Bei Zöliakie darf kein Milligramm Gluten ins Essen

Heute ist der Welt-Zöliakie-Tag. Zöliakie ist eine sehr ernst zu nehmende Krankheit und darf nicht mit einer simplen Glutenunverträglichkeit verwechselt werden. Jeder 100. Mensch in Deutschland gilt als betroffen. Yvonne und Elisa Bader aus Auenwald sind es auch. Sie berichten.

Bei Zöliakie darf kein Milligramm Gluten ins Essen

Hendrik Bader nimmt den einen Toaster, Schwester Elisa den anderen. Fotos: Alexander Becher

Von Florian Muhl

Auenwald. Besuch bei Familie Bader: Die vierköpfige Familie wohnt in Lippoldsweiler. Der Tisch ist reich gedeckt. Genauer gesagt: reichlich bedeckt. Unterschiedlichste Lebensmittelpackungen liegen bereit: Mehl, Nudeln, Kekse, Suppenpulver. Allen gemeinsam ist: Sie enthalten kein Gluten. Zu erkennen ist das am speziellen Prüfsiegel der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft (DZG) auf der Packung, der durchgestrichenen Ähre. „Bei uns ist es so: Wir sind zu viert“, erklärt Yvonne Bader. „Meine Tochter und ich sind eingeschränkt, mein Mann und mein Sohn haben keine Probleme.“ Auch wenn die 51-Jährige weiß, dass es sich bei Zöliakie um eine sehr ernst zu nehmende Krankheit handelt, spricht sie lieber von Einschränkung oder Autoimmunreaktion im Körper oder auch von Unverträglichkeit.

„Trotzdem, ehrlich gesagt haben wir Glück, dass es bei uns zwei in der Familie getroffen hat. Andere wie eine Freundin von mir haben Zöliakie und sind ganz alleine“, wirft die 17-jährige Tochter Elisa ein. Die Mutter stimmt zu: „Geteiltes Leid ist halbes Leid.“ Überhaupt ist die Diplomverwaltungswirtin (FH) sehr froh darüber, dass ihr Mann Thomas Bader und ihr Sohn Hendrik volles Verständnis haben und alles dafür tun, dass der Haushalt, das Einkaufen sowie das Kochen und das Backen so reibungslos wie möglich erledigt werden.

Zwei Toaster, einer für die Frauen und der andere für die Männer

Aber ganz einfach ist das nicht. „Ich sage immer: Wir haben quasi einen doppelten Haushalt. Wir haben vieles doppelt, beispielsweise Toaster, weil man halt streng darauf achten muss, dass man das eine nicht mit dem anderen vermischt“, meint Hendrik. Zwei Toaster? Die Mutter erklärt: „Wenn Elisa und ich toasten, dürfen wir das Brot nicht in den allgemeinen Toaster stecken, weil das ja Kontaminationsprobleme gibt.“ Kontamination hört sich gefährlich an. So bezeichnet man in der Medizin die unerwünschte Verunreinigung von Flächen durch beispielsweise Toxine.

Deswegen gibt es im Haushalt Bader viele Dinge, die beachtet werden müssen, die sich aber im Lauf der Jahre eingespielt haben. So sind beispielsweise zwei Nutella-Gläser gleichzeitig im Gebrauch. Auf einem davon steht mit dickem Filzer „Gluten“ auf dem Deckel geschrieben. Ebenso gibt es zwei Töpfe auf dem Herd. „Wir kochen meistens so, dass es jeder essen kann, also beispielsweise Fleisch und Gewürze und Soßen, die glutenfrei sind, bloß die Nudeln werden für uns Frauen dann extra gekocht“, erklärt Yvonne Bader. Wegen der Kontaminationsgefahr darf man dann auch nicht mit demselben Löffel ins Nudelwasser beider Töpfe eintauchen. „Alles, was aus Mehl ist und mit den klassischen Mehlsorten zu tun hat, können wir nicht essen. Deswegen wird man uns auch nicht beim Bäcker antreffen, weil’s halt beim Bäcker tatsächlich nichts für uns gibt“, sagt die 51-Jährige.

Vor über zehn Jahren zeigten sich die Symptome

Rückblick: Es ist jetzt über zehn Jahre her, da hat Yvonne Bader bei sich Veränderungen festgestellt. „Ich hab gemerkt, dass ich müde und unkonzentriert bin.“ Sie ging zu ihrem Hausarzt. Nach einem Blutbild war klar: Wichtige Nährstoffe wurden nicht oder zu wenig aufgenommen und es gab bereits Abwehrkörper. Bei der folgenden Darmspiegelung wurde die Entzündung im Dünndarm festgestellt (siehe Infotext).

