„Klimaschutz fängt im Kleinen an“

Kreistag verabschiedet Handlungsprogramm für die Jahre 2019 bis 2022 – Vom Mehrwegbecher bis zur Fotovoltaik

Der Kreistag hat in seiner jüngsten Sitzung das Klimaschutz-Handlungsprogramm für die Jahre 2019 bis 2022 verabschiedet. Es umfasst 24 einzelne Maßnahmen. Die Gesamtkosten sind auf 4,59 Millionen Euro veranschlagt. Unter anderem sollen Mehrwegbecher für den Coffee to go eingeführt werden, eventuell mit dem Recup-System.

„Klimaschutz fängt im Kleinen an“

„Wir sind mit Recup im Gespräch“, sagte Landrat Richard Sigel bei den Beratungen zum Klimaschutz-Handlungsprogramm. Das im September 2016 gegründete Unternehmen hat ein Pfandleihsystem entwickelt, wie es auch für den Rems-Murr-Kreis angedacht ist. Foto: A. Weber

Von Armin Fechter

WEINSTADT. Bereits zum dritten Mal unterwirft sich der Landkreis einem auf mehrere Jahre ausgelegten Handlungsprogramm zum Klimaschutz. „Wir sind bereits mittendrin im Klimawandel“, hatte Landrat Richard Sigel bei der Vorstellung des Programms Ende September mahnend erklärt: Die Jahresdurchschnittstemperaturen steigen, es wird weniger Grundwasser neu gebildet, gleichzeitig kommt es häufiger zu extremen Wetterereignissen und Hochwasser.

Das neue Handlungsprogramm steht unter dem Motto „Klimaschutz zum Mitmachen“. Es richtet sich einerseits an den Landkreis selbst, gleichzeitig aber auch an Firmen, Landwirtschaft, Bürger sowie gesellschaftliche Multiplikatoren.

Christoph Jäger (CDU) ließ durchblicken, dass nicht alle Angehörigen der Fraktion mit jedem Punkt im Detail einverstanden sind: „Aber das Gesamtpaket passt und weist in die richtige Richtung.“ Er forderte einen nachhaltigen und effizienten Mitteleinsatz; bei der konkreten Umsetzung müsse das eigentliche Ziel im Vordergrund stehen – der größtmögliche tatsächliche Nutzen und klimatechnische Mehrwert. Als Beispiel nannte Jäger das angedachte Pfandleihsystem. Stutzig gemacht habe ihn die wiederholte Erwähnung des Rems-Murr-Designs. Auf das Logo komme es aber nicht an. Statt für teures Geld ein eigenes System zu entwickeln, solle man an das bestehende Recup-System andocken. Zudem sprach er die Hoffnung aus, dass weder in den Büros des Landkreises noch bei den in der Sitzung Anwesenden „diese sündhaft schicken Aluminiumschleudern im Einsatz sind“. Denn: „Der Klimaschutz fängt im Kleinen, bei uns zu Hause an.“

Umrüstung auf LED-Leuchten

soll vorgezogen werden

Gernot Gruber (SPD) wies darauf hin, dass der Klimawandel – Hitze, Dürren, steigende Meeresspiegel und Hungersnöte – eine der Hauptursachen für Flucht ist. Daher gelte es, die Klimaerwärmung zu begrenzen. Er erinnerte an Anträge der Fraktion aus den Jahren 2006/2007. Bereits damals sei gefordert worden, regenerative Energien zu fördern, die Energieeffizienz zu steigern und Energie einzusparen. Er selbst habe damals ein Projekt für Schüler zum Energiesparen angeregt, das nun im Programm steht. Weiter plädierte er dafür, die Umrüstung auf LED-Beleuchtung im beruflichen Schulzentrum Backnang vorzuziehen. Kostenpunkt: 70000 Euro. Gruber fasste zusammen: „Es gilt, unseren Kindern keine zu hohen Schuldenberge zu hinterlassen – weder in Euro noch in CO2.“ – „Kleine Schritte und große Würfe, beides brauchen wir“, erklärte Markus Dannenmann für die Freien Wähler. Er lobte insbesondere den Einsatz von 1,45 Millionen Euro, um weitere Fotovoltaikanlagen zu errichten – eine Investition, die sich mittelfristig selbst finanziere. Die jährliche CO2-Einsparung beträgt rund 400000 Kilogramm. Gleichzeitig forderte er, das Treibhausgas Methan stärker in den Fokus zu nehmen. Weiter bedauerte er, dass nur 500 Euro vorgesehen sind, um in Seminaren für die Landwirtschaft das Thema Emissionen zu beackern.

