Kita-Notstand: Stadt will größere Gruppen

Backnang kann Betreuungsbedarf im kommenden Jahr nicht decken – OB Nopper will vorübergehend mehr Kinder aufnehmen

Die Stadt Backnang kommt beim Ausbau der Kinderbetreuung nicht hinterher. Obwohl bereits viele Millionen Euro investiert wurden und im kommenden Jahr 50 weitere Kindergartenplätze entstehen, fehlen immer noch rund 100 Plätze, um den Bedarf für 2020 zu decken. Jetzt hofft man im Rathaus, dass das Land einer vorübergehenden Aufstockung der Gruppen um jeweils zwei Kinder zustimmt.

Kita-Notstand: Stadt will größere Gruppen

Der Backnanger Waldkindergarten – hier ein Foto aus dem Sommer – ist bei den Eltern sehr beliebt. Deshalb wird im kommenden Jahr eine zweite Gruppe eingerichtet.Archivfoto: A. Becher

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Allein in den letzten zwei Jahren sind in Backnang 14 neue Kita-Gruppen an den Start gegangen, vier weitere Gruppen werden im kommenden Jahr hinzukommen. So wird der bisher eingruppige Waldkindergarten um eine zweite Gruppe erweitert, zehn zusätzliche Plätze entstehen in der Kita Lindenstraße und zwei Gruppen für insgesamt 20 Kinder unter drei Jahren gehen im VHS-Gebäude in der Bahnhofstraße in Betrieb. Der große Vorteil: Die insgesamt 50 neuen Plätze lassen sich schnell und ohne große Investitionskosten einrichten, weil entweder bereits vorhandene Räume genutzt werden oder beim Waldkindergarten nur ein Bauwagen als Basislager benötigt wird. Die zusätzlichen Personalkosten könne man wohl mit erhöhten Zuschüssen aus dem kommunalen Finanzausgleich decken, erklärte Erster Bürgermeister Siegfried Janocha am Donnerstagabend im Gemeinderat.

So weit, so gut, allerdings ist der Bedarf an Kindergartenplätzen damit noch längst nicht gedeckt. Denn die Geburtenzahlen sind laut Janocha auf einem hohen Niveau, außerdem wächst durch die rege Bautätigkeit in der Stadt die Einwohnerzahl und damit auch die Zahl der Kinder. Und schließlich will die Landesregierung ab dem kommenden Schuljahr den Einschulungsstichtag schrittweise vom 30. September auf den 30. Juni vorverlegen. In Backnang werden dadurch laut Janocha pro Jahr rund 40 Kinder in den Kitas bleiben, die bisher schulpflichtig geworden wären. Alles in allem fehlen deshalb zwischen 80 und 100 Betreuungsplätze. Wobei man noch froh sein kann, dass die Betreuungsquote bei den unter Dreijährigen in Backnang nur bei 21 Prozent liegt. Sollte die Nachfrage hier steigen und sich dem bundesweiten Schnitt von 34 Prozent annähern, wäre die Lücke noch größer.

Kultusministerin Eisenmann reagiert skeptisch

Für Oberbürgermeister Frank Nopper steht fest, dass es nur eine Möglichkeit gibt, um den Bedarf kurzfristig zu decken: „Wir müssen die Gruppengrößen vorübergehend erhöhen.“ Zusammen mit anderen Städten und Gemeinden fordert Backnang, dass das Kultusministerium, befristet auf drei Jahre, eine Aufstockung um jeweils zwei Kinder genehmigt. Eine Gruppe für über Dreijährige könnte dann 27 statt 25 Kinder aufnehmen, in den Krippen wären es zwölf Kinder statt bisher zehn. In Backnang stünden so auf einen Schlag insgesamt 130 weitere Plätze zur Verfügung und die Stadt hätte Zeit gewonnen, um weitere Kindergärten zu erweitern oder neu zu bauen.

