Steigende Ausgaben machen den gesetzlichen Kassen zu schaffen. GKV-Spitzenverband sieht Druck an der Beitragsfront.
Die Hausärzte sollen künftig eine größere Rolle im Gesundheitssystem spielen – auch um Kosten zu sparen.
Von Christoph Link
Trotz sprudelnder Einnahmen leiden die gesetzlichen Krankenkassen, aber auch die soziale Pflegeversicherung derzeit an einer „dramatischen Finanzsituation“. Vor allem die krasse Steigerung bei den Ausgaben im vergangenen Jahr habe ein gutes Plus bei den Einnahmen (5,3 Prozent) wieder aufgefressen, berichtete Doris Pfeiffer, die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, bei einem Presseseminar am Montag in Kremmen (Brandenburg).
Die Gesamtausgaben bei den gesetzlichen Krankenversicherungen hingegen seien um insgesamt 7,3 Prozent gestiegen. Vor allem die Krankenhausausgaben, die Arzneimittel, die Heilmittel wie beispielsweise Physiotherapie und die häusliche Krankenpflege schlugen negativ zu Buche mit Kostensteigerungen von acht bis zwölf Prozent. „Die Steigerung ging beispielsweise bei den Krankenhäusern nicht einher mit einer Mengenausweitung bei den Leistungen. Wir beobachten aber, dass mehr schwere Fälle abgerechnet worden sind.“
Kostentreiber sind offensichtlich die höheren Vergütungen aufgrund der Tarifsteigerungen beim Medizinpersonal im vergangenen Jahr, aber auch die allgemeine Inflation. Dort aber, wo ein Honorardeckel wie bei den Zahnärzten eingeführt worden war, sind die Ausgabensteigerungen (2,7 Prozent) moderat. „Irgendwas läuft falsch. Die vergangenen Gesundheitsminister Gröhe, Spahn und Lauterbach haben immer mehr Geld ins System gegeben. Wir müssen diese Dynamik bei den Ausgaben stoppen, sie können nicht höher sein als die Einnahmen. Steigende Beiträge belasten Arbeitnehmer und Arbeitgeber.“
Die Reserven der Krankenkassen – die vor Jahren noch eine Monatsausgabe betrugen – sind mittlerweile auf 7,1 Prozent einer Monatsausgabe geschrumpft. Fast 95 Prozent der Krankenkassen schrieben im vergangenen Jahr rote Zahlen – ein Rekordwert. Dabei hatten viele bereits an der Beitragsschraube gedreht: Es gab 40 Mal eine Erhöhung der Zusatzbeiträge im Jahr 2024, schon in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres erhöhten acht Kassen die Zusatzbeiträge, berichtete Pfeiffer. Sechs weitere haben einen entsprechenden Schritt zum 1. Juli beantragt. Der allgemeine Beitragssatz in der GKV liegt derzeit bei 14,6 Prozent, hinzu kommt ein durchschnittlicher Zusatzbeitrag von 2,5 Prozent.
Unsicher, wie weit die Beiträge noch steigen
Inwieweit mit steigenden Beiträgen noch im Laufe des Jahres zu rechnen sei, dazu wollte sich Pfeiffer mit Hinweis auf die Vorläufigkeit der genannten Finanzrechnung und das Fehlen von Zahlen für das erste Quartal 2025 nicht konkret äußern, sie hält aber einen durchschnittlichen Zusatzbeitrag von mindestens 2,6 Prozent für denkbar, „2,5 Prozent werden sicher nicht reichen“.
„Die Krankenkassenbeiträge haben schon im Januar einen Sprung nach oben gemacht, wie ich ihn noch nicht erlebt habe“, meinte Susanne Wagenmann, die Vertreterin der Arbeitgeber in der paritätisch besetzten GKV. „Weiter steigende Beiträge wären Gift für die Wirtschaft.“ Für Uwe Klemm, den Vertreter der Versicherten, sind auch die letzten beiden Bundesregierungen mit ihrem „schamlosen Griff“ in die Kassen der Kranken- und Pflegeversicherung verantwortlich für die klamme Situation. Unisono setzt die GKV-Spitze auf Versprechungen der neuen Regierung in Berlin, die in ihrem Koalitionsvertrag immerhin „stabile Finanzen“ bei den Krankenkassen als wichtig erachtet hat.
Was Schwarz-Rot aber konkret an Reformen plane, das ist noch offen. Bundeskanzler Friedrich Merz hatte kürzlich in der ARD dazu gesagt, er habe da „noch keine abschließende Meinung“. Auf die Ergebnisse einer bis 2027 tagenden Kommission für Strukturreformen im Gesundheitssektor zu warten, hält die GKV aber für viel zu spät. „Da vergeht wertvolle Zeit, wir brauchen noch vor der Sommerpause ein Vorschaltgesetz“, sagt GKV-Chefin Pfeiffer. Als kurzfristige Lösung könnte darin ein Ausgabenmoratorium stehen, worin die Krankenkassen künftig nicht mehr ausgeben dürfen als sie einnehmen.