Kleines Mädchen beim Baden berührt

Angeklagter äußert sich nicht, das Schöffengericht hält die Aussagen des Opfers für glaubwürdig.

Kleines Mädchen beim Baden berührt

Von Hans-Christoph Werner

WAIBLINGEN/BACKNANG. Vor dem Jugendschöffengericht hat sich ein 47-jähriger Backnanger wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu verantworten. Nach der Verlesung der Anklageschrift lässt der Angeklagte über seine Verteidigerin mitteilen, dass er sich weder zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen noch zu seiner Person äußern werde. Die Mutter des geschädigten sechsjährigen Mädchens schildert im Zeugenstand ausführlich das Vorgefallene. In der ersten Hälfte des Jahres 2019 ist es, dass die ledige Mutter der sechsjährigen Lauren (Name geändert) den Angeklagten kennenlernt. Einige Male ist der 47-Jährige auch bei Lauren, deren Mutter und ihrem dreijährigen Bruder zu Gast. Der 47-Jährige ist den Umgang mit Kindern gewöhnt, da er auch in einer Backnanger Grundschule bei der Kinderbetreuung hilft. Weil zurzeit arbeitslos, bietet sich der 47-Jährige an, mit Lauren auch etwas zu unternehmen. Es geht zum Baden in das Backnanger Wonnemar. Drei Badbesuche werden es im Lauf der Wochen. Der letzte im November 2019.

Zur Beaufsichtigung bei ihrer Oma äußert Lauren, dass sie bei dem letzten Schwimmbadbesuch fast ertrunken wäre. Alleine sei sie, die sie doch noch nicht richtig schwimmen könne, im Wasser gewesen. Der 47-Jährige habe in dem Augenblick etwas holen wollen. Die Großmutter stellt energische Nachfragen, kann sich aber kein genaues Bild von dem Vorgefallenen machen. Als Lauren Tage später mit einer Barbiepuppe tanzt, die sie von dem Angeklagten geschenkt bekommen hat, hält sie dabei Zwiesprache. Die Mutter wird hellhörig. Von „geleckt werden“ war da die Rede. Die Mutter will’s genau wissen. Lauren weint, ziert sich, behauptet, sie könne nicht erzählen. Dann tut sie’s aber doch. Bei dem letzten Badbesuch sei sie mit dem 47-Jährigen nicht wie gewohnt in der Sammelumkleide, sondern in einer Einzelumkleidekabine gewesen. Die Mutter ist entsetzt von den Details, die die Tochter berichtet, und wendet sich an die Polizei. Mit einem Mal findet auch das merkwürdige Verhalten von Lauren seine Erklärung. Sie ist schreckhafter geworden, hat Angst im Dunkeln, nässt ins Bett, möchte beim Toilettengang begleitet werden. Mittlerweile ist Lauren auch zu regelmäßigen Gesprächen bei einer Therapeutin.

Die Mutter des Opfers machte ihrer Entrüstung Luft.

Weil die Sache bei der Polizei gelandet ist, wird Lauren auch von einer Polizistin vernommen. Letztere ist die zweite Zeugin in dem Gerichtsverfahren. Die Polizeihauptkommissarin schildert ihren Eindruck von Lauren. Wenn die Befragung von Lauren auf das Geschehen kommt, gerät das Mädchen ins Stocken, ist sichtlich beschämt, spielt verlegen mit ihrem Kuscheltier. Später erzählt Lauren alles nochmals einer Richterin. Letztere Vernehmung wird per Video aufgenommen. Somit wird Lauren eine nochmalige Aussage in der Gerichtsverhandlung erspart. Die Videovernehmung wird – unter Ausschluss der Öffentlichkeit – in der Verhandlung vorgeführt.

Für die Staatsanwältin hat sich die Anklageschrift bestätigt. Lauren habe den Sachverhalt glaubwürdig dargelegt. Die Anklagevertreterin fordert zwei Jahre und acht Monate für den Beschuldigten. Beim Strafmaß ist eine Verurteilung durch das Backnanger Amtsgericht vom Februar dieses Jahres miteinzubeziehen. Die Verteidigerin des Angeklagten lässt nicht alle Tatvorwürfe gelten, zum Teil seien Angaben zu ungenau erfolgt. Ungut sei an diesem Punkt auch das inquisitorische Nachfragen der Großmutter gewesen. Das müsse man nach dem Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ zugunsten ihres Mandanten werten. Bei diesen Worten kann die Mutter von Lauren nicht an sich halten und macht ihrer Entrüstung Luft. Der Richter ruft sie zur Ordnung. Über eine halbe Stunde berät das Schöffengericht über die Urteilsfindung.

Der Vorsitzende Richter trägt die Entscheidung vor: ein Jahr und neun Monate zur Bewährung für den Angeklagten. Das Schöffengericht hält die Aussagen von Lauren für glaubwürdig. Von der ersten Befragung durch ihre Mutter bis hin zur richterlichen Vernehmung habe das Mädchen immer denselben Sachverhalt erzählt. Zudem sei kein Belastungseifer erkennbar gewesen. In der Schilderung des Vorgefallenen sei Lauren nicht wie in ähnlich gelagerten Fällen ausschweifender geworden. Schließlich sei zu erkennen gewesen, dass die Angelegenheit für das kleine Mädchen mit Scham behaftet ist. Mit diesen Ausführungen wies das Gericht zugleich den Antrag der Verteidigerin ab, die ein Glaubwürdigkeitsgutachten gefordert hatte. Das Schöffengericht, so der Richter, vermöge durchaus die Glaubwürdigkeit des Mädchens zu beurteilen.

Weil für den Angeklagten eine vorsichtig positive Sozialprognose zu stellen sei, werde die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Drei Jahre lang hat sich der Verurteilte nun straflos zu halten, ist einem Bewährungshelfer unterstellt, hat dem Gericht drei Gesprächstermine bei der Anlaufstelle für sexualisierte Gewalt nachzuweisen und 120 Stunden gemeinnützige Arbeit zu leisten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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