Katzenjammer und Hundeleid

Frau wird vom Backnanger Amtsgericht wegen desaströser Tierhaltung zu Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Als sie zur Schule ging, so erzählt sie, sei sie Außenseiterin gewesen. Tiere um sich zu haben, ist für die 59-Jährige aus dem Raum Backnang, wie sie selber sagt, Familienersatz. Aber nun steht sie vor dem Backnanger Amtsrichter wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. Wie das?

2006 hat sie angefangen. Mit Katzen. Sie hat Katzen gekauft, andere wurden ihr gebracht. Denn sie war als Tierliebhaberin bekannt. Dritte, wie die Bengalkatze, hat sie gezüchtet. Wünsche anderer hat sie erfüllt und Katzen auch wiederum verkauft. Aber diese dann, sofern sie nicht richtig gehalten wurden, mitunter wieder zurückgeholt. Aus der einen Katze wurden viele Katzen. Hunde kamen dazu. Aber sie hatte ja Platz. Zwei Stockwerke in ihrem Haus waren für die Tiere reserviert. Monatlich, so gibt die Frau an, gab sie 1200 Euro für Futter und Katzenstreu aus. Und um die 200 Euro für den Tierarzt. Das geht so lange, bis das Veterinäramt einen anonymen Hinweis erhält. Im Juli 2016 wird die „Tierpension“ besichtigt. Die Kontrolleure finden drei Hunde und zehn Katzen vor. Im Haus überall Tierkot und Urinpfützen. Und ein furchtbarer Geruch. Die Tiere werden beschlagnahmt. Eine Woche später kommen die Kontrolleure wieder. Sie finden zwei Hunde und 16 Katzen vor. Im September des Jahres wird ein dritter Besuch fällig. Dem Veterinäramt ist zugetragen worden, dass die Tierliebhaberin einen Stall angemietet hat. In diesem werden sieben Katzen vorgefunden, in Transportboxen. Offenbar schon vier Wochen vegetieren sie auf engstem Raum vor sich hin.

Bei allen drei Besuchen werden die Tiere in erbärmlichem Zustand angetroffen. Männliche und weibliche Tiere wurden zudem nicht getrennt gehalten, sodass der Bestand durch Jungtiere immer mehr anwuchs. In verschiedenen Tierheimen versucht man, die verwahrlosten Tiere zu retten. Nicht bei allen gelingt dies, einige müssen eingeschläfert werden. Eine Rechnung des Regierungspräsidiums für alle diese Bemühungen steht im Raum. Sie beläuft sich auf 37000 Euro. Die Durchfallerkrankung der Katzen, so gibt die Angeklagte an, habe sie wohl behandelt. Im Internet hat sie sich kundig gemacht, das Medikament bestellt. Die Tierärztin erwidert: Solange die Tiere für die Behandlungsdauer nicht in Quarantäne gehalten werden, stecken sie sich laufend wieder gegenseitig an.

Um 5 Uhr morgens sei sie, so sagt die Angeklagte, aufgestanden, um 1 Uhr nachts erst ins Bett gekommen. Aber dann muss sie immer wieder auch außer Haus gewesen sein. Sie hat mehrere Jobs. Bei aller großen Liebe zur Natur und allen Tieren, wie die Angeklagte immer wieder betont, ist sie dem Chaos in ihren eigenen vier Wänden nicht mehr Herr geworden. Und sich Hilfe zu holen, das hatte sie offenbar nie gelernt.

Der Staatsanwalt hebt in seinem Plädoyer das Leiden der Tiere hervor. Gerade dies wollte der Gesetzgeber durch das Tierschutzgesetz verhindert wissen. Er fordert eine Gefängnisstrafe von einem Jahr auf Bewährung, will zudem ein Tierhalteverbot auf Lebenszeit für die Angeklagte ausgesprochen wissen. Der Verteidiger wirbt um Verständnis. Bar aller menschlicher Kontakte habe seine Mandantin die Tiere als Familienersatz gehalten. Die Sache sei ihr dann über den Kopf gewachsen. Er denkt, man könne es bei einer Geldstrafe für seine Mandantin bewenden lassen. Die Angeklagte sagt in ihrem letzten Wort vor Gericht: Sie liebe Tiere über alles. Nach kurzer Beratungszeit fällt der Richter das Urteil: acht Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung. Dazu das lebenslange Verbot der Tierhaltung. Das Leid der Tiere wiege so schwer, dass eine Geldstrafe auszusprechen utopisch gewesen sei. Wohl sehe er, dass die Angeklagte mit ihrer Situation überfordert gewesen sei. Aber das enthebe sie nicht der Verantwortung. Vor allem habe auch der Kontrolldruck des Veterinäramts nichts bei der Beschuldigten ausgerichtet. Das erfordere eine Strafe, die auf die Angeklagte einwirke. Die Bewährungszeit umfasst zwei Jahre. 200 Euro monatlich hat die Verurteilte zudem ab Rechtskraft des Urteils an den Tierschutzverein zu zahlen.