Für die Mutter zweier Kinder war Zöliakie bis dahin ein Fremdwort. „Als ich das erfahren hab’, ist erst mal ein Stück weit die Welt zusammengebrochen, weil der Arzt schon gesagt hat, was ich plötzlich nicht mehr essen darf.“ Ihr erster Gedanke: Jetzt wirds sportlich. „Du fängst ja dann bei null an. Du kennst niemanden, du weißt nichts.“

Der erste Weg führte damals gleich ins Reformhaus. „Wir haben uns durchs Sortiment durchgewurschtelt. Zum Schluss hatten wir so ne Art Hamsterkauf gemacht.“ Hendrik erinnert sich. „Das hat alles das Vier- oder Fünffache von den normalen Produkten gekostet“, sagt der heute 20-Jährige. Die Preise seien immer noch hoch, aber es hat sich seitdem doch viel geändert. „Heute gibts die glutenfreien Sachen im Edeka oder Lidl, in jedem Supermarkt in speziellen Regalen.“

Bei Elisa wurde kurz vor der Einschulung eine Auffälligkeit festgestellt

Weil Zöliakie vererbt werden kann, hatte der Hausarzt damals gleich zur Blutuntersuchungen aller Familienmitglieder geraten. Auch bei Elisa wurde kurz vor ihrer Einschulung eine Auffälligkeit festgestellt. Dann bei einer Darmspiegelung im Olgäle die Gewissheit: Zöliakie. Dort gab es eine spezielle Beratung, wie man mit dieser Einschränkung mit Kindern umgeht. Im Olgäle erfuhr die Mutter auch von der DZG und wurde gleich Mitglied im Verein. „Das hat uns sehr geholfen“, sagt sie heute, nicht nur das reichliche Infomaterial und Gesprächsgruppen mit Gleichgesinnten, sondern auch das Heftchen „Bitte an den Koch“. Das ist nützlich für den Urlaub, weil jeweils in der Landessprache erklärt wird, was Betroffene essen dürfen und was nicht.

Apropos Urlaub: „Bei allen Vorsichtsmaßnahmen passiert dann doch auch mal was“, erinnert sich Yvonne Bader schmunzelnd an eine Begebenheit. „Wir waren in England und haben glutenfreien Toast gekauft. Und der ist so gut, dass mans tatsächlich nicht von dem anderen unterscheiden konnte. Und morgens in der Hektik hat Elisa das falsche Toastbrot gegessen. Na ja..., dann geht das Elend los. Dann muss man die Keramikabteilung aufsuchen.“

Zöliakie – Fragen und Antworten

Unverträglichkeit Zöliakie ist eine chronische Systemerkrankung und zählt zu den Autoimmunerkrankungen. Sie beruht auf einer Unverträglichkeit gegenüber dem Klebereiweiß Gluten, das in den Getreidesorten Weizen, Roggen, Dinkel und Gerste vorkommt.

Mangelerscheinungen Im Dünndarm von Betroffenen verursacht Gluten Entzündungen der Dünndarmzotten, die für die Nährstoffaufnahme zuständig sind. Dadurch bilden sich die Darmzotten zurück. So ist die Nährstoffaufnahme durch den Dünndarm vermindert. Die Folge sind Mangelerscheinungen in unterschiedlicher Form.

Symptome Die klassischen Symptome sind Durchfall und Bauchschmerzen. Doch es gibt zahlreiche weitere Symptome, die durch Mangelversorgung des Körpers auftreten können. Eisenmangel, Wesensveränderungen wie Unzufriedenheit oder Weinerlichkeit sowie stagnierendes Wachstum sind typische Anzeichen im Kindesalter. In späteren Jahren können Osteoporose, Schlaflosigkeit, Müdigkeit, Depressionen oder gar Unfruchtbarkeit und Krebs auftreten. Die Symptome können sich im Verlauf der Krankheit verändern.

Diagnose Die Diagnose wird vom Facharzt anhand eines Bluttests in Kombination mit einer Dünndarmbiopsie gestellt, bei der eine Gewebeprobe entnommen wird.

Behandlung Gegen Zöliakie gibt es keine Medikamente. Die einzige Therapie ist eine lebenslange streng glutenfreie Ernährung. Nur so kann sich die Dünndarmschleimhaut regenerieren und eine normale Nährstoffaufnahme gewährleisten. In den meisten Fällen tritt bereits wenige Wochen nach der Ernährungsumstellung eine Besserung ein.

Informationen Weitere Infos gibt es bei der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft (DZG), Telefon: 0711/459981-0, E-Mail: info@dzg-online.de, Internet: dzg-online.de.