. Sie ist warm, wasserabweisend und raschelt nicht. Dazu trage ich aber eine Funktionshose, die nicht gleich aufreißt, wenn man durch Dornen läuft. Ich sitze manchmal auf dem Hochsitz und beantworte E-Mails mit dem iPad, und die Kommunikation mit den Jungjägern auf meinem Gebiet läuft über WhatsApp. Auch Wärmebildkameras sind mittlerweile normal.

Sie sind auch Kreisjägermeister.

Stimmt. Die Kreisjägervereinigung Backnang hat knapp 580 Mitglieder, sowohl Jäger als auch Jägerinnen, wobei in der letzten Zeit die Frauenquote deutlich zunimmt. Die Jagd wird weiblicher und auch jünger.

Prallen da unterschiedliche Philosophien aufeinander?

Klar, da ist ein Generationenkonflikt, wie es ihn in allen Vereinen gibt. Man darf die alten Traditionen, die mit Recht bestehen, nicht vergessen. Ich habe von meinem Vater das gelernt, was er schon von meinem Großvater gelernt hat, und ziehe daraus meine eigenen Schlüsse. Zum Beispiel gab es viele Diskussionen um die Einführung des Zielfernrohrs, aber natürlich kann man durch diese Technik die Tiere waidgerechter und schonender erlegen. Heute hat deshalb jeder eines. Es ist nicht alles schlecht, was neu ist. Das muss man den Jägern manchmal erklären.

Das Gespräch führte Kai Wieland.