Inflation: Wo sparen die Menschen als Erstes?

Alles wird teurer (3) Ob beim Ein- und Möbelkauf, bei Luxusartikeln und der Freizeitgestaltung: Das sind Bereiche, in denen Menschen als Erstes sparen, wenn der Euro nicht mehr locker sitzt. Aber auch Gegenläufiges existiert, so das Stimmungsbild unter Akteuren verschiedener Branchen.

Inflation: Wo sparen die Menschen als Erstes?

Luxusartikel wie etwa Goldschmuck oder hochwertige Uhren leisten sich die Menschen derzeit weniger: Das Uhrenhaus Bauer registriert, dass weniger Kunden kommen. Wenn sie ein Schmuckstück oder eine Uhr kaufen, geben sie weniger Geld aus als bisher. Foto: Alexander Becher

Von Nicola Scharpf

Backnang. Unlängst hat die Backnanger Kreiszeitung berichtet, dass die Gastronomie zu den Bereichen gehört, in denen sich Krisen traditionell am schnellsten bemerkbar machen. „Denn wo fangen die Leute an zu sparen? Bei Kulturveranstaltungen und beim Essengehen“, sagte Michael Matzke, der erste Vorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Rems-Murr, jüngst gegenüber dieser Zeitung und mehrere Akteure aus der Gastrobranche stützten seine Aussage. Laut des HDE-Konsummonitors Preise des Handelsverbands (HDE) sorgen die höheren Energiekosten dafür, dass viele Verbraucherinnen und Verbraucher beim Einkauf genauer auf den Preis schauen und ihr Verhalten teilweise massiv verändern. Rund ein Drittel der von steigenden Energiepreisen Betroffenen reagiere darauf mit Ausgabenbeschränkungen, so die HDE-Studie. Generell würden die meisten Menschen in den Bereichen Fashion und Gastronomie sparen, allerdings würden die Sparbemühungen verstärkt auch bei Ausgaben für Freizeit, Hobby und Kulturveranstaltungen sowie bei Urlauben und Möbeln zunehmen.

Die Möglichkeiten des Sparens sind also vielfältig: Beim Einkaufen, bei der Freizeitgestaltung oder bei Luxusartikeln lässt sich verzichten. Menschen, die in diesen Bereichen ihren Erwerb haben, bekommen das zu spüren. Eine Umfrage bei verschiedenen Betroffenen ergibt allerdings kein einheitliches Stimmungsbild. Auch Gegenläufiges ist erkennbar: Die Verbraucherinnen und Verbraucher im hiesigen Raum gönnen sich weiterhin kleine – oder große – Fluchten.

Jetzt ist absolute Hauptbuchungszeit trotz explodierender Preise

Wo sparen die Leute als Erstes? „Nicht am Reisen“, antwortet Karin Klenhart. „Die Leute buchen, die wollen weg.“ Die Büroleiterin des Backnanger Reisecenters sagt mit Blick auf das Kundenaufkommen im Reisebüro: „Wir werden überrumpelt. Es ist absolute Hauptbuchungszeit trotz explodierender Preise.“ Sehr gefragt sei im Grunde alles – vom klassischen Familienurlaub im Mittelmeerraum über Kreuzfahrten bis hin zu Fernreisen. Dabei würden „die Preise steigen, steigen, steigen“, insbesondere für Flugreisen etwa nach Asien oder Amerika. Die Branche sei sich einig, so Klenhart, dass es in diesem Jahr keine Last-minute-Angebote geben werde.

Geld für die große Auszeit scheint vorhanden zu sein. Und auch kleine Alltagsfluchten gönnen sich viele weiterhin: So sagt Annegret Eppler vom Backnanger Universum-Kino, dass ein Kinobesuch offenbar zu den bezahlbaren Freuden gehört. „Die Menschen wollen sich etwas gönnen auf einer Ebene, die nicht den Geldbeutel sprengt.“ Die schöne Ablenkung, die man im Kino erlebe, müsse man sich anderswo teurer erkaufen. „Tatsächlich war es in der Vergangenheit häufig so, dass die Kinos in Krisen nicht schlecht unterwegs waren. Da baue ich drauf. Es ist eine der günstigeren Varianten, sich etwas zu leisten.“ Wobei sie sich bewusst sei, dass man sich aktuell am Anfang der Inflations- und Rezessionswelle befinde: „Es kann durchaus sein, dass es am Ende des Jahres anders aussieht und die Leute auch beim Kino überlegen werden.“

