Kretschmann: Impfpflicht kann Gesellschaft befrieden

dpa Stuttgart. Eine allgemeine Impfpflicht sei eine ungeheure Zumutung, räumt Ministerpräsident Kretschmann ein. Trotzdem hält er sie für zwingend nötig - und liefert eine überraschende Erklärung.

Kretschmann: Impfpflicht kann Gesellschaft befrieden

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen). Foto: Bernd Weißbrod/dpa/Archivbild

Eine allgemeine Impfpflicht würde aus Sicht des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann Geimpfte und Impfgegner wieder mehr zusammenbringen. Der Staat könne nämlich damit den bestehenden Konflikt zwischen den beiden Gruppen an sich ziehen, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Stuttgart. „Damit nicht die Nachbarn aufeinander losgehen und sich attackieren.“ Es sei höchstgefährlich, wenn sich die Konflikte innerhalb der Gesellschaft immer mehr vertieften. „Der Spaltpilz ist letztlich schon tief in der Gesellschaft drin.“

Der Staat könne durch die Einführung einer Impfpflicht nicht nur am schnellsten rauskommen aus der Pandemie, sondern mittelfristig auch die Gesellschaft befrieden, sagte der Regierungschef. Davon sei er fest überzeugt. Die Debatte müsse mit der „Herrschaft des besseren Arguments“ geführt werden. Ohne Impfpflicht gehe die Entwicklung in „Endlosschleifen“ immer so weiter. Kretschmann führte auch die Impfpflicht gegen Pocken an, die erst 1983 aufgehoben worden sei.

Gleichzeitig bezeichnete Kretschmann die Impflicht als eine „absolute Ultima Ratio“. „Darum schrecken zu Recht erstmal alle vor solch einem Schritt zurück“, sagte er. Das sei auch richtig. Eine Impfpflicht sei eine „ungeheure Zumutung“. Aber die Zumutung auf den derzeit überlasteten Intensivstationen sei die weit schwerwiegendere.

Zur Umsetzung gab der Grünen-Politiker keine konkrete Antworten. Man müsse sich über die Ausgestaltung noch unterhalten. Wen man wolle, werde man eine Lösung finden, sagte er. Er könne sich aber nicht vorstellen, dass die Polizei Leute zum Impfen abhole und Verweigerer im Gefängnis landeten. Man müsse aber mit Bußgeldern rechnen. Es sei wichtige, die Debatte zu eröffnen, sagte er. Warum andere keine Impfpflicht wollten, müssten sie nun darlegen.

Kretschmann und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatten zuvor in einem gemeinsamen Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Dienstag) für eine Impfpflicht geworben. „Eine Impfpflicht ist kein Verstoß gegen die Freiheitsrechte. Vielmehr ist sie die Voraussetzung dafür, dass wir unsere Freiheit zurückgewinnen“, schrieben beide Politiker. Der CSU-Chef hatte sich wie auch andere Unions-Ministerpräsidenten schon vorher für eine Impfpflicht ausgesprochen, Kretschmann hatte sie bislang zumindest nicht ausgeschlossen.

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