Konflikte im Raum Backnang bei der Rehkitzrettung?

Die Rehkitzrettung per Drohne durch den Verein Flugmodus ist kostenlos und kann noch am Vorabend der Mahd angemeldet werden. Allerdings nehmen nicht alle Landwirte das Angebot wahr, sehr zum Leidwesen der zuständigen Jagdpächter. Eine Pflicht der Landwirte zur Drohnenrettung gibt es nicht, zu Schutzmaßnahmen aber sehr wohl.

Konflikte im Raum Backnang bei der Rehkitzrettung?

Rehkitze verhalten sich im Gras vollkommen ruhig, sind kaum zu sehen und geraten so schnell unter ein Mähwerk. Foto: Flugmodus e.V.

Von Kai Wieland

Rems-Murr. „Die Drohnenrettung ist eine tolle Sache und kostet den Landwirt gar nichts, aber manche Bauern sind einfach nicht dazu in der Lage, am Vorabend ihre Mahd anzumelden“, wettert Günther Link aus Mainhardt. Der Jagdpächter im Ortsteil Grab in der Gemeinde Großerlach ist sauer. Immer wieder muss er erleben, dass auf seinem Gebiet Rehkitze unter den Mäher geraten und dabei getötet oder schwer verletzt werden. Besonders ein Landwirt melde bei ihm regelmäßig nicht seine Mahd an. „Vor Kurzem hat er in einer halben Stunde vier Kitze zusammengemäht“, schimpft Link. „Ich verstehe einfach nicht, wieso das sein muss. Ob die es nicht wissen oder ob es um den Reibach geht, ich habe keine Ahnung.“

Zeit ist bekanntlich Geld, aber nimmt jemand dafür das Leid von Rehkitzen in Kauf? Günther Link hat da keinen Zweifel. Er wisse, wo sich sein Wild aufhalte, und auch, worauf er achten müsse: „Man sieht häufig den roten Milan über einer Stelle kreisen, da wird man meistens fündig.“ Auch sein Hund habe schon Überreste aufgespürt. Dennoch geht Günther Link davon aus, dass er nur von einem Teil der Fälle weiß. Eine Meldepflicht für getötete Rehkitze gibt es laut Landratsamt nicht, gleichwohl es die meisten Landwirte dem jeweiligen Jagdpächter melden. Der betreffende Landwirt selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Die Drohnen sind fast täglich unterwegs

Die Rehkitzrettung per Drohnenflug mit Wärmebildkamera ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, sehr wohl aber das grundsätzliche Ergreifen von Maßnahmen, um die grundlose Tötung oder Verletzung der Tiere zu vermeiden – so steht es in Paragraf eins des Tierschutzgesetzes. Da die Mahd an sich nicht als ausreichender Grund für das Tierleid bewertet wird, ist der Landwirt zum Handeln verpflichtet. Falls er einen Lohnunternehmer mit der Mahd beauftragt, geht die Verantwortung an diesen über, allerdings ist es auch dann Aufgabe des Landwirts, die korrekte Durchführung explizit anzuweisen. In der Praxis erfolgen das Absuchen der Wiesen und die Durchführung sonstiger Maßnahmen häufig in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Jagdpächter.

Es sind aber nicht nur naturschutzrechtliche Belange, die Günther Link umtreiben, sondern auch pragmatische. Zwar hat das Reh im eigentlichen Sinn keinen Besitzer, doch der Jäger ist derjenige, welcher auf dem jeweiligen Gebiet gewisse Rechte an dem Wild oder an Teilen von diesem genießt. Zugleich ist er zur Hege der Tiere mit allem damit verbundenen Aufwand verpflichtet. Wenn Günther Link also davon spricht, dass „seine Rehkitze“ unter den Mäher geraten, wird das Konfliktpotenzial zwischen Landwirt und Jäger in dieser Frage deutlich. „Ich zahle viel Geld für die Pacht“, betont Link, den seine fehlende Handhabe ärgert. „Klar, er bekommt für so etwas ein paar Tausend Euro Strafe.“ Aus Sicht des Jägers ist der Betrag allerdings viel zu gering, um für einen großen Landwirtschaftsbetrieb abschreckend zu wirken.