Beim Lebensmitteleinkauf haben sie es sich bereits überlegt: Laut der HDE-Studie hätten die Verbraucherinnen und Verbraucher ihr Einkaufsverhalten kontinuierlich den Preisveränderungen angepasst. Hoch im Kurs stünden Sonderangebote und die Reduzierung von Mengen und Markenkäufen sowie der Wechsel des Einkaufsorts. Lag der Einkauf von Lebensmitteln im Biosupermarkt während der Coronapandemie noch im Trend, ist die Erwartungshaltung gegenüber dem Lebensmittelhandel jetzt stärker von attraktiven Preisen geprägt. „Wir können uns diesem Trend nicht entziehen“, bestätigt Mathias Wurche vom Backnanger Hofgut Hagenbach, zu dem auch ein Biomarkt gehört. Die Umsätze seien zwar stabil, aber nicht erquickend. Es gebe zwar ein treues Klientel, aber auch diejenigen, „die relativ schnell abgewandert sind“. Große Themen seien hier die Discounter und der konventionelle Handel. „Dabei haben die Preise im konventionellen Handel mehr angezogen als im Biobereich.“

Reduzierte Öffnungszeiten wegen der hohen Energiepreise

Bereits im Oktober 2021 habe es eine Umsatzkonsolidierung gegeben. Von da an seien die positiven Auswirkungen der Pandemie auf die Umsätze nicht mehr spürbar gewesen. Wurche rechnet auch nicht damit, das hohe Niveau der Pandemiezeit wieder zu erreichen. „Das ist leider so. Die Branche war verwöhnt.“ Der Biomarkt hat auf das veränderte Verbraucherverhalten reagiert, indem er mehr Werbung macht, auch in Social Media und für Produkte, die ihn von anderen Märkten unterscheiden. Außerdem wurden die Öffnungszeiten an den Abenden reduziert, wofür vor allem die Energiepreise ausschlaggebend waren.

In der Backnanger Filiale der Opti-Wohnwelt sind die Kundenfrequenzen nach Aussage von Hausleiter Daniel Pilsits bereits durch die Coronapandemie erheblich zurückgegangen. Dieser Trend habe sich nicht wieder umgekehrt. „Gerade niedrige Einkommen treffen die gestiegenen Lebenshaltungskosten am stärksten. Da wir keine Verbrauchs-, sondern Gebrauchsgüter verkaufen, ist schon eine gewisse Kaufzurückhaltung zu spüren.“ Der Discountbereich habe weniger Umsatz zu verzeichnen.

Beim Uhrenhaus Bauer reagiert man im Moment nur mit Abwarten darauf, dass weniger Menschen das Backnanger Traditionsgeschäft für Uhren und Schmuck betreten. Die Öffnungszeiten zu reduzieren, ist für Birgit Bauer keine Option. „Wenn wir nicht geöffnet haben und die Menschen stehen vor der geschlossenen Tür, dann gehen sie zu jemand anderem.“

Die Tradition, dass junge Leute beispielsweise zur Konfirmation eine wertige Uhr geschenkt bekommen, habe in Zeiten der Verbreitung des Mobiltelefons schon lange nachgelassen. Darüber hinaus stellt Bauer aktuell eine allgemeine Zurückhaltung fest: Zum einen kommen weniger Kundinnen und Kunden, und die, die kommen, kaufen zum anderen auf einem geringeren Preisniveau. Gold sei momentan relativ teuer, viele hätten noch Preise von vor zehn Jahren im Kopf, seien dann dementsprechend überrascht und würden umschwenken – beispielsweise von Gold auf vergoldetes Silber. Dass jemand ein goldenes Schmuckstück als Geldanlage betrachtet, „das ist die Ausnahme und lässt sich an einer Hand abzählen“.

Jüngere leiden unter dem Preisanstieg und ändern ihr Ausgehverhalten

In ganz anderen finanziellen Dimensionen bewegen sich insbesondere viele jüngere Menschen und müssen sich beim Ausgeben wohlüberlegt verhalten, was beispielsweise für Merlin-Betreiber Christos Kiroglou Folgen hat: „Ich spüre es bei den jüngeren Gästen, dass sie vor allem unter der Woche wegbleiben. Die Jüngeren merken stark, dass die Preise steigen, und ändern ihr Ausgehverhalten. Sie treffen sich mehr privat zu Hause und haben keine Stammkneipe mehr.“ Sorgen bereitet ihm das schon. Also versucht er, sein Publikum, das finanziell stärker ist, durch konstante oder nur moderat steigende Preise zu halten. Kiroglous Beobachtung: Das Publikum 40plus geht trotzdem essen. Speiselokale oder auch Party-Events am Wochenende würden in Backnang weiterhin „recht gut“ funktionieren.

Bei der Verbraucherstimmung weht im Januar sanfter Aufwind. Wie das monatlich erscheinende Konsumbarometer des Handelsverbands Deutschland zur Anschaffungsneigung, Sparneigung, finanziellen Situation und anderen konsumrelevanten Faktoren zeigt, legt der Index den dritten Monat in Folge zu. Insbesondere die zuletzt optimistischeren Konjunkturaussichten scheinen zur Aufhellung beizutragen. Die Stimmung der Verbraucherinnen und Verbraucher verbessert sich allerdings weiterhin nur in kleinen Schritten und liegt im Mehrjahresvergleich noch immer auf niedrigem Niveau.