Kinder müssen teils monatelang auf Schwimmkurse warten

dpa/lsw Stuttgart. In Baden-Württemberg ist ein Kampf um die Wasserfläche entbrannt. Denn es gibt immer weniger Bäder. Die Folge: Wer seinem Kind einen Schwimmkurs ermöglich will, muss mit langen Wartezeiten rechnen.

Kinder müssen teils monatelang auf Schwimmkurse warten

Ein Kind nimmt an einem Schwimmkurs teil. Foto: Rolf Vennenbernd/Archivbild

Marode, geschlossen oder überfüllt: Experten sehen ein wachsendes Problem darin, dass es immer weniger Bäder in Baden-Württemberg gibt und die Bäder weniger Zeiten zum klassischen Schwimmenlernen reservieren. Mittlerweile müssen Eltern und Kinder zum Teil länger als ein Jahr auf einen Schwimmkurs warten. Für den Unterhalt von Bädern sind eigentlich die Kommunen zuständig. Die aber rechnen mit weiteren Bäderschließungen und erwarten vom Land eine finanzielle Unterstützung für Sanierungen. Das wurde am Donnerstag bei einer Anhörung im Bildungsausschuss des Landtags deutlich.

Die Schwimmverbände und der Verband DLRG fragten in diesem Sommer unter etwa 250 Vereinen, wie lange man dort auf die Teilnahme an einen Schwimmkurs warten muss. Das Ergebnis: Rund 40 Prozent gaben an, dass es bei ihnen Wartezeiten gebe, die länger als ein Jahr seien. Jeweils 30 Prozent gaben Wartezeiten von 6 bis 12 Monaten beziehungsweise von bis zu 3 Monaten an. Der Geschäftsführer des Badischen Schwimm-Verbandes, Holger Voigt, erklärte, es gebe zu wenig Wasserfläche zum Schwimmenlernen. Dabei spiele die Schließung von Bädern eine Rolle, aber auch der Trend zur Wassergymnastik und zu anderen Angeboten in Bädern, die Wasserfläche blockierten.

Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte zu dem Thema kürzlich die Ergebnisse einer Umfrage veröffentlicht. Demnach gibt es an rund einem Viertel der Grundschulen im Land keinen Schwimmunterricht - vor allem deshalb, weil kein Bad in der Nähe ist. Eisenmann ist aber auch der Meinung, dass es Aufgabe der Eltern ist, Kindern das Schwimmen beizubringen. „Die Schule ist dafür zuständig, Schwimmen zu üben.“ So hatte die Bildungsgewerkschaft GEW wiederholt darüber geklagt, dass ein großer Teil der Grundschulkinder nicht schwimmen könne.

Wie die Vizepräsidentin des DLRG Württemberg, Ursula Jung, sagte, beobachtet der DLRG seit Jahren, dass die Zahl der sicheren Schwimmer abnimmt, während die Zahl der Ertrunkenen steigt. Im vergangenen Jahr kamen nach DLRG-Angaben in ganz Deutschland 71 Kinder durch Ertrinken ums Leben. Jung vermutete, dass die abnehmende Zahl von Bädern dabei eine Rolle spielen könnte: Im Jahr 2007 habe es noch rund 8000 Bäder in ganz Deutschland gegeben, 2018 seien es nur noch rund 5000 gewesen. In Baden-Württemberg gibt es derzeit noch rund 900 Bäder.

Nach Voigts Worten könnten und wollten viele Vereine mehr Schwimmunterricht anbieten, wenn es denn die Wasserfläche gebe. Norbert Brugger vom Städtetag Baden-Württemberg rechnete aber damit, dass sogar noch mehr Bäder schließen müssen. Wie Brugger erklärte, gaben 15 Prozent von 464 befragten Bädern im Südwesten an, dass es bei ihnen eine Diskussion um eine mögliche Schließung gebe. Bei der Hälfte der befragten Bäder stünden in den nächsten Jahren Sanierungen an. Brugger forderte eine finanzielle Beteiligung des Landes bei Sanierungen von Bädern in „Notstandsgebieten“. Eisenmann zeigte sich zurückhaltend. Sie verwies auf die derzeit laufenden Verhandlungen zum neuen Doppelhaushalt des Landes für die Jahre 2020/2021.

Aber nicht nur fehlende Wasserflächen sind ein Problem. Der Vorsitzende des Landeselternbeirates, Carsten Rees, verwies darauf, dass auch Sportlehrer fehlten, die für Schwimmunterricht in Grundschulen die passende Ausbildung hätten. „Wir haben einen exorbitanten Mangel.“ Eisenmann sagte, dass Quereinsteiger auch in dem Bereich infrage kämen. „Das werden wir jetzt öffnen.“