Kranke Gesellschaft

Jeder Zweite sucht im Netz nach Infos zu Depressionen

Viele Menschen recherchieren im Netz zu Depressionen. Warum das nicht immer reicht und wie man seriöse Hilfe erkennt, zeigt die Stiftung Deutsche Depressionshilfe.

Jeder Zweite sucht im Netz nach Infos zu Depressionen

Auf einem Smartphone ist eine Suchansicht innerhalb einer Social-Media-App zu sehen, die bei dem Begriff „Depression“ Hinweise auf Hilfsangebote und Unterstützung einblendet. Plattformen wie Instagram zeigen bei sensiblen Suchbegriffen zunehmend Sicherheitshinweise und Verlinkungen zu professionellen Beratungsstellen. Sie reagieren damit auf die wachsende Rolle sozialer Medien bei der Informationssuche zu psychischen Belastungen.

Von Markus Brauer

 Rund jeder zweite Erwachsene in Deutschland hat bereits online nach Informationen über Depression recherchiert. Unter den tatsächlich Erkrankten sind es sogar 78 Prozent. Das geht aus dem aktuellen „Deutschland-Barometer Depression“ hervor.

Depressions-Barometer

Die jährliche, repräsentative Befragung der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention wird von der Deutsche Bahn Stiftung gefördert. In diesem Jahr nahmen 5196 Erwachsene im Alter von 18 bis 69 Jahren sowie ergänzend 103 Jugendliche von 16 bis 17 Jahren teil.

Seit 2017 untersucht das Barometer regelmäßig Einstellungen und Erfahrungen der Bevölkerung rund um das Thema Depression. Eine Erkrankung, die das Denken, Fühlen und den Alltag der Betroffenen tiefgreifend beeinflussen kann.

Was Betroffene beachten sollten

Wer den Verdacht hat, an einer Depression erkrankt zu sein, sollte sich laut Depressionshilfe zunächst an den Hausarzt wenden. Hinweise und Informationen aus dem Netz könnten unterstützen, ersetzten aber keine professionelle Behandlung.

Die Stiftung empfiehlt außerdem, in sozialen Medien auf die Seriosität von Quellen zu achten – etwa darauf, ob Inhalte von Fachleuten, Kliniken oder öffentlichen Gesundheitsorganisationen stammen und realistische Behandlungsmöglichkeiten darstellen.

Depression: Extrem häufig und doch oft unerkannt

Depressionen sind weltweit die am häufigsten auftretende psychische Erkrankung. Das Bundesgesundheitsministerium schätzt, dass bis zu vier Millionen Deutsche davon betroffen sind und fast zehn Millionen Menschen in Deutschland bis zum 65. Lebensjahr schon einmal eine Depression erlitten haben.

Viele Erkrankungen werden nicht als solche erkannt und richtig behandelt.

Was sind die Ursachen einer Depression?

Biochemisch betrachtet resultiert die Depression aus einem Wirrwarr jener Botenstoffe – sogenannte Neurotransmitter –, die im Gehirn für die Übertragung zwischen den Nervenzellen sorgen. Solange ihre Speicher gefüllt sind, läuft der Motor des Gefühlslebens normal. Bei einer Störung des empfindlichen Nervenstoffwechsels aber kann wie aus heiterem Himmel eine Depression auftreten.

Warum gerade bei Depressiven Produktion und Verteilung der Botenstoffe nicht klappt, ist bis nicht genau geklärt. Neben erblicher Veranlagung sind es vor allem schwere Schicksalsschläge wie der Tod eines geliebten Menschen oder Trennung von einem Partner, die zu einer Depression führen können.

Wie groß ist der Leidensdruck von Depressiven?

Menschen mit einer depressiven oder manisch-depressiven Störung stehen unter großem und permanentem Leidensdruck. Häufig geht der Arbeitsplatz verloren oder es zerbricht die Partnerschaft. Unbehandelt kann die Krankheit Wochen, Monate oder noch länger andauern. In der Regel klingen die Symptome nicht plötzlich ab, sondern verlaufen wellenförmig.

Wie werden Depressionen diagnostiziert?

Depressive Störungen äußern sich in Zuständen seelischer Niedergeschlagenheit. Die Diagnose erfolgt nach Symptomen und Verlauf. Die Psychiatrie trennt zwischen depressiven Episoden und immer wiederkehrenden – sogenannten rezidivierenden – Störungen, deren Schwere variieren kann.

Laut der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen (DGBS) unternimmt etwa jeder vierte Betroffene in seinem Leben einen Suizidversuch. Rund 15 Prozent der Erkrankten würden daran sterben.

Was ist eine bipolare Störung?

Extreme Stimmungsschwankungen sind typisch für manisch-depressive Erkrankung, die auch als bipolare Störung bezeichnet wird. Zwischen den Polen Manie und Depression besteht ein breites Spektrum unterschiedlicher Symptome. Mal sind die Betroffenen niedergeschlagen und haben das Gefühl, wertlos zu sein, mal neigen sie zur Rastlosigkeit und zu Selbstüberschätzung.

