Jugendliche bauen in Weissach aus einem Smart ein Elektrofahrzeug

Vor über fünf Jahren startete die Offene Jugendwerkstatt Weissacher Tal in das Projekt Elektromobilität. Mit einem Dreirad wurden die ersten Erfahrungen gesammelt. Jetzt haben die Jugendlichen begonnen, einen Smart zu einem vierrädrigen Elektrofahrzeug umzubauen.

Jugendliche bauen in Weissach aus einem Smart ein Elektrofahrzeug

Frederik „Freddy“ Nierla (links) und Max Ostfalk tüfteln zusammen an einem der Fahrzeuge. Fotos: Alexander Becher

Von Andreas Ziegele

BACKNANG. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass das, was in der Werkstatt steht, einmal ein Smart gewesen sein soll. Das Elektrofahrzeug ist auch noch nicht fertig, aber durchaus schon fahrbereit. Das beweist die Probefahrt des 17-jährigen Max Ostfalk aus Unterbrüden auf dem Gelände eines Fußbodenbauunternehmens im Backnanger Industriegebiet Kusterfeld. „Ich bin von Anfang an dabei“, sagt der Schüler. Von Anfang an, das heißt in diesem Fall, er war bei der Entwicklung des E-Dreirads im Jahr 2017 als damals Zwölfjähriger und auch bei den beiden Go-Karts mit von der Partie, die Jugendliche der Offenen Jugendwerkstatt Weissacher Tal (OJW) in Angriff genommen haben. Ostfalk ist einer von vier Jugendlichen, die sich nun an die Umsetzung des Projekts E-Smart gemacht haben.

Genauso lange dabei ist auch der Erste Vorsitzende der OJW Hans Koch. Er brennt immer noch für das Projekt Elektromobilität und ist stolz auf seine Jungs. Was sich seit dem Start geändert hat, ist die Werkstatt, in der jeden Freitag zwei Stunden lang gebohrt, geschweißt, gelötet und verkabelt wird. Vor fünf Jahren arbeiteten die Projektmitglieder noch in der privaten Werkstatt des Vereinsvorsitzenden. Nun ist das Team umgezogen und hat eine voll ausgestattete Werkstatt im Industriegebiet zur Verfügung. „Die Werkstatt lässt sich sogar heizen“, sagt Koch.

Was sich schwieriger gestaltete als gedacht war die Suche nach einem Smart. „Selbst ein nicht mehr fahrtüchtiger Smart kostet so viel, dass es unser Vereinsbudget nicht hergegeben hat“, erinnert sich der Vereinsvorsitzende und das bestätigt auch sein Stellvertreter Willi Lange. Schließlich gelang es dann doch, einen Smart mit Motorschaden für 350 Euro zu erwerben. „Der Motor muss bei der Elektrifizierung sowieso raus“, sagt Koch. Zusätzlich waren aber auch noch Elektroakkus, Ladegeräte, Regler, Motoren, Getriebe und vieles andere mehr zu beschaffen. Dabei geholfen hat schließlich der Kreisjugendring Rems-Murr, der das Projekt mit insgesamt 6000 Euro unterstützt hat.

Da der Smart mit einem Leergewicht von rund 900 Kilogramm mit einem erschwinglichen Elektromotor nicht in Fahrt zu bekommen wäre, hieß es zunächst das Leergewicht zu verringern. Alles, was nicht unbedingt benötigt wurde – wie beispielsweise die Türen, die Innenverkleidung, die Sitze und alles, was mit dem Verbrennungsmotor zu tun hatte – wurde entfernt und das Gewicht auf 300 Kilogramm verringert. Auch das Dach und die Scheiben wurden Opfer der Verschlankung.

Corona brachte den Zeitplan durcheinander

„Von Anfang an klar war, dass wir zum Anfahren eine kleine Übersetzung brauchen, danach eine höhere zweite und einen dritten Gang zum Erreichen der Höchstgeschwindigkeit von 20 Stundenkilometern. Wir haben uns für einen Kettenantrieb mit unterschiedlichen Ritzeln und je einem getrennten Elektromotor entschieden, der beim Gangwechsel von einem Motor zum anderen umschaltet“, erläutert Max Ostfalk fachmännisch. Noch während dieser grundsätzlichen Überlegungen kamen Corona und Lockdown und das E-Smart Projekt musste bis auf Weiteres eingestellt werden.

In dieser Zeit, das Projekt war mittlerweile durch die Pandemie ein Jahr in Verzug, entstand die Idee, eine Eigenkonstruktion der Karosserie auf dem abgespeckten Chassis des originalen Smarts aufzusetzen. Für das Team hieß das, die Kenntnisse in der Blechumformung zu erweitern. „Nachdem wir die Rahmen geschweißt hatten und die Achsen und Räder befestigt waren, ging es an die Plattform für den Einzelsitz, die Pedale und den Platz für die Elektronik“, sagt Hans Koch. „Eine weitere Herausforderung für die Jugendlichen war dann die Konzeption der Getriebe, Motoren und des Antriebs“, sagt er und ist stolz darauf, wie seine Schützlinge das gemeistert haben.

Das Lenkrad ist aus Holz

Mit den vier Akkus – jeweils einer für einen Gang und einer für die Elektronik – und den drei Steuergeräten für die Motoren sowie der Schalttafel im Fahrerbereich sieht das E-Mobil schon richtig futuristisch aus. Und eines sticht besonders ins Auge: das Lenkrad. Es ist aus Holz und hat eine Anmutung, die auch einen Maserati zieren würde. „Das habe ich selbst gemacht“, sagt Hans Koch und gibt sich dabei bescheiden. Die Lenkung ist auch so ziemlich das einzige, was noch an den ursprünglichen Smart erinnert. Und wie beim Original ist auch hier Muskelkraft gefragt, denn eine Servounterstützung ist nicht vorgesehen.

Man sollte meinen, dass die beiden Jugendlichen und ihre anderen Teammitglieder Vorzeigeschüler aus dem Physikunterricht sind. Umso überraschender die Aussage von Frederik „Freddy“ Nierla aus Unterweissach: „Ich habe Physik abgewählt.“ Wenn man die Schaltpläne und Formeln an den Flipcharts in und vor der Werkstatt sieht, kann man das fast nicht glauben. „Das ist physikalisches Basiswissen“, sagt Nierla selbstbewusst. „Nicht das, was uns in der Schule vermittelt wird.“

Die Frage nach den investierten Arbeitsstunden bleibt von allen unbeantwortet. „Das kann beim besten Willen niemand beziffern, aber es sind unzählige“, sagt Hans Koch, was die anderen mit Kopfnicken bestätigen. Aber noch sind alle mit viel Enthusiasmus dabei und Pläne gibt es auch noch genug. Der „e-Smart F1“, wie das Gefährt inzwischen heißt, wird sich in den kommenden Monaten weiterentwickeln. Die Jugendlichen wollen etwa noch einen Wandler einbauen, der Strommessungen am Fahrzeug erlaubt. Dabei wird auch auf Nachhaltigkeit geachtet: „Wir werden eine Solaranlage auf das Dach der Werkstatt bauen und somit den Strom für unsere Fahrzeuge selbst erzeugen“, erklärt Hans Koch. Und was Max Ostfalk und Freddy Nierla auch noch wichtig ist: „Ein Soundsystem mit Lautsprecheranlage muss auf jeden Fall auch noch mit an Bord“, sind sich die beiden einig.