Kaugummi aus dem Automaten sind noch immer beliebt

Als Opa und Oma noch Kinder waren, gab es sie schon: die typisch rot-weißen Kaugummiautomaten. Sie sind nicht totzukriegen. Warum auch? Die Kids von heute finden die Kästen, die runde Süßigkeiten in allen Farben ausspucken, echt klasse. Ein 20-Cent-Kauvergnügen für 15 Minuten.

Kaugummi aus dem Automaten sind noch immer beliebt

Vinzent, Max, Maya und Emilia (von links) sind schon gespannt, welche Farbe die Kaugummikugel haben wird, die sich Pit gerade für 20 Cent aus dem Automaten angelt. Foto: Alexander Becher

Von Florian Muhl

Rems-Murr. Heißt es eigentlich der Kaugummi oder das Kaugummi? Ist doch egal, sagen sich Emilia, Maya, Vinzent, Max und Pit und drehen am schwarzen Hebel. Für 20 Cent spuckt der Automat eine bunte Kugel aus. „Ich mag am liebsten Banane“, ruft Max. Fast ein wenig enttäuscht blickt der Achtjährige drein, als eine rote Kugel aus dem Ausgabefach herauskullert. „Aber die ist auch gut“, meint der Achtjährige dann doch zufrieden und stellt nüchtern fest: „Man kann sich’s halt nicht aussuchen.“

Dann ist Emilia dran. Münze rein, eine halbe Drehung, dann ist ein „Klack“ zu hören, gleich danach ein „Plopp“. Und schon liegt die nächste Kugel unverpackt zum Hineinbeißen bereit. Diesmal eine blaue. Emilia strahlt. Die anderen lachen. Pit verrät, warum: „Deine Zähne sind ganz blau!“, ruft er und zeigt auf Emilias Mund. In der Tat. Wenn die Neunjährige lacht, erscheinen kornblumenblaue Schneidezähne.

Die Sorte Brombeere macht die Zähne blau

Welche Sorten sind die beliebtesten? Max, Vinzent und Pit überlegen nicht lang. Spontan rufen sie: „Banane.“ Und welche Farbe hat Banane? Blöde Frage. „Gelb, wie immer“, sagt Max. Maya schmeckt „Strawberry“ am besten, also Erdbeere. Und Emilia auch. Die Frage nach der Farbe bleibt diesmal aus. Aber welcher Geschmack macht die Zähne blau? Das ist „Blackberry“, weiß Emilia, also Brombeere.

Bei einer Geschichte über Kaugummis und deren Münzspender sind auch einige statistische Angaben angesagt. Eine nicht repräsentative Umfrage unter fünf Mädchen und Jungen aus Aspach im Alter von sieben bis neun Jahren hat ergeben, dass Kinder Kaugummiautomaten „selten“ bis „einmal die Woche“ ansteuern. Die übliche Verweildauer eines Kaugummis im Mund beträgt zehn bis 15 Minuten. Wobei Vinzent ihn schon mal nach fünf Minuten ausgespuckt hat, wie er sagt. Max meint: „Ich hab ihn oft eine halbe Stunde drin“, worauf seine Schwester Maya sofort protestiert: „Maaax, du hast ihn nie so lange drin!“

Die Kinder haben viele Geschichten zu erzählen

Und was sind die Gründe für das kurze Kauerlebnis? „Manchmal haben die dann keinen Geschmack mehr“, so die Erfahrung von Emilia. Und die Neunjährige fügt noch hinzu: „Weil die Kaugummis so groß sind und deshalb das Kauen so anstrengend für die Kiefer ist.“ Aber dann, wohin damit? „Nicht auf den Boden, dann klebt’s auf deinen Schuhen und in deiner Wohnung fest“, erklärt Max. Und gibt es auch Kinder, die keine Kaugummis mögen? „Ja, bei mir in der Klasse ist ein Mädchen, die findet das eklig, weil das so gummiartig ist“, erzählt Maya. Wo hängen eigentlich Automaten? „Ich kenne gar keinen anderen“, sagt Max. „Doch, bei Oma gibt’s einen“, erwidert seine Schwester, „aber da sind wir selten. Das ist in Sachsen-Anhalt. Und der sieht echt alt aus, also da würd ich echt gar nix rausholen.“ Emilia fällt auch noch eine Geschichte ein: „Bei unserer Oma der, der hat unser Geld verschluckt, der hat nichts rausgegeben, der hat einfach nicht rausgespuckt.“

