Kein Hinweis auf Drogenkonsum

Forensisch-toxikologisches Gutachten zieht die Behauptungen des Angeklagten im Strümpfelbach-Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht in Zweifel. Wenig aussagefreudige Zeugen und hitzige Streitgespräche zwischen Verteidiger und Richterin.

Kein Hinweis auf Drogenkonsum

Ein Gutachten stützt im Strümpfelbach-Prozess die Aussagen des Angeklagten nicht, er habe bei der Tat unter Drogeneinfluss gestanden. Symbolbild: Bilderbox E. Wodicka

Von Lorena Greppo

BACKNANG/STUTTGART. Dass die Neuauflage des Prozesses um den Tod der Backnangerin Katharina K. für die Beteiligten ermüdend ist, war am gestrigen Verhandlungstag am Stuttgarter Landgericht deutlich spürbar. Gereizte Nachfragen an wenig aussagefreudige Zeugen und hitzige Streitgespräche zwischen Verteidiger und Richterin bestimmten Teile der Verhandlung. Im Kontrast dazu wurde die wohl neuste und wichtigste Information nüchtern und sachlich vorgetragen: der Befund des forensisch-toxikologischen Zentrums in München zur Haarprobe des Angeklagten Daniel E. Dieser brachte insofern neue Erkenntnisse, da der 25-Jährige in seiner Einlassung zu Beginn des Prozesses behauptet hatte, vor der Tat regelmäßig Aufputschmittel und Kokain konsumiert zu haben.

Da in der zweiten Auflage der Verhandlung lediglich die Motivlage, nicht aber das äußere Geschehen aufgearbeitet wird, spielt eine mögliche Wirkung von Drogen auf den Angeklagten eine große Rolle. Ursprünglich war er nämlich wegen Mordes verurteilt worden, der Richter hatte eine Tat im Affekt ausgeschlossen. Eine gesteigerte Aggressivität durch Drogen könnte Totschlag hingegen wahrscheinlicher wirken lassen.

Nur: Diese Behauptung kann das Gutachten aus München nicht stützen. Die Haarprobe, welche Daniel E. am 21. November 2017, also bei seiner Festnahme knapp zwei Wochen nach der Tat, entnommen wurde, sei auf diverse Stoffnachweise untersucht worden, hieß es. Die Vorsitzende Richterin Ute Baisch listete diese minutenlang auf, Kokain, Heroin, Morphin, Opioide und Amphetamine waren ebenso darunter wie Halluzinogene, Hypnotika und Ketamine. Das Ergebnis: „Die Untersuchungen verliefen negativ.“ Das schließe zwar einen Drogenkonsum nicht vollständig aus, für weitergehende Untersuchungen habe aber nicht genügend Haarmaterial vorgelegen.

Verteidiger hält den Beweiswert des Gutachtens für „überschaubar“.

Immerhin: Die Haarlänge von etwa einem halben Zentimeter lasse Rückschlüsse auf den Zeitraum von anderthalb bis drei Wochen vor der Entnahme zu – darunter fällt in etwa auch die Tatnacht. Verteidiger Markus Bessler bezeichnete den möglichen Beweiswert des Gutachtens als überschaubar, schließlich habe sich die Erklärung seines Mandanten auf den gesamten Zeitraum der Beziehung bezogen und die Haarprobe sei schließlich erst einige Tage nach der Festnahme entnommen worden.

Auch die Zeugen, welche gestern vor Gericht erneut aussagten, stützten die Angaben Daniel E.s nicht. Als strukturiert, routiniert und wohlüberlegt in seinem Tun beschrieb ihn ein Polizeibeamter, der ihn in anderer Sache vernommen hatte. Ein Nachbar gab an, dass er öfters zu Daniel E. gesagt habe: „Trinken wir doch mal ein Bier zusammen.“ Dieser habe jedes Mal abgelehnt. Überhaupt habe er ihn nie trinken oder andere Drogen konsumieren sehen. Hingegen habe es zwischen Daniel E. und Katharina K. oft Streit gegeben, berichtet eine andere Nachbarin. Und auch Katharinas Bruder bestätigte dies. Ihm gegenüber habe die damals 22-Jährige gesagt: „Daniel ist krank. Er hat seine Aggressionen einfach nicht im Griff.“ Auf die Frage der Richterin, ob Katharina Angst vor dem Angeklagten gehabt habe, antwortete ihr Bruder ganz klar mit Ja. „Das hat man ihr auch angemerkt“, fügt er an.

Diesen Eindruck teilte auch einer der Polizeibeamten, der die junge Frau unter anderem bei einer Hausdurchsuchung angetroffen hat, als es um Betrugsvorwürfe gegen Daniel E. ging. Wie angewurzelt habe sie damals in der Ecke gestanden, berichtet der Beamte. „Mir schien es, als hätte sie die Maßgabe bekommen, ja nichts zu sagen.“ Schüchtern und zurückhaltend habe er sie auch zum Zeitpunkt der Verhandlung in gleicher Sache erlebt. Das sei noch mehr aufgefallen im Kontrast zum Angeklagten. Dieser habe stets die Gesprächsführung übernommen und einen selbstsicheren Eindruck vermittelt. Im Vorfeld des Betrugsverfahrens habe er Aussagen getätigt wie „Mir wird eh nichts passieren“.

Verschärft habe sich der Eindruck, als im Juni 2017 Katharina K. bei dem Beamten angerufen hat. Sie berichtete von einem gewalttätigen Übergriff Daniel E.s auf sie. Er habe sie gewürgt und versucht, in ihre Wohnung einzudringen. Unter anderem hat sie Fotos von den Würgemalen an ihrem Hals gemacht und dem Beamten zukommen lassen. Auch hatte sie den Verdacht, Daniel E. habe sich eine Waffe besorgt. Die junge Frau, so der Eindruck des Ermittlers, habe sehr aufgeregt und verunsichert gewirkt. Erneut fragte Richterin Baisch: „Hatte sie Angst?“ Und auch dieser Zeuge antwortete klar: „Ja, definitiv.“

Immer wieder weisen die Zeugen auf die zwei Seiten des Angeklagten hin. So aufbrausend und einschüchternd Daniel E. werden konnte, wenn es nicht nach seinem Kopf ging, so ruhig und berechnend war er demnach, wenn er die Situation unter Kontrolle zu haben glaubte. Ein anderer Ermittler berichtete davon, den Angeklagten im Nachgang der Tat vernommen zu haben. Redegewandt habe er ihn in Erinnerung, auffallend ruhig. Er habe schon viele Verdächtige und Täter in Tötungsdelikten vernommen, erklärte der Zeuge, aber die Reaktion Daniel E.s sei ungewöhnlich gefasst gewesen. „Er hatte auf die Fragen immer eine adäquate Antwort.“ Und weil er so gesammelt gewirkt hat, habe man auch keinen Anlass gesehen, den zu jenem Zeitpunkt bereits Verdächtigen einer Blutprobe zu unterziehen. Anzeichen, die für einen Drogen- oder Medikamenteneinfluss sprechen, konnten die Beamten auch zu jenem Zeitpunkt nicht wahrnehmen.

Die Verhandlung wird an diesem Freitag, 26. Juni, fortgesetzt.