Depression und Manie erweisen sich als zwei Seiten ein- und derselben Medaille. Wie man in der manischen Phase im Zeitraffertempo durch den Tag getrieben wird, so tritt man in der depressiven Phase im Zeitlupentempo auf der Stelle und versinkt in Schwermut.

Wie lange dauern Depressionen?

Unbehandelt können Depressionen Tage und Wochen andauern, mitunter auch mehrere Monate oder Jahre. Meist klingen die Symptome nicht plötzlich, sondern wellenförmig ab. Der Suizid ist das letztgültige Risiko der Depression und zugleich ihre radikalste „Lösung“.

Was sind Symptome einer Depression?

Wer schwermütig wird, verliert nicht nur jegliche Lebenskraft. Seine depressive Grundstimmung wird auch stets von weiteren Symptomen begleitet, die allesamt nur schwer zu ertragen sind.

Da ist zum Beispiel die Neigung zu grübeln und ständig um die gleichen „klebrigen“ depressiven Gedanken zu kreisen. Zu Angst und Schuldgefühlen treten Energielosigkeit und die Unfähigkeit, neue Ziele ins Auge zu fassen. Wie unter Zwang denken viele Depressive immer wieder an Selbstmord.

Hinzu kommen körperliche Beschwerden: Schlafstörungen oder ein permanenter Druck in der Brust. Die Bewegungen werden langsam und kraftlos, die Stimme wird leise und monoton. Doch es gibt auch eine fast ebenso häufige depressive Agitiertheit. Dann treiben innere Unruhe und ein zielloser Beschäftigungsdrang den Kranken umher, sich selbst und den anderen zur Qual.

Nicht immer stellt sich die Depression allerdings mit diesen „klassischen“ Merkmalen dar. Viele Patienten verwenden ihren letzten Rest an Energie darauf, den depressiven Zustand vor ihrer Umgebung zu verbergen und ein normales Leben vorzutäuschen.

Wie werden Depressionen behandelt?

Depressionen lassen sich nicht durch pure Willenskraft überwinden, sind aber gut behandelbar. Auch hier ist eine Kombination aus medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung am effektivsten.

Zur Behandlung wird ein breites Spektrum an Psychotherapien und Medikamenten (sogenannte Antidepressiva) eingesetzt. Nachdem Ursachen und Verlauf der Erkrankung geklärt sind, werden vom Facharzt Antidepressiva verschrieben und/oder eine verhaltenstherapeutische oder tiefenpsychologische Gesprächstherapie verordnet.

Welche Medikamente gibt es?

Es gebe viele Arzneien, die „wirksam sind, aber nicht allen helfen“, erklärt der Psychiater Andreas Meyer-Lindenberg, Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit in Mannheim. So spreche beispielsweise nur ein Teil der Patienten auf die sogenannten Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) an.

Dabei handelt es sich um eine Gruppe von Antidepressiva, die bei diesem Krankheitsbild zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten gehören.

„Zurzeit läuft vieles nach dem Try-and-Error (Versuch und Irrtum)-Prinzip“, erläutert der Molekularbiologe Sven Cichon, Leiter der Medizinischen Genetik des Universitätsspitals Basel. Der Patient nehme so lange Medikamente, bis irgendwann eines hilft. Der Nachteil sei, dass die Medikamente sehr unspezifisch wirkten und daher oft starke Nebenwirkungen hätten.

Ist Heilung möglich?

Inzwischen sind die Therapien und Medikamente im Kampf gegen die Depression so wirksam, dass ungeachtet aller Rätsel eine ermutigende Bilanz gezogen werden kann. Bei richtiger Behandlung stehen die Chancen gut, das tiefe Tal der Seele wieder zu verlassen.

„Mit steigendem Schweregrad der Depression nimmt die Erkennensrate zu. Bis zu 80 Prozent der schweren Depressionen werden korrekt identifiziert“, schreibt die Psychotherapeutenkammer NRW. (mit dpa-Agenturmaterial)

Hilfen bei Suizidalität

Erste Hilfe Erster Ansprechpartner ist der Hausarzt, Psychiater oder psychologischer Psychotherapeut.

Akut In akuten Krisen helfen die nächste psychiatrische Klinik oder der Notarzt unter Tel. 112.

Seelsorge Zu jeder Zeit erreichen Sie die Telefonseelsorge kostenfrei unter: Tel.08 00 / 1 11 01 11 oder Tel. 08 00 / 1 11 02 22.

Krisenprävention Krisendienste in Ihrer Region finden Sie etwa bei: Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention: https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/wo-finde-ich-hilfe/krisendienste-und-beratungsstellen

Hilfe bei Suizid-Gedanken Sie haben suizidale Gedanken? Hilfe bietet die Telefonseelsorge. Sie ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0 800 / 111 0 111 und 0 800 / 111 0 222 und unter https://ts-im-internet.de/ erreichbar. Eine Liste mit Hilfsangeboten findet sich auf der Seite der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention: https://www.suizidprophylaxe.de/