Erster Bürgermeister Janocha und Amtsleiterin Regine Wüllenweber versicherten im Gemeinderat, eine solche Aufstockung gehe nicht zulasten der Qualität. Fast alle Kitagebäude seien so groß, dass die Vorgaben des Kommunalverbands für Jugend und Soziales (KVJS) trotzdem eingehalten würden. Auch beim Betreuungsschüssel liege man in Backnang über den vorgeschriebenen Werten, sodass etwas größere Gruppen für eine begrenzte Zeit vertretbar seien. „Die Alternative wäre jedenfalls wesentlich schlechter“, erklärte OB Nopper. Denn dann müssten Kinder zu Hause bleiben, was auch für die Stadt teuer werden könnte. Seit 2013 gibt es nämlich einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, den die Eltern einklagen können. Nopper forderte deshalb, man müsse jetzt „pragmatisch handeln und nicht auf Grundsätzen bestehen.“

Ob dieser Wunsch gehört wird, ist allerdings fraglich. „Wir sehen aktuell keine Veranlassung, um von uns aus pauschal eine Überschreitung der Gruppengröße durch die Träger zu ermöglichen“, teilt Kultusministerin Susanne Eisenmann auf Anfrage unserer Zeitung mit. Die CDU-Politikerin verweist auf eine Einzelfallprüfung durch den KVJS, der schon heute Ausnahmen zulassen könne. Ein Hintertürchen bleibt allerdings, nämlich dann, wenn es den Städten gelingen sollte, in der Politik Unterstützer für ihren Plan zu gewinnen: „Wir sind offen für Gespräche, wenn sich die Regierungsfraktionen dieses Anliegen zu eigen machen“, erklärt Eisenmann.

Kommentar
Die Zeit drängt

Von Kornelius Fritz

Neben der Plaisirschule wird demnächst Backnangs größte Kindertagesstätte gebaut. Ende 2021 soll sie fertig sein, dann werden dort 120 Kinder betreut. Doch der akute Mangel an Kitaplätzen wird dadurch leider fast gar nicht gelindert. Denn von den sechs geplanten Gruppen sind fünf schon heute in Betrieb – vier davon in einer Containerlösung, eine im Gemeindehaus Heininger Weg. Wenn die Sport-Kita fertig ist, kommen also gerade mal 20 Plätze neu hinzu. Deshalb kann man sich schon wundern, mit welcher Gelassenheit die Stadträte die Zahlen zur Kindergartenbedarfsplanung zur Kenntnis genommen haben. Schon jetzt fehlen 100 Plätze, und mit jedem größeren Bauprojekt wird die Zahl der Kinder weiter steigen. Selbst wenn das Kultusministerium eine Aufstockung der Gruppen für drei Jahre erlauben sollte, müssen die Plätze spätestens nach Ablauf dieser Frist zur Verfügung stehen. Einen Plan, wo sie herkommen sollen, müsste es eigentlich schon heute geben.

k.fritz@bkz.de

Info
Elternbeiträge steigen 2020 um drei Prozent

Die Stadt Backnang erhöht zum 1. Januar die Gebühren in den städtischen Kindertagesstätten um durchschnittlich drei Prozent. So steigt der monatliche Elternbeitrag für ein Kind über drei Jahre, das halbtags betreut wird, um 2 bis 3 Euro im Monat, in der Ganztagsbetreuung um bis zu 8 Euro. Bei den unter Dreijährigen liegt der Aufschlag zwischen 5 und 13 Euro.

Der Entscheidung im Gemeinderat ging eine längere Debatte voraus. Die SPD-Fraktion lehnte die Erhöhung geschlossen ab. Man sei grundsätzlich der Meinung, dass frühkindliche Bildung kostenfrei sein sollte, erklärte der Fraktionsvorsitzende Heinz Franke. Neben der SPD stimmten aus unterschiedlichen Gründen auch Willy Härtner (Grüne), Lutz-Dietrich Schweizer (Christliche Initiative) und Volker Dyken (Backnanger Demokraten) gegen die Erhöhung.

Die Stadtverwaltung hält die Gebührenerhöhung für angemessen und sozial verträglich. Man orientiere sich dabei am Landesrichtsatz, erklärte Erster Bürgermeister Siegfried Janocha. Im Übrigen enthalte das Backnanger Gebührensystem mehrere soziale Komponenten. So gibt es Rabatt für Familien mit mehreren Kindern, Geringverdiener mit dem Backnanger Familien- und Kulturpass bezahlen nur die Hälfte.

Die Stadt Backnang gibt 2019 rund neun Millionen Euro für die Kinderbetreuung aus. Die Elterngebühren decken nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten. In Backnang liegt der Anteil bei 12,7 Prozent und wird im nächsten Jahr – trotz der Gebührenerhöhung – voraussichtlich auf 10,3 Prozent sinken. Die kommunalen Spitzenverbände empfehlen laut Janocha eine Elternbeteiligung von 20 Prozent.