Kretschmann gegen kostenlose Kitas

SPD will mit einem Volksbegehren Kindergartengebühren im Südwesten kippen

Stuttgart /EPD/STN - Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) lehnt die Gebührenfreiheit für Kindertagesstätten zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Die geschätzten Kosten von 700 Millionen Euro jährlich gebe der Landeshaushalt nicht her, sagte Kretschmann am Dienstag in Stuttgart. Richtig sei der Weg der meisten Kommunen, die Gebühren sozial zu staffeln, damit niemand über Gebühr belastet werde.

Kretschmann griff die Landes-SPD scharf für ihr Vorhaben an, ein Volksbegehren zur Gebührenfreiheit zu starten. Die Sozialdemokraten wüssten über die Mehrkosten Bescheid, forderten aber gleichzeitig, dass Baden-Württemberg mehr Schulden tilge. „Man muss auch in der Opposition konsistente Politik machen“, sagte er.

Der neue Landesvorsitzende der SPD, Andreas Stoch, hat kürzlich ein Volksbegehren für kostenlose Kindergärten angekündigt. Weil es im Landtag keine Unterstützung dafür gebe, erhoffe sich die SPD „in einer Koalition mit den Bürgerinnen und Bürgern“ eine Mehrheit für die Gebührenfreiheit für Kinder von null bis sechs Jahren, sagte Stoch der Stuttgarter Zeitung. „Bildung soll gebührenfrei sein, ob in der Kita oder in der Schule, bei der Meisterausbildung oder beim Studium.“ Dies entlaste Familien. Zudem hänge es derzeit auch vom Wohnort ab, ob eine Familie mehrere Hundert Euro für die Kita bezahlen müsse oder gar nichts.

Die Elternbeiträge werden von den Kommunen festgesetzt. Die Kommunalverbände empfehlen, die Eltern mit 20 Prozent an den Kosten zu beteiligen. Mancherorts liegen die Beiträge darunter. Auch ist der Betrag oft sozial gestaffelt. Heilbronn stellt die Betreuung für Kinder ab drei Jahren gebührenfrei, Künzelsau schon für Kinder ab einem Jahr.

Nach Auskunft des Finanzministeriums müsste das Land mindestens eine halbe Milliarde Euro pro Jahr zusätzlich in die Kinderbetreuung investieren. Der Städtetag geht sogar von 730 Millionen Euro aus.

SPD-Landeschef Stoch findet: „Das müssen uns die Bildungschancen eines jeden Kindes wert sein.“ Außerdem könnten auch Bundesmittel abgeschöpft werden. Tatsächlich beabsichtigt der Bund, den Ländern von 2019 bis 2022 über das „Gute-Kita-Gesetz“ insgesamt 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Baden-Württemberg erhält 718 Millionen Euro. Dieses Geld ist laut Kultusministerium für die Qualitätssteigerung der Kinderbetreuung vorgesehen.

Gemeindetagspräsident Roger Kehle warnt davor, bei den öffentlichen Ausgaben das Maß zu verlieren. Ewig werde die gute Konjunktur nicht anhalten. „Wir leben jetzt schon über unsere Verhältnisse.“ Auch Benjamin Lachat, Dezernent beim Städtetag, sagt: „Wenn jemand zu erklären vermag, wie das Land die 730 Millionen Euro finanziert, ohne an anderer Stelle zu streichen, dann kann man über Gebührenfreiheit reden.“

Ministerpräsident Kretschmann sieht auch rechtliche Bedenken. Laut Artikel 60 der Landesverfassung könne über Abgaben keine Volksabstimmung stattfinden. Deshalb müsste ein entsprechendes Volksbegehren zunächst vom Innenministerium auf seine Rechtmäßigkeit überprüft werden.

Dass andere Bundesländer ihre Kitas gebührenfrei machen – zum Teil mithilfe Baden-Württembergs über den Länderfinanzausgleich –, ist für Kretsch­mann kein Problem. Bei dem Thema könne man zwar „jedes Festzelt in einer halben Minute auf Hochtemperatur bringen“, sagte er. Wo andere Länder finanzielle Schwerpunkte setzten, bestimmten sie aber selbst. Außerdem werde es den Länderfinanzausgleich in der jetzigen Form 2020 nicht mehr geben, weil dann die Steuerverteilung zugunsten ärmerer Länder geändert werde.

Berlin hat im Sommer als erstes Bundesland die Kitagebühren komplett abgeschafft. Nordrhein-Westfalen strebt dies langfristig an. In Hamburg ist die Betreuung von der Geburt bis zur Einschulung fünf Stunden täglich plus Mittagessen beitragsfrei. In Niedersachsen können Kinder ab drei Jahren für bis zu acht Stunden kostenfrei in eine Kita gehen.