Kein Geld für neue Wünsche

Backnang steht finanziell ein schwieriges Jahr bevor: Die Stadt rechnet mit sinkenden Einnahmen, gleichzeitig sind große Investitionen zu stemmen. Die sollen auch über neue Schulden finanziert werden. Der Gemeinderat geht diesen Weg mit.

Kein Geld für neue Wünsche

Weniger Steuereinnahmen und ein drastischen Anstieg der Schulden kennzeichnen den Backnanger Haushalt 2021.

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Ein Loch von 8,75 Millionen Euro im Ergebnishaushalt, das nur mit einem Griff in die Rücklagen gestopft werden kann, sowie 6,7 Millionen Euro neue Schulden – der Haushaltsplan für das Jahr 2021 gibt den Backnanger Stadträten wenig Anlass zur Freude. Trotzdem werden sie dem Zahlenwerk nächste Woche wohl mit großer Mehrheit zustimmen, lediglich die zweiköpfige AfD-Fraktion hat am Donnerstag angekündigt, sich zu enthalten.

Deutliche Kritik an der städtischen Finanzpolitik äußerte auch Charlotte Klinghoffer. Die Sprecherin der Fraktion Bürgerforum/FDP/BIG sprach gar von einem „erweiterten Suizid“. „Das Geld wird rausgehauen, als gäbe es kein Morgen mehr“, so Klinghoffer. Offenbar hoffe man bei der Stadt darauf, dass Bund und Land ihr helfend zur Seite springen, „wenn dann alles in die Hose geht“. Doch darauf sollte man sich lieber nicht verlassen, mahnte Klinghoffer und prophezeite, „dass die Gesamtverschuldung in Anbetracht der Investitionen, die getätigt werden sollen, weit höher liegen wird.“

Die Sprecher von CDU, SPD und Grünen sehen die Finanzlage weniger dramatisch. „Dass die Stadt momentan etwas von ihrer Substanz lebt, muss hingenommen werden“, erklärte SPD-Fraktionschef Heinz Franke, auch der Anstieg der Neuverschuldung sei akzeptabel. „Wir bekommen einiges dafür“, sagte Franke und zählte Großprojekte wie den Neubau der Karl-Euerle-Halle, den Hochwasserschutz oder das Feuerwehrgerätehaus für die südlichen Stadtteile auf. Auch die CDU-Fraktionsvorsitzende Ute Ulfert plädierte dafür, die bereits angestoßenen Projekte fortzusetzen, darüber hinaus sei aber „strikte Sparsamkeit“ angezeigt: „Wünschenswertes muss auf später verschoben werden.“

Dyken hält seine
Rede bei Youtube.

Neben dem Finanziellen nutzen die Fraktionen ihre Haushaltsreden auch, um die eigenen politischen Schwerpunkte zu betonen. So forderte Ulrike Sturm von Bündnis 90/Die Grünen mehr kommunales Engagement beim Klimaschutz: „Tübingen macht es vor“, sagte Sturm und verwies auf das dortige Ziel einer klimaneutralen Stadt bis 2030. „Da wir noch keinen grünen OB haben, sind wir bescheidener: Wir fordern ein klimaneutrales Backnang bis 2035“. Grüne Themen tauchten aber auch in den Reden der anderen Fraktionen auf, etwa bei der CDU, die wie die Grünen weitere Baumpflanzungen im Stadtgebiet fordert. Ute Ulfert regte zudem an, bei der Stadtentwicklung „häufiger Verdichtung in die Höhe einzuplanen“. So bleibe zwischen den Gebäuden mehr Platz für Grünflächen.

Ein zentrales Thema der Debatte war auch die Verkehrspolitik. Heinz Franke (SPD) mahnte hier ein „gesamtstädtische Verkehrsinfrastrukturkonzept“ an. Dies sei von der Verwaltung bereits mehrfach versprochen, aber bis heute nicht vorgelegt worden. Ute Ulfert plädierte für eine „teilweise Ausweisung der Grabenstraße als Fußgängerzone“. Die Zufahrt zu den Parkhäusern müsse aber weiterhin möglich sein. Charlotte Klinghoffer nutzte ihre Haushaltsrede auch, um mit den Coronabeschränkungen von Bund und Ländern abzurechnen. „Durch das Tragen der Masken laufen die Menschen durch die Städte wie Zombies“, erklärte Klinghoffer. Ganze Branchen würden trotz funktionierender Hygienekonzepte an ihrer Berufsausübung gehindert. Für den stationären Einzelhandel und die Backnanger Innenstadt sehe sie rabenschwarz: „Gewöhnt sich der Konsument an die vermeintlichen Vorzüge des Onlinehandels, wird sich dies nicht mehr so einfach zurückdrehen lassen.“

Um die Sitzungsdauer zu verkürzen, hatte der Ältestenrat die Redezeit diesmal reduziert. Einzelstadtrat Voker Dyken von den Backnanger Demokraten durfte überhaupt keine Haushaltsrede mehr halten. Stattdessen stellte Dyken, der im Gemeinderat eine Zählgemeinschaft mit den Grünen bildet, sein Statement als Youtube-Video ins Internet. Darin fordert er eine „neue Bescheidenheit“. Backnang solle sich vom Wachstumsgedanken verabschieden und stattdessen in die kleinen Dinge investieren, die die Lebensqualität von vielen Menschen verbessern. Konkret fordert Dyken, die Stadt solle ihre Bäder wieder selbst betreiben, die Inklusion voranbringen und den Bau eines Skateparks jetzt angehen.

Haushaltsreden und Anträge

Die Haushaltsreden und Anträge der Fraktionen gibt es hier zum Nachlesen.