Jeden Tag ein kleines Fest

Annemarie Schwaderer ist die dritte Kirchbergerin, die ihren 100. Geburtstag feiern durfte. Seit 66 Jahren lebt sie in der kleinen Gemeinde an der Murr. Geboren und aufgewachsen ist die Jubilarin in Berlin-Neukölln.

Jeden Tag ein kleines Fest

Häkeln, stricken, nähen und Bastelarbeiten aller Art gehören zu den großen Leidenschaften von Annemarie Schwaderer. Foto: A. Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

KIRCHBERG AN DER MURR. Welches Kind träumt nicht davon, jeden Tag Geburtstag zu feiern? Für Annemarie Schwaderer war die vergangene Woche ein durchgehendes Fest, denn jeden Tag kamen Freunde und Verwandte vorbei, um der Jubilarin zu gratulieren. Auch Bürgermeister Frank Hornek hatte es sich nicht nehmen lassen, der älteren Dame höchstselbst einen Besuch abzustatten. Wobei das für die Hundertjährige eigentlich fast schon normal ist, denn seit einigen Jahren gehört der bürgermeisterliche Geburtstagsbesuch dazu.

Geboren wurde sie am 25. August 1920 in Berlin-Neukölln. Das klingt sogar bis heute noch ein bisschen durch, wenn sie spricht, obwohl sie im Februar 1945 als junge Frau ihre Heimatstadt verlassen musste. Denn als die russische Armee vor den Toren Berlins stand, ging es westwärts. Und irgendwann auch Richtung Süden – 1947 bis 1950 absolvierte die geborene Annemarie Strehblow eine Lehre zur Hauswirtschafterin auf einem Bauernhof in Wolpertshausen.

In dieser Gemeinde im Landkreis Schwäbisch Hall lernte sie den Kirchberger Hermann Schwaderer kennen und lieben. Nach Beendigung ihrer Lehre zog die Berlinerin in das beschauliche Örtchen an der Murr und zwei Jahre später, 1952, wurde geheiratet. Wiederum zwei Jahre später zog man ins gemeinsame Eigenheim, und in diesem Haus lebt Annemarie Schwaderer bis heute.

Bis zur Geburt des Sohnes arbeitete die Jubilarin bei AEG-Telefunken, später in der eigenen Bäckerei.

Bis zur Geburt des gemeinsamen Sohnes Klaus im Jahr 1963 war die Wahl-Kirchbergerin bei AEG-Telefunken in Backnang beschäftigt. Später unterstützte sie ihren Mann Walter in der eigenen Bäckerei in Kirchbergs Hauptstraße. Im Jahr 2002 feierten die beiden ihre goldene Hochzeit, ein Bild im Wohnzimmer zeigt das Paar gemeinsam mit Bürgermeister Hornek. Nur ein Jahr später allerdings verstarb ihr Mann. Doch Annemarie Schwaderer hat sich nie unterkriegen lassen. „Ich bin zufrieden mit meinem Leben“, sagt sie mit bescheidenem Lächeln. Ihr Sohn Klaus unterstützt sie sehr, er wohnt nur ein Stockwerk über ihr. Auch seine Freundin und seine Tante helfen bei der Pflege der betagten Dame. Die sich übrigens sehr guter Gesundheit erfreut. „Sie muss keine Tabletten nehmen“, berichtet Sohn Klaus. Und auch erst seit ihren Siebzigern ist eine Lesebrille notwendig geworden. Gern sieht sie im Fernsehen Natur- und Tierfilme, auch Musik- und Quizshows gefallen ihr gut. Bei Letzteren rät sie auch ganz gern mit. Und man lernt etwas dabei.

Etwas beschwerlicher lebt es sich mittlerweile schon, doch wenn es das Wetter und die Konstitution zulassen, macht sie mit dem Rollator einen kleinen Spaziergang. Und bis vor drei Jahren war sie auch regelmäßig bei der Seniorengymnastik dabei. Noch mit 98 Jahren hat sie sich mit großer Freude selbst der Pflege ihres Gartens gewidmet.

Nun kommt seit Anfang des Jahres einmal in der Woche eine Mitarbeiterin des DRK zu einem aktivierenden Hausbesuch vorbei, und zusammen mit einer Nachbarin verbringen die Damen dann einen unterhaltsamen und aktiven Nachmittag. Häkeln, stricken, nähen, Bastelarbeiten aller Art gehören zu ihren großen Leidenschaften.

Und wichtig ist ihr auch, den Kontakt zu Freunden und Verwandten zu pflegen. Da gibt es nicht nur in Deutschland Familienmitglieder, sondern auch in Frankreich, England, der Schweiz und den USA. Allein 17 Nichten und Neffen und deren Kinder gehören dazu.

Eine große Familienfeier mit allen Verwandten und Bekannten ist in den aktuellen Zeiten nicht möglich und wäre auch etwas zu anstrengend. Daher hat man sich kurzerhand aufgeteilt. In der vergangenen Woche kamen jeden Tag Gratulanten vorbei, die zahlreichen Blumengrüße auf dem Wohnzimmertisch zeugen davon. Und wer es bis heute noch nicht geschafft hat – oder auch nicht einreisen konnte – wird das in den kommenden Wochen nachholen.

Hat Annemarie Schwaderer denn einen Tipp, wie man ein solch hohes Alter erreichen kann? Die zierliche Dame mit dem sorgfältig frisierten weißen Haar lächelt nur: „Ist ein gutes Pflaster hier.“