Eigentlich sollte es sommerlich ruhiger werden im parlamentarischen Berlin. Das Kabinett hat aber eine außergewöhnlich volle Tagesordnung – mit Wirkung für viele Bürger.
Das Bundeskabinett hat fast zwei Dutzend Gesetze auf den Weg gebracht.
Von Von den dpa-Korrespondenten
Berlin - Von Rente bis Deutschlandticket: Trotz Sommerpause hat die Bundesregierung fast zwei Dutzend Gesetzentwürfe auf den Weg gebracht, die jetzt in Bundesrat und Bundestag debattiert werden können. "Das ist die Kabinettssitzung mit den meisten beschlossenen Gesetzen in dieser Wahlperiode", sagte ein Regierungssprecher in Berlin.
Eigentlich wollte Bundeskanzler Friedrich Merz schon im Urlaub sein, nun leitete der CDU-Chef aber doch noch die Sitzung mit der Mammut-Agenda. Dass so viele Gesetze auf einmal auf der Tagesordnung standen, liegt nach Angaben aus Regierungskreisen auch an Fristen für den Bundesrat: So können sie bei der nächsten Sitzung im September behandelt werden.
Ein Überblick über die wichtigsten Beschlüsse:
Rentenpaket
Der Bundestag soll bis Jahresende ein Gesetz für stabile Renten und bessere Renten für Millionen Mütter beschließen. Konkret soll das sogenannte Rentenniveau bei 48 Prozent gehalten werden – das beschreibt das Verhältnis einer Standardrente zum aktuellen Durchschnittslohn. Damit fallen die Renten dauerhaft etwas höher aus als ohne die Reform. Zudem bekommen Eltern ab 2027 statt zweieinhalb Jahren bei der Rente drei Jahre Erziehungszeit angerechnet für Kinder, die vor 1992 geboren sind.
Die Verbesserungen sollen mit Milliarden an Steuergeld bezahlt werden – trotzdem müssen sich auch Arbeitnehmer und Arbeitgeber auf etwas höhere Kosten einstellen: Ab 2027 soll der Rentenbeitrag von heute 18,6 auf 18,8 Prozent steigen.
Gaspreis
Die Bundesregierung hat Pläne auf den Weg gebracht, um Unternehmen und Verbraucher von Kosten der Gasspeicherumlage zu befreien. Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sprach von einer Entlastung von rund 3,4 Milliarden Euro. Ein Vierpersonenhaushalt könne damit je nach Verbrauch 30 bis 60 Euro im Jahr sparen. Die Gasspeicherumlage soll künftig vom Bund finanziert werden. Laut Gesetzentwurf macht diese Umlage derzeit für Haushaltskunden rund 2,4 Prozent und für Großkunden rund 5 Prozent des Gaspreises aus.
Deutschlandticket
Beim bundesweit gültigen Nahverkehrsticket droht im kommenden Jahr erneut eine Preiserhöhung. Zwar beschloss das Kabinett, dass sich der Bund auch 2026 mit 1,5 Milliarden Euro an der Finanzierung beteiligen kann. Das Geld reicht nach Angaben aus den Ländern aber nicht aus, um erwartete Mehrkosten auszugleichen und den Preis stabil zu halten.
Bisher geben Bund und Länder jeweils 1,5 Milliarden Euro für das Ticket, um Einnahmeausfälle bei Verkehrsbetrieben abzufedern. Denn die meisten üblichen Pendler-Abos waren zuvor deutlich teurer. Festgeschrieben ist die Finanzierung aber nur noch für 2025. Das Ticket wird nach Branchenangaben von rund 14 Millionen Menschen genutzt und ermöglicht bundesweit Fahrten im öffentlichen Regional- und Nahverkehr. Zu Jahresbeginn war der Preis von 49 auf 58 Euro im Monat angehoben worden.
Pflege
Der Pflegeberuf soll attraktiver werden, dafür sollen Pflegekräfte mehr Kompetenzen bei der Patientenversorgung bekommen. Künftig sollen sie zum Beispiel Wunden versorgen und Diabetes behandeln – Dinge, die bisher nur Ärztinnen und Ärzte dürfen. Außerdem sollen sie sich weniger mit Formularen und Bürokratie beschäftigen müssen und so mehr Zeit für die Pflegebedürftigen haben.
Schwarzarbeit
Im Kampf gegen Schwarzarbeit und Geldwäsche geraten Barbershops, Kosmetik- und Nagelstudios ins Visier. Ihre Beschäftigten sollen für mögliche Kontrollen künftig immer den Personalausweis dabeihaben – ähnlich wie bisher schon in der Baubranche und der Gastronomie.
Außerdem soll die Finanzkontrolle Schwarzarbeit schlagkräftiger gegen schwere Wirtschaftskriminalität und organisierte Kriminalität werden. Geplant sind eine bessere digitale Vernetzung und ein besserer Datenaustausch zwischen Behörden. Um die Justiz zu entlasten, soll die Finanzkontrolle Betrugsfälle selbstständig ahnden können.
Aufbewahrungsfristen
Um großangelegten Steuerbetrug besser aufdecken zu können, sollen Buchungsbelege bei Banken, Versicherungen und Wertpapierinstituten künftig zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Zu viel Bürokratie fürchtet die Bundesregierung dadurch nicht – in den meisten Fällen seien diese Belege ohnehin digital archiviert. Für alle anderen Steuerpflichtigen gilt weiter eine Aufbewahrungsfrist von acht Jahren.
Öffentliche Aufträge
Das Kabinett billigte das Tariftreuegesetz, das gute Arbeitsbedingungen bei großen öffentlichen Aufträgen sichern soll. Bei öffentlichen Aufträgen des Bundes ab 50.000 Euro sollen Firmen ihre Beschäftigten nach Tarifbedingungen bezahlen müssen. Sie müssen damit Entgelt, Weihnachtsgeld, Urlaub und Ruhezeiten wie in branchenüblichen Tarifverträgen gewähren. Aufträge zur Beschaffung für die Bundeswehr sind ausgenommen.
Außerdem soll die Vergabe öffentlicher Aufträge einfacher, schneller und digitaler werden. Dafür sollen Wertgrenzen für Direktaufträge erhöht werden. Ziel ist, dass zum Beispiel Gelder aus dem Sondervermögen für die Instandsetzung der Infrastruktur schnell fließen können.
CO2-Speicherung
Um Klimaziele zu erreichen, will die Bundesregierung eine unterirdische Speicherung des schädlichen CO2 ermöglichen. Dazu soll auch ein Transportnetz ausgebaut werden. Reiche spricht von einem "Meilenstein" auf dem Weg der Dekarbonisierung der Industrie. Es geht dabei vor allem um industrielle Prozesse, in denen sich CO2-Emissionen nicht vermeiden lassen, wie in der Zement-, Kalk- und Aluminiumindustrie.
Merz leitete die Sitzung trotz Urlaubszeit.
Klingbeil und Bas waren bei einer Schwarzarbeits-Kontrolle dabei.