Junger Mann fordert Nacktbilder von 13-Jähriger

Sexueller Missbrauch von Kindern in zwei Fällen: Amtsgericht verdonnert 22-Jährigen zur Teilnahme am Projekt „Chancen nutzen“.

Junger Mann fordert Nacktbilder von 13-Jähriger

Der Mann wurde schuldig gesprochen. Symbolfoto: unsplash

Von Jutta Rieger-Ehrmann

Backnang. Wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen stand jetzt ein 22-Jähriger vor dem Amtsgericht Backnang. Die Richterin sah letztlich die Anklagepunkte als erwiesen an. Der junge Mann soll nun innerhalb von vier Monaten zehn Termine bei dem Projekt „Chancen nutzen“ und drei Termine bei der Jugendgerichtshilfe wahrnehmen. Zudem soll er innerhalb von fünf Monaten 40 Arbeitsstunden ableisten. Von einer Prozesskostenübernahme durch den Angeklagten wird abgesehen. Durch die erzieherische Unterstützung hoffe die Richterin, dass man ihn „in das wahre Leben zurücklocken“ könne.

Laut Anklageschrift warf die Staatsanwältin dem 22-Jährigen zu Beginn der Verhandlung am Amtsgericht vor, einer 13-Jährigen über eine App in zwei Fällen obszöne Videos und Fotos gesendet zu haben. Auf dem Video war der junge Mann bei der Ausführung sexueller Handlungen zu sehen. Zudem hat er das Mädchen zu entsprechenden Aktionen aufgefordert und sie dazu animiert, ihm Nacktbilder zu schicken, was diese auch getan hat.

Zur Tat machte der Angeklagte keine weiteren Angaben, zu seinen persönlichen Verhältnissen schon. Er hat die Hauptschule ohne Abschluss verlassen und lebt noch bei seiner Mutter. Seinen Vater kennt er nicht, er hat eine Halbschwester. In den letzten Jahren hat er sich mehr und mehr zurückgezogen und nur selten das Haus verlassen. Kontakte hat er kaum, das meiste spielt sich online ab. Schulden hat er „eigentlich“ keine, es gibt aber Forderungen der Krankenkasse. Alkohol und Cannabis konsumiert er gelegentlich. Doch er habe Pläne. Er nimmt an dem Projekt „Chancen nutzen – Erreichen – Begleiten – Integrieren“ teil, einem Kooperationsprojekt des Kreisjugendrings mit dem Kreisdiakonieverband. Er möchte mit dessen Unterstützung seinen Schulabschluss nachholen.

Die Mutter des minderjährigen Opfers spricht von schrecklichen Aufnahmen

Die Geschädigte sagte unter Ausschluss der Öffentlichkeit aus. Die öffentliche Verhandlung wurde mit der Aussage der zweiten Zeugin, der Mutter des nun 14-jährigen Mädchens, fortgesetzt. Sie erklärte, ihre Tochter sei noch recht kindlich, sie „spiele“ noch. Den Chatverlauf habe sie beim Checken des Mobiltelefons der Tochter entdeckt. Es seien „schreckliche“ Aufnahmen gewesen. Sie zeigte den Angeklagten daraufhin an und erteilte der damals 13-Jährigen Handyverbot.

Doch die Tochter nahm mit ihrem alten Handy erneut Kontakt zu dem 22-Jährigen auf. Eigentlich habe sie ein gutes Verhältnis zu ihrer Tochter, diese Geschichte stand jedoch einige Zeit zwischen ihnen.

In seiner Einlassung bestätigte der Verteidiger des Angeklagten die Vorgänge im Wesentlichen. Doch das Thema Sex sei in dem Chat nicht die Hauptsache gewesen. Es habe sich eine Online-Beziehung entwickelt und die beiden seien „zusammen eingeschlafen und zusammen aufgewacht“. Das Mädchen habe sich tatsächlich verliebt, was diese in ihrer Aussage offenbar bestätigt hat. Außerdem sei sein Mandant davon ausgegangen, dass seine Chatpartnerin 14 Jahre alt sei. Tatsächlich gibt es im Chatverlauf, aus dem Auszüge verlesen wurden, keinen Hinweis darauf, dass das Alter ein Thema war.

Erzieherische Unterstützung sei nötig

Das Wort hatte nun die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe beim Kreisjugendamt Rems-Murr. Sie stellte die erzieherischen Gesichtspunkte in den Mittelpunkt. Zum Tatzeitpunkt war der Angeklagte Heranwachsender, daher gelte das Jugendstrafrecht. Da der junge Mann nach dem Verlassen der Schule, wo es auch zu Mobbing gekommen sei, jahrelang gar nichts mehr gemacht habe, traue er sich inzwischen nur noch wenig zu. Die Rückzugsmuster haben sich verfestigt, selbst das Busfahren sei ein Problem. Um wieder „ein soziales Wesen wie wir alle“ zu werden, sei eine erzieherische Unterstützung notwendig. Sie schlug deshalb eine Weiterführung des Projekts „Chancen nutzen“ bis zum möglichen Schulbesuch im Herbst vor. Darüber hinaus bot sie selbst Gespräche an. Sie befürwortete außerdem das Absolvieren von Arbeitsstunden, allerdings unter Anleitung von Sozialarbeitern. Das Bundeszentralregister enthält keine Eintragungen bezüglich des Angeklagten.

Staatsanwältin fordert auch Gespräche bei der Jugendgerichtshilfe

Die Staatsanwältin stellte fest, dass sich der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen schuldig gemacht habe, denn das Alter der Geschädigten sei ihm bekannt gewesen. Unter Anwendung des Jugendstrafrechts plädierte sie für zehn Termine bei besagtem Projekt, drei Termine bei der Jugendgerichtshilfe sowie 40 Arbeitsstunden.

Der Verteidiger hingegen plädierte für Freispruch, da der 22-Jährige nicht schuldig im Sinne der Anklage sei. Es gebe keine Belege dafür, dass ihm das Alter seiner Chatpartnerin bekannt gewesen sei, wie diese behauptete. Die Richterin sah das anders. Die Geschädigte sei glaubwürdig, es sei keinerlei Verfolgungseifer bei ihr festzustellen gewesen. So folgte das Gericht der Forderung der Staatsanwaltschaft.