Kochen wie im Mittelalter

Um auch nur eine Schale Hirsebrei zuzubereiten, war im Mittelalter langwierige Vorbereitung nötig. Heutzutage versuchen Lagergruppen auf historischen Märkten, das Kochen aus vergangenen Zeiten nachzuempfinden.

Kochen wie im Mittelalter

Eintopf – aus dem Tontopf auf dem Feuer – war im Mittelalter ein häufiges Essen. Man nutzte, was gerade da war. Fotos: privat

Von Simone Schneider-Seebeck

Großerlach. Einen Schalter umlegen, ein Rädchen drehen – schon ist der Herd an und es kann gekocht werden. Und wie! Kein Gewürz ist zu exotisch, für so ziemlich jede Zutat gibt es Händler. Mit ein wenig Können gelingen so verschiedenste Gerichte. Was für uns heute beim Zubereiten von Speisen selbstverständlich ist, war in früheren Jahrhunderten undenkbar. Wie und vor allem was wurde denn beispielsweise im Mittelalter gekocht? Der Verein für historisches Handwerk und lebendige Geschichte bietet Anhaltspunkte, hat er doch im vergangenen Jahr das Wanderheim Eschelhof bewirtet und dabei zwei Eintöpfe, wie es sie schon im Mittelalter gegeben hat, angeboten. Fragt man dort nach, wird man direkt an Bianca Oettlin verwiesen.

„Es war der Klassiker“, so beschreibt diese den Beginn ihrer Leidenschaft für das mittelalterliche Leben und Kochen. Zusammen mit ihrem Mann hatte sie ein Ritterfest besucht und schnell war klar: „Das wollen wir auch machen.“ Und seit gut zwei Jahrzehnten unternehmen die beiden immer wieder eine Reise in die Vergangenheit. So waren sie erst im Juni beim historischen Handwerkermarkt am Limes in Großerlach dabei. Bianca Oettlins Spezialität ist dabei die historische Kochkunst. „Das Interesse am mittelalterlichen Kochen kam daher, dass wir schnell anfingen, zu lagern“, erzählt die kaufmännische Angestellte. Und da wollte man nicht nur gut versorgt sein, sondern auch dem Besucher etwas bieten.

Selten gibt es in den historischen Quellen Mengenangaben

Die Suche nach entsprechenden Rezepten war und ist spannend. „Es gibt einiges an Literatur und auch mittelalterliche Kochbücher, die überliefert sind“, sagt Oettlin. Allerdings habe es schriftliche Überlieferungen erst ab dem Hochmittelalter gegeben. Es gebe zudem Autoren, die mit ihrem Wissen über die mittelalterliche Küche entsprechende Bücher geschrieben und an die moderne Zeit angepasst hätten, sodass man diese auch verstehen könne.

Eine Umstellung ist es schon, so seien in der Regel weder Garzeiten noch Temperaturen oder Mengenangaben angegeben. „Die mittelalterlichen Kochbücher waren in der Regel von Köchen für Köche geschrieben, für die Herrenküche“, weiß die leidenschaftliche Köchin. „Das normale Fußvolk brauchte kein Kochbuch – die konnten nicht lesen und hatten in der Regel auch die Zutaten nicht zur Verfügung.“

Dass es Bratspieße gab, ist überliefert

Bianca Oettlins historische Figur ist jedoch im frühen Mittelalter angesiedelt, und aus dieser Zeit existieren keine schriftlichen Überlieferungen. Daher muss man sich hier auf historische Funde als Quelle für die damalige Ernährung stützen. „Bei einer Ausgrabung wurde beispielsweise ein Feigenkern gefunden. Daraus lässt sich schließen, dass Feigen bekannt waren und gegessen wurden, und da sie hier nicht wachsen, müssen sie importiert worden sein.“ Auch welche Getreidesorten angebaut worden sind, lässt sich gut nachvollziehen.

Sie probiert gern etwas aus und da sie sich für ihre gewählte Zeit nicht auf überlieferte Rezepte stützen könne, müsse man selbst Rückschlüsse ziehen – welche Zutaten gab es, was habe man daraus machen können mit den damals verwendeten Garmethoden. Überliefert seien etwa Bratspieße. Daher könne man davon ausgehen, dass Fleisch aufgespießt und über dem Feuer gebraten worden sei. „Die gängigste Methode war aber tatsächlich, einen Tontopf in die Glut zu stellen und darin zu garen“, so Bianca Oettlin. Metallene Kessel seien eher selten verwendet worden. Bier und Met seien darin gebraut worden. „Das sieht man an den Rückständen, die man in solchen Kesseln gefunden hat.“ Eintopf sei ein häufiges Essen gewesen, dafür habe man alles nutzen können, was gerade da gewesen sei. „Aber man kann daraus auch richtige Festessen machen““, so Oettlins Erfahrung.

Neben dem Tontopf wurden Kuppelöfen aus Lehm genutzt, in denen man Brot gebacken habe. Diese seien regelmäßig angeheizt worden und am Backtag konnte man dann sein Brot darin backen. Bekannt von mittelalterlichen Märkten sind sicher die Dinnede, eine Art Brotfladen. Die konnte man noch ausbacken, wenn der Backofen für Brot nicht mehr heiß genug war. Und in den Städten hatte sich bereits im Mittelalter eine Art Fast Food etabliert. Mit allen möglichen Füllungen versehene Pasteten hatte es dort zu kaufen gegeben.

Das mittelalterliche Nahrungsangebot richtete sich in Ermangelung von Kühlmöglichkeiten und einem ausgiebigen und erschwinglichen internationalen Warenverkehr nach den Jahreszeiten. Im Herbst, zur Schlachtzeit, wurde etwa entsprechend viel Fleisch gegessen. Doch die Ernährung hing auch vom Stand ab, dem man angehörte. Allgemein hatte man sich hauptsächlich pflanzlich ernährt, tierische Erzeugnisse waren etwas Besonderes. Dies umso mehr, als sich im Zuge der Christianisierung schließlich die Fastentage etabliert hatten, an denen außer Wassertieren keine tierischen Nahrungsmittel erlaubt waren. Allerdings habe man sich auch da zu helfen gewusst, so seien etwa Biber kurzerhand zu Wassertieren erklärt worden. „Ich habe ihn noch nicht gegessen, aber er soll tatsächlich gut sein“, sagt Bianca Oettlin verschmitzt.

Bianca Oettlins Tipp: Hirsebrei

Rezept Das Prinzip ist einfach: Hirse in Wasser aufkochen und quellen lassen. Den Brei kann man dann entweder mit Gemüse als salzige Variante anreichern oder süß servieren, etwa mit Obst der Saison oder Nüssen. Zum Süßen hat man früher vor allem Honig verwendet, aber auch aufgekochtes getrocknetes Obst kann zum Süßen verwendet werden. Mit etwas Sahne verfeinert wird der Brei schön sämig.

Aufwand Richtig mittelalterlich ist dann vor allem die korrekte Zubereitung des Gerichts. Holz holen und hacken, Feuer machen und es herunterbrennen lassen, bis es nur noch glüht. Damit ist man schon etwa eine Dreiviertelstunde beschäftigt. Wenn der Topf dann in der Glut steht, ist darauf zu achten, dass möglichst nichts anbrennt oder überkocht, also immer schön rühren. Bis der Brei dann richtig sämig ist, dauert es nochmals etwa eine Dreiviertelstunde. Und nach dem Essen folgt dann das unvermeidliche Kesselschrubben, das ebenfalls wieder einiges an Zeit beansprucht.