Namens der Grünen bemängelte Astrid Fleischer, dass der Rems-Murr-Kreis noch weit davon entfernt ist, ein Klimaschutz-Musterlandkreis zu sein: Die CO2-Emissionen seien immer noch am Steigen, obwohl eine Reduktion um rund 30 Prozent bis zum Jahr 2025 anvisiert war. Die Grünen wollen daher Anreize zum Umsteigen vom eigenen Auto auf den öffentlichen Nahverkehr bieten, indem das Firmenticket mit 50 Prozent der Kosten unterstützt und für Azubis ganz übernommen wird. Weiter sagte sie: „Wir brauchen nicht mehr Parkhäuser, sondern mehr Park-and-ride-Plätze an der Peripherie und gute Fahrradabstellplätze am Arbeitsplatz mit Umkleideraum.“

Dass beim CO2-Ausstoß noch keine Trendwende erreicht wurde, liegt laut Jürgen Hofer (FDP/FW) am Wirtschaftswachstum. In Deutschland bestehe in Sachen Klimawandel kein Erkenntnisproblem, erklärte er. Aber: „Wir haben ein handfestes Umsetzungsproblem.“ Wichtig sei’s, die Bürger einzubinden. Appelle bewirken recht wenig, sagte Hofer, klare Standards seien vonnöten. Und: Beim Thema Verpackungsmüll „wird noch einiges auf uns zukommen“.

Heides „Energie-Blockwart“ ruft energische Proteste hervor

Für den Aufreger des Tages sorgte Josef Heide (AfD/Unabhängige): Er kritisierte das Projekt Stromsparchecker und sprach vom „Energie-Blockwart“. In der Stellungnahme, die er namens der Zählgemeinschaft AfD/Unabhängige abgab, listete er zahlreiche Kritikpunkte auf. Ein Großteil der Maßnahmen im Handlungsprogramm sei wirkungslos und teuer zugleich, vor allem der Ausbau der Fotovoltaik. Diese sei „die teuerste Art, Strom zu erzeugen“, denn sie rechne sich nur scheinbar wegen hoher Subventionen und Zwangsumlagen. Hier würden in Wahrheit Mittel vergeudet und Geld verschwendet. Auch am Projekt Stromsparchecker, das in Kooperation mit der Caritas Ludwigsburg/Waiblingen/Enz durchgeführt wird und das sich laut Kreisverwaltung bundesweit bewährt hat, ließ er kein gutes Haar. Ziel des Projekts ist es, private Haushalte, die soziale Leistungen beziehen oder über ein geringes Einkommen verfügen, dabei zu unterstützen, ihren Strom- und Wärmeverbrauch zu senken. Heide hingegen erklärte: „Stromsparchecker unterstellen Bürgern mit niedrigem Einkommen Stromverschwendung. Gerade diese Personen werden sich das am wenigsten leisten. Verschwendung findet dort statt, wo Geld keine Rolle spielt. Als Nächstes kommt dann der Energie-Blockwart.“

Im Gremium kam Unruhe auf, der Sozialdemokrat Gernot Gruber meldete sich: Diese Wortwahl erinnere an das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. Das dürfe man nicht durchgehen lassen, erklärte er mit Hinweis auf die Opfer und forderte: „Ich erwarte eine Entschuldigung.“ Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Riedel protestierte. In den Ausschusssitzungen stehe man immer wieder vor der Frage: „Soll man Ihnen widersprechen oder Sie übergehen?“ Aber hier solle die Öffentlichkeit durchaus Bescheid wissen. Heide eilte darauf erneut ans Mikrofon und verteidigte sich: „Ich habe vor dem Energie-Blockwart gewarnt, nicht ihn gefordert.“

Am Ende votierten die drei anwesenden Mitglieder der Zählgemeinschaft als Einzige gegen das Handlungsprogramm.