Razzia auch in Baden-Württemberg

Keine Steuern – ein „Königreich“ wie ein Paradies

Der Bundesinnenminister hat den Verein „Königreich Deutschland“ verboten. Am Dienstag gab es bundesweit Durchsuchungen, auch in Baden-Württemberg. Wie groß ist hier die Szene und wie ticken die Mitglieder?

Keine Steuern – ein „Königreich“ wie ein Paradies

Die Polizei durchsucht am Dienstag ein Gebäude in Thüringen.

Von Jürgen Bock

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat den Verein „Königreich Deutschland“ (KRD) verboten. Zweck und Tätigkeit des größten Vereins aus der Reichsbürger- und Selbstverwalter-Szene liefen „den Strafgesetzen zuwider und richten sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie den Gedanken der Völkerverständigung“, erklärte das Ministerium am Dienstagmorgen in Berlin. Die Anhängerinnen und Anhänger leugneten die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und errichteten selbst „pseudostaatliche Strukturen und Institutionen“, so die Bundesanwaltschaft.

Laut Ministerium ist das „Königreich Deutschland“ 2012 in Wittenberg von dem als „Obersten Souverän“ geltenden Peter F. ausgerufen worden. Der Verein gilt als derzeit mitgliederstärkste Vereinigung im Spektrum der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter in Deutschland. Sie verneinen die Existenz der Bundesrepublik und lehnen deren Rechtssystem ab. Das „Königreich Deutschland“ betrachtet sich als „Gegenstaat“ unter monarchisch-absolutistischer Führung F.s mit eigener Rechtsprechung. Rund 1000 Mitglieder sollen bundesweit zur Vereinigung gehören, allerdings sprach der Verein selbst offenbar auch schon von 6000 Anhängern.

Ein „König“ als Staatsoberhaupt

„König“ Peter F. allerdings muss erst einmal aus dem Gefängnis weiterregieren. Er ist am Dienstag genauso festgenommen worden wie drei weitere Männer. Laut Bundesanwaltschaft wurden die Haftbefehle gegen die führenden Köpfe der Gruppe in den Landkreisen Bad Dürkheim (Rheinland-Pfalz), Mittelsachsen (Sachsen) und Oder-Spree (Brandenburg) vollstreckt.

Zugleich gab es dort, aber auch an anderen Adressen Durchsuchungen. Insgesamt waren sieben Bundesländer betroffen, zudem die Wohnung eines weiteren Beschuldigten im Kanton Solothurn in der Schweiz. Die Beschuldigten seien dringend verdächtig, sich „als Rädelsführer in einer kriminellen Vereinigung mitgliedschaftlich betätigt zu haben“, so die Bundesanwaltschaft. Peter F. werden zusätzlich unerlaubte Einlagen- und Versicherungsgeschäfte vorgeworfen.

Auch im Südwesten ist die Gruppierung vertreten. In Baden-Württemberg hat es am Dienstag ebenfalls eine Durchsuchung gegeben – in Mainhardt im Landkreis Schwäbisch Hall. In den frühen Morgenstunden durchsuchten dort Kräfte der Polizeipräsidien Aalen und Stuttgart sowie des Polizeipräsidiums Einsatz und der Bundespolizei das Wohngebäude einer Führungsperson des Vereins. Festnahmen oder Waffenfunde gab es dort nach Angaben eines Sprechers des Innenministeriums nicht. Man habe Beweismittel gesichert.

Das Landesamt für Verfassungsschutz geht aktuell von einer dreistelligen Zahl an Unterstützern in Baden-Württemberg aus. Die Anhängerschaft organisiert sich demnach in Regionalgruppen, unter anderem im Raum Stuttgart, Heilbronn/Schwäbisch-Hall, Ulm, Freiburg/Südbaden und Bodensee. Es würden auch gezielt kleine und mittelständische Unternehmen angeworben. In Baden-Württemberg seien rund 20 solche Betriebe bekannt, von denen einige auch auf dem KRD-Onlinemarktplatz „KadaRi“ („Kauf das Richtige“) aktiv seien.

Das passt zur Strategie der Gruppe, eine Art Parallelstaat aufzubauen. Dazu gehören ein eigenes Bank- und Versicherungssystem, ein „Meldeamt“ mit fiktiven Ausweisdokumenten und eine eigene Währung. Mitglieder weisen sich immer wieder wie selbstverständlich mit ihrer „KRD-Identitätskarte“ aus. Die Bank- und Versicherungsgeschäfte halfen bei der Geldbeschaffung, weitere Mittel flossen als Spenden oder Einnahmen aus Seminaren, so die Verfassungsschützer.

Interessenten – Unternehmen wie Privatpersonen – macht die Gruppe eine Mitgliedschaft mit großen Versprechungen schmackhaft. Im „Königreich“ müssten zum Beispiel keine Steuern an die Bundesrepublik gezahlt werden. Geschäfte seien ebenso steuerfrei. Auch Sozialabgaben seien nicht oder nur in geringem Umfang zu bezahlen. Am deutschen Staat wird kein gutes Haar gelassen. Dabei fehlt es auch nicht an verschwörungstheoretischen Elementen: Die staatlichen Institutionen Deutschlands und anderer Länder würden als „satanisch unterwandert“ oder „von jüdischen Clans gelenkt“ dargestellt, so der Verfassungsschutz.