Kitzretter sind derzeit täglich im Einsatz

Mittlerweile nehmen jedoch viele Landwirte die Drohnenrettung in Anspruch. „Wir sind, abgesehen von Regentagen, derzeit täglich mit mehreren Teams im Einsatz“, berichtet Andreas Metz vom Verein Flugmodus. Es vergehe kaum ein Tag, an dem keine Rehkitze gerettet würden, sagt der Landvermesser, der ehrenamtlich im Verein mitarbeitet. Allein am gestrigen Mittwoch seien so bei den vier eingesetzten Teams mindestens zwölf Tiere in Sicherheit gebracht worden. Erst vor wenigen Tagen habe man auch in Großerlach mit drei Drohnen 15 Rehkitze an einem einzigen Tag entdeckt. Darunter sei auch eine 40 Hektar große Fläche des eingangs erwähnten Landwirts gewesen, welche in diesem Fall aber vom Jagdpächter, sprich Günther Link, angemeldet worden sei. Überhaupt ist Großerlach nach Aspach die am zweithäufigsten besuchte Gemeinde des Vereins.

Die Zahlen lassen erahnen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, ohne vorherige Maßnahmen bei der Mahd Rehkitze zu verletzen: „Sehr hoch“, bestätigt Andreas Metz. Auch Kreisjägermeister Markus Laiblin aus Sulzbach an der Murr betont die Effizienz der Drohnenrettung: „Suche ich mit meinem Hund die Felder ab, finde ich höchstens ein oder zwei Rehkitze. Mit der Drohne waren es elf. Ich bin den ehrenamtlichen Helfern da auch überaus dankbar.“

Bereits 154 Tiere gerettet

Insgesamt konnte der Verein in diesem Jahr bereits 154 Kitze retten und die Saison hat erst begonnen. „Wir kommen aber natürlich auch irgendwann an unsere Kapazitätsgrenzen“, gibt Andreas Metz zu bedenken. Um sämtliche Flächen des erwähnten Landwirts zu sichern, müsste man im Grunde dauerhaft zwei Drohnen abstellen. „Das ist nicht zu leisten.“

Im Allgemeinen verlaufe die Zusammenarbeit mit den Landwirten völlig unproblematisch, erzählt Andreas Metz, wobei die Aufträge in den meisten Fällen von den Jagdpächtern kämen, die zuvor wiederum von den Landwirten benachrichtigt würden. Lediglich die zeitlichen Voraussetzungen sorgen bisweilen für Unverständnis: Die Drohnensuche kann aus technischen Gründen nur in den frühen Morgenstunden stattfinden (siehe Infobox), die Mahd muss dann sofort im Anschluss beginnen. Vor allem, wenn Lohnunternehmer zur Mahd hinzugezogen werden, ist der frühe Beginn nicht immer leicht zu organisieren. „Wir erklären den Landwirten die Hintergründe, dann haben wir auch sehr selten Probleme“, sagt Andreas Metz.

Wenig Konflikte zwischen Landwirten und Jägern

Das ist auch die Erfahrung von Kreisjägermeister Markus Laiblin: „Mir sind zu diesem Thema keine Konflikte zwischen Landwirten und Jägern bekannt.“ In den meisten Fällen verlaufe die Zusammenarbeit reibungslos, und auch die Drohnenrettung werde immer stärker in Anspruch genommen. „Machen müssen die Landwirte ja sowieso etwas“, sagt Laiblin.

Flugmodus

Verein Die Mitglieder des Vereins Flugmodus sind mit ihren Drohnen ehrenamtlich im gesamten Landkreis aktiv, auch in Kooperation mit den Kreisjägervereinigungen Backnang und Waiblingen. Die Gelder für die Drohnen und sonstige Ausrüstung werden mithilfe von Spenden aufgebracht.

Drohnenrettung Eine Drohne mit Wärmebildkamera und ein Team aus ehrenamtlichen Helfern suchen am frühen Morgen unmittelbar vor der Mahd die angemeldete Fläche nach Rehkitzen ab. Diese heben sich in den kühlen Morgenstunden durch ihre Körperwärme von der Umgebung ab, weswegen die Drohnensuche nur bis spätestens 8 Uhr möglich ist. Die Tiere werden in Wäschekörben in Sicherheit gebracht und später wieder freigelassen. Die Mahd muss unmittelbar im Anschluss beginnen.

Anmeldung Die Anmeldung der Mahd durch den Eigentümer oder den Jagdpächter ist noch am Vortag bis 18.30 Uhr über die Website www.flug-modus.de möglich.