Die Kids wissen auch, wann aufgefüllt wird. „Wenn die Automaten leer sind, dann machen die bestimmt gleich wieder neue rein“, meint Max. „Ja, aber wer?“, fragt Maya, und sie überlegt: „...die Gemeinde oder... Ich denke, dass sie das so gegen Abend machen.“

„Wir sind in diesem Geschäft seit 36 Jahren und haben nicht vor, aufzuhören“

Einer, der es genau weiß, wie und wann die Automaten befüllt werden, ist Gerhard Jahn. Und zwar deshalb, weil sein Unternehmen aus Ried in der Gemeinde Kammeltal (Kreis Günzburg) eines der wenigen ist, die entsprechende Automaten in Süddeutschland aufstellen. Er hat Tausende davon. Die genaue Zahl hat er nicht im Kopf.

Viele Leute würde es vielleicht wundern, aber Kaugummiautomaten seien noch immer aktuell: „Wir stellen jeden Tag frisch auf und betreiben die. Wir sind in diesem Geschäft seit 36 Jahren und haben nicht vor, aufzuhören“, sagt der 59-Jährige. Und der Unternehmer fügt hinzu: „Der Automat selber erfreut sich bester Beliebtheit, nicht bei den 30-, 40-, 50-, 60-Jährigen, die haben Zigarettenautomaten, die haben Kaffeeautomaten, aber der Sechsjährige, der Achtjährige, Zehn-, Zwölfjährige – das ist unser Klientel. Und die wissen auch genau, wo der Automat ist, was man reinschmeißen muss und was rauskommt.“

Jeder Automat, ob für Zigaretten, Kaffee oder Kondome, habe sich im Lauf der Jahre stark verändert, weiß Jahn. „Der einzige, der geblieben ist, ist der klassische Kaugummiautomat, der an und für sich keine Veränderung erhalten hat die letzten 70 Jahre, als die so nach dem Krieg von Amerika nach Deutschland gekommen sind.“ Die einzige Veränderung sei im Jahr 2002 gewesen, als er die Spender von D-Mark auf Euro beziehungsweise von Pfennig auf Cent habe umrüsten müssen. Mit Stolz sagt der Kammeltaler: „Im Betrieb haben wir noch Automaten und Teile, die 50, 60 und 70 Jahre alt sind.“ Bei diesen Worten muss er lachen. „Sie täten’s nicht glauben, wenn kein Vandalismus ist, wird der nicht so beansprucht, der hält 100 Jahre.“

Wenn der Unternehmer an seine Zielgruppe denkt, kann er spontan die Frage nach den besten Standorten beantworten: „Da, wo Kinder sind und Kinder warten. Bushaltestelle, Kindergarten, Schule, belebte Kreuzungen... Es müssen nicht immer Innenstädte sein. Da haben wir Konkurrenz von Aldi, Lidl und Co.“ Und wie oft wird nun aufgefüllt? „Grundsätzlich wird im Dreimonatsrhythmus angefahren. Das Schwierige dabei ist, die optimale Reihenfolge der vielen Tausend Automaten zu bestimmen, um möglichst rationell und umweltschonend zu fahren.“ Das aber regelt der Computer. „Ich mach mein Geschäft gern“, sagt der ehemalige Polizist, denn: „Ich mach damit Kindern eine Freude.“

Kinder kauten bereits vor 9000 Jahren kaugummiähnliche Produkte

Verkauf Kaugummis aus dem Automaten lassen sich im Sommer besser verkaufen als im Winter. „Am Anfang der Coronapandemie haben wir eine Delle von drei, vier Monaten gehabt, weil niemand aus dem Haus ging und nichts anfassen wollte“, sagt Automatenbetreiber Gerhard Jahn. Danach hätten sich die Verkaufszahlen stark verbessert, weil Kinder in den Sommerferien nicht ins Ausland gefahren seien, sondern zu Hause geblieben wären.

Geschichte Aus archäologischen Funden ist bekannt, dass in der Steinzeit bestimmte Baumharze gekaut wurden. In Nordeuropa wurde Teer mit Zahnabdrücken von vor 9000 bis 4000 Jahren gefunden, bei denen die Zahnabdrücke von 6- bis 15-Jährigen stammten.

Produktion Der erste Kaugummifabrikant war John B. Curtis (USA). Er verwendete ein indianisches Rezept mit Fichtenharz als Grundstoff und Bienenwachs. 1848 begann er mit der Produktion.

Erfolg William Wrigley Jr. wurde ab 1890 zum erfolgreichsten Kaugummifabrikanten der Welt. Seine beliebtesten Sorten waren Juicy Fruit und Spearmint.