Kiloweise Kokain in der Altstadt verkauft

Achtköpfige Bande aus Bulgarien soll die Rotlichtszene mit Stoff versorgt haben

Von George Stavrakis

Prozess - Acht Männer müssen sich seit Mittwoch vor dem Landgericht wegen Kokainhandels in großem Stil verantworten. Der mutmaßliche Chef soll sich mit den Gewinnen aus dem Drogengeschäft ein Luxushaus in Bulgarien gebaut haben.

Stuttgart Acht Männer müssen sich seit Mittwoch vor dem Landgericht wegen Kokainhandels in großem Stil verantworten. Der mutmaßliche Chef soll sich mit den Gewinnen aus dem Drogengeschäft ein Luxushaus in Bulgarien gebaut haben.

Der Weg war nicht weit. Raus aus dem Bordellzimmer oder aus der Bar, schnell über die Straße, und schon konnte man die Plombe mit einem halben Gramm Kokain für 50 Euro bei einem der in der Szene bekannten Straßenverkäufer bekommen. Dutzende Male pro Tag ging das so im vergangenen Jahr in der Stuttgarter Altstadt.Die Polizei hatte dem kriminellen Treiben nach akribischer Aufklärungsarbeit Ende August 2018 ein Ende gesetzt.Jetzt stehen acht Bulgaren wegen Drogenhandels vor der 5. Strafkammer des Landgerichts, darunter der mutmaßliche Kopf der Bande.

Die Strukturen der straff geführten Bande muten durchaus bemerkenswert an. Da gibt es einen 37-jährigen Bulgaren, der der Chef sein soll, seinen 55-jährigen Onkel als dessen Statthalter, es gibt einen Logistiker, Bodyguards, Lageristen und eben die sogenannten Läufer, sprich Straßenverkäufer. Das Kokain soll der mutmaßliche Drogenboss von Lieferanten aus Waiblingen und Fellbach bezogen haben. Auch diese zwei Männer und eine Frau sind im August 2018 festgenommen worden.

Die zwei 20 und 29 Jahre alten mutmaßlichen Drogenlieferanten aus dem Rems-Murr-Kreis stehen von 30. April an vor einer Jugendstrafkammer des Landgerichts Stuttgart. Ende 2017 sollen sich die vor der 5. Strafkammer angeklagten Männer, von denen die meisten aus einem Ort im östlichen Bulgarien stammen, als Bande zusammengeschlossen haben. Die meisten geben vor Gericht an, sie hätten in Stuttgart im Hotel gewohnt. Lediglich der mutmaßliche Boss soll eine Wohnung in der Altstadt, ein 36-jähriger Mitangeklagter eine Wohnung in der Innenstadt gehabt haben.

Der Straßenhandel sei professionell organisiert gewesen, stellt die Staatsanwältin fest. Der 37-Jährige habe das Kokain besorgt, habe die Preise festgelegt und den Läufern ihre Verkaufsstandorte zugewiesen. Er habe auch darüber gewacht, dass seine Leute ausschließlich für ihn arbeiten. Sein Onkel vertrat ihn, wenn der Boss unterwegs war.

Eine Plombe mit 0,5 Gramm Kokain war für 50 Euro zu haben, wovon der Chef zunächst 40 Euro einkassiert haben soll. Besonders bewährten Verkäufern nahm er später nur noch 35 Euro pro verkaufter Plombe ab. Der Straßenverkauf lief im Zweischichtbetrieb – von 7 bis 19 Uhr und von 19 bis 7 Uhr. Damit war eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung der Prostituierten, der Freier und all der anderen Altstadtbesucher gesichert.

Die Läufer wurden laut Anklage auf Abruf mit Kokainplomben versorgt. Der fertig verpackte Stoff wurde in einem Hotelzimmer oder an einem speziellen Bunkerplatz gelagert. Brauchte ein Verkäufer Ware, gab er per Handy Bescheid und wurde prompt beliefert. So habe man die Gefahr, von der Polizei erwischt zu werden, vermindern ­wollen.

Am 21. Februar 2018 hat dieses System offensichtlich versagt. Ein Mann kaufte zwei Plomben mitKokain– dieser Kunde war eine sogenannte Vertrauensperson der Kriminalpolizei, ein Informant. Spätestens von diesem Zeitpunkt an hatten die Ermittler die Bande auf dem Schirm.

Doch um der ganzen Gruppe inklusive des Bosses habhaft werden zu können, musste umfangreich ermittelt werden. Unter anderem wurden die Telefonate abgehört. Deshalb kann die Staatsanwältin am ersten Prozesstag auch 142 Einzeltaten auf die Minute genau auflisten.

Der 37-jährige Bulgare, der der Kopf der Bande sein soll und der seit 23. August 2018 in Untersuchungshaft sitzt, hat offenbar prächtig verdient. Er habe sich mit den Gewinnen aus dem Drogenhandel in der Heimat ein „schlossähnliches Haus“ gebaut und in Gold investiert, sagt die Staatsanwältin. Die Rede ist von mehreren Hunderttausend Euro.

Der Prozess, der am 8. Mai fortgesetzt werden soll, ist bis Ende Juli terminiert. Es könnte allerdings auch schneller gehen. „Ich werde mit allen Prozessbeteiligten ein Rechtsgespräch führen“, kündigt Volker Peterke, Vorsitzender Richter der 5. Strafkammer, an. Offenbar hat es vonseiten der Verteidigung entsprechende Signale ge­geben.https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-polizei-stoppt-kokainzufuhr-fuers-staedtle.4db76476-95ed-4af7-9d5e-70c8b1e96a3e.htmlhttps://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.landgericht-stuttgart-kurioser-drogenprozess-kampfhund-und-kokain-im-auto.07a0d521-6197-4838-a035-19848